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Wie guter Wein – vollendete Reife

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FATES WARNING – Theories Of Flight
Veröffentlichungsdatum: 01.07.2016
Dauer: 53:00
Label: Inside Out Music

Na das ging ja fix! Nur drei Jahre haben FATES WARNING seit ihrem letzten Streich „Darkness In A Different Light“ verstreichen lassen, was im Vergleich zu manch anderer Band doch recht lang wirkt. Führt man sich dagegen vor Augen, dass die Wartezeit beim Vorgänger satte neun Jahre gedauert hat, erscheint diese Zeitspanne aber schon in einem ganz anderen Licht. Nun stellt sich natürlich die Frage, was einem die Band nach satten 32 Jahren Aktivität auftischt. Haben FATES WARNING im heutigen Prog-Metal überhaupt noch einen Platz, nachdem das Genre doch auf der einen Seite von hochkarätigen Platzhirschen dominiert – nicht umsonst wird so ziemlich jede halbwegs ähnlich geartete Band an DREAM THEATER gemessen – auf der anderen Seite von einer vielversprechenden Offensive neuer Bands wie LEPROUS und HAKEN stetig neu definiert wird?

Der Opener „From The Rooftops“ beginnt atmosphärisch und eher zahm, bringt aber gleich dieses gewisse Etwas mit sich, welches den Hörer in seinen Bann zieht. Als Freund des Genres fühlt man sich spätestens dann so richtig wohl, wenn Ray Alder in nachdenklich-melancholischer Art zu singen beginnt. Erst nach über zwei Minuten schlägt der Song eine härtere Gangart an, wobei die Zeit bis dahin wie im Flug vergeht. Beim Hören stellt sich dann schnell eine Frage: Weshalb mundet das Ding so schnell? Ist es im Prog nicht Usus, erst bei mehrmaligem Hören so richtig hineinzufinden? Nicht hier, denn die Struktur leuchtet auf Anhieb ein, und auch der Refrain setzt sich sofort fest. Das nachfolgende „Seven Stars“ entwickelt sich sogar zu einem kleine Ohrwurm, wobei sich die anfangs gestellte Frage verschärft: Biedern sich FATES WARNING hier zu Lasten der Langzeitwirkung an?

An vierter Stelle bricht „The Light And Shade Of Things“ mit seiner Länge von über zehn Minuten aus und gibt weniger offensichtlich seine Essenz preis, wobei sich auch hier vieles im Gehör festsetzt. An dieser Stelle dann eine Erinnerung: Hat nicht auch PAIN OF SALVATIONS Meisterwerk „Remedy Lane“ gleich auf Anhieb gezündet, ohne bei mehrmaligem Hören abzuflachen? Tatsächlich zeigt sich diese Feststellung als ergiebig, und erste Parallelen werden erkennbar. So empfangen einen beide Werke mit griffigen Gesangsmelodien, wobei stets genug Raum für anspruchsvolle Spielereien bleibt, die erst auf Dauer zünden. Ganz so exotisch fällt „Theories Of Flight“ nicht aus, dafür stimmen die Kontraste, wenn etwa das härtere „White Flag“ auf den Brocken „The Light And Shade Of Things“ folgt. Mit „The Ghosts Of Home“ ist auch eine zweite Nummer mit Überlänge vorhanden, die den Hörer im Vergleich zu „The Light And Shade Of Things“ pfiffiger in die Irre führt. Der abschließende Titeltrack lässt den angezogenen Härtegrad ab Mitte des Albums dann auch wieder sanft abflachen.

An diesem Punkt steht fest, dass FATES WARNING mindestens ein gutes Album abgeliefert haben. Besonders Ray Alders großartige Mischung einprägsamer Melodien und verschiedener Stimmungen gefällt auf Anhieb. Auf jeden Fall hinterlässt „Theories Of Flight“ den Eindruck, da sei noch mehr, außerdem ist da dieses unbestimmbare Bedürfnis, einen weiteren Anlauf zu wagen. Siehe da, neue Details eröffnen sich beim zweiten Hören, bis schließlich wieder dieses vage Gefühl auftaucht, und sogleich der dritte Anlauf folgt. Und der vierte. Und der zehnte.

Und jedes Mal wandelt sich das Album, zeigt neue Facetten und schreit einem förmlich „So geht das!“ ins Gesicht.

Autorenbewertung

9
Wo vielen Kapellen mit der Zeit die Luft ausgeht, scheint bei FATES WARNING ein gegenteiliger Effekt aufzutreten: Aus "Theories Of Flight" sprechen über dreißig Jahre Erfahrung, verwoben zu einem durch und durch überzeugendem Werk. Klar, einen wirklich frischen Anstrich verleihen sie dem Genre nicht, und richtig exotisch wird die Sache auch zu keinem Zeitpunkt. Stattdessen arbeiten FATES WARNING stur darauf hin, Bestehendes zu perfektionieren – und machen dabei einen verdammt guten Job.
ø 4.3 / 5 bei 2 Benutzerbewertungen
9 / 10 Punkten

Vorteile

+ Reifes Werk
+ Grandioser Gesang
+ Gekonnter Spagat zwischen Eingängigkeit und Anspruch
+ Langzeitwirkung
+ Nah an der Perfektion

Nachteile

- Stellenweise etwas zu glatt
- Kaum wirkliche Experimente

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