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Wie viel Abwechslung verträgt ’ne Band? – 1476 mal mehr, als du denkst!

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1476 – Our Season Draws Near
Label: Prophecy Productions
Dauer: 56:36 min
Veröffentlichungsdatum: 31.03.2017

1476 – das Duo war mir bis dato kein Begriff, obwohl die hier besprochene Platte bereits das Album Numero 4 ist. Da ich aber eh ein kleines Faible für die Sachen aus dem Hause Prophecy habe, und 1476 vor recht kurzer Zeit in die Prophecy-Familie aufgenommen wurden, bin ich natürlich neugierig. Das einzige, was ich vorher schon über das Duo aus Salem, Massachusetts wusste, war, dass es sich wohl hierbei eher um Rock mit diversen Einflüssen, unter anderem aus dem Punk und Metal, handelt. Na dann, bringen wir die Membranen der Speaker mal zum Tanzen.

Vielleicht kann ich es doch nicht ganz tanzen nennen… noch nicht. Das Album startet mit nostalgischen, wehmütigen Klängen. „Our Silver Age“ schimpft sich der erste Track. Viel Trara gibts nicht. Eine klassische Gitarre und Gesang bereiten mich auf ein scheinbar Neofolk-artiges Album vor. Schließlich stoßen nun doch noch Schlagzeug und E-Gitarren dazu, verstärken aber die Schwere und Tragik der ersten Klänge. Doch nix rockiges?

Bäm! Hä? Wo bin ich denn jetzt? Hab ich aus Versehen den Ordner am mp3-Player gewechselt? Nein, habe ich nicht! Nach dieser Überraschung kann ich mir ein verwundertes Grinsen nicht verkneifen, denn „Ettins“, der zweite Song der Scheibe, schließt sich mit punkig-thrashigen Tönen an, die zum Zappeln einladen. Es wird in der Mitte des Titels kurzzeitig still, minimalistisch und akustisch und schafft somit die Verbindung zur geschaffenen Stimmung des ersten Tracks. Ein erneuter Energieschub lässt nicht lange auf sich warten. Und obwohl das Tempo und die Spieltechnik der Instrumente eher an diverse Punk- und Thrash-Sachen erinnern, klingen 1476 hier kein bisschen nach – ich nenne es mal – „Straße“, sondern schaffen ihre eigenen atmosphärisch-nostalgischen Vibes, ohne dabei in Selbstmitleid zu zerfließen und im Tempo einzuschlafen. So etwas habe ich zuvor noch nirgends gehört.

„Winter of Winds“ klingt ebenfalls erstaunlich frisch und doch an mancher Stelle eher schwermütig. Das wird nicht zuletzt daran liegen, dass einige Gitarrenpassagen zum Teil an seichten Black’n’Roll erinnern, während sie im nächsten Moment wieder sehr sanft mit dem klaren Gesang harmonieren, der, wie ich finde, stark die durchs Instrumental erzeugte Stimmung unterstützt.

„Solitude (Exterior)“ ist ein sehr gefühlvolles Stück, das sich vorerst akustischer Instrumente bedient. Da passt es sehr gut, dass auch die Stimme an Energie zurücksteckt und stattdessen recht hauchig und beruhigend eingesetzt wird. Einige Teile des Liedes schaffen ähnlich große Klangräume, wie man es beispielsweise aus dem Post-Rock kennt. Und dann, urplötzlich, kommt es zu einer kurzen Steigerung, die in einem Blastbeat gipfelt, der zusammen mit den Gitarren wie ein Befreiungsschlag klingt. Super geil!

Ein weiterer Song, der für mich wieder komplett anders klingt, und doch irgendwie ohne Kompromisse zur bisherigen Stimmung des Albums passt, ist der, der auf den Namen „Sorgen (Sunwheels)“ hört. Tragend, akustisch, neofolkig. Gitarre und Stimme sind sehr präsent, wenn auch sehr entspannend. Im Hintergrund hört man viel Hall, und als das Schifferklavier hinzustößt, bekomme ich ganz schön Erpelpelle. Das Stück erinnert mich an Neofolk-Größen wie beispielsweise FORSETI. Stark!

Auch „Winter of Winds“ bringt – trotz seines eher Stakkato-artigen Aufbaus, ebenso wie die bisherigen Songs – eine gewisse Schwere und Dramatik mit. Hier schwingt eben mal nicht großflächig und an einem Stück der Sound durch die Räumlichkeiten, sondern es werden eher abgehackte, kurze Anschläge betont, und trotzdem bleibt die Atmosphäre bestehen, an die man sich im Laufe des Albums gewöhnt hat. Faszinierend, wie 1476 das schaffen!

Das Album schließt mit dem längsten Titel, namens „Our Ice Age“, auch wieder einem akustischen Song, bei dem ich bei aller Tragik das erste Mal so richtig das Gefühl empfinde, dass sich die melancholisch-traurige Atmosphäre das erste Mal aufklärt und zu einer Art Klang der Befreiung und Erleichterung wird. Das funktioniert durch mehrstimmige Gesänge Chor-„Aaahhhs“ sehr gut, die irgendwie das Gefühl von Bestätigung vermitteln. Bei aller vorangegangenen Dramatik ein sehr schöner Ausklang.

Wie sie das schaffen, ist mir ein Rätsel

Ich bin verblüfft, wie harmonisch und doch abwechslungsreich das Duo klingt. Geboten wird hier echt alles von Neofolk und Dark Ambient bis hin zu punkig-thrashigem Rock und Post-Metal-Allüren, unterstützt von einem Schlagzeug, das von sanft bis zerstörerisch alles kennt und ebenso viel Abwechslung bietet wie die Vocals. Die Vocals könnten hier und da für meinen Geschmack etwas weniger Energie vertragen, die schreien mir ab und an zu sehr. Das ist aber bei Leibe nicht in jedem Song der Fall.

Das Erstaunliche dabei ist, dass jedes Lied nach 1476 klingt, die ihre erzeugte Mood über die gesamten 10 Titel aufrecht erhalten können, obwohl die Songs an sich so unterschiedlich sind. Wie sie das schaffen, ist mir ein Rätsel. Ich habe allerdings das Gefühl, dass es zumindest zum Teil daran liegt, dass sich Akkordverläufe auf der Klampfe nur sehr selten in etwas Positives auflösen. Wie auch immer – ein wahnsinnig interessantes Werk, das ich mit nichts vergeichen kann, weil es dafür zu eigenständig ist.

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Bild mit freundlicher Genehmigung von 1476

Autorenbewertung

7
Geboten wird alles von Neofolk und Dark Ambient bis hin zu punkig-thrashigem Rock und Post-Metal-Allüren, unterstützt von einem Schlagzeug, das von sanft bis zerstörerisch alles kennt und ebenso viel Abwechslung bietet wie die Vocals. Ich bin verblüfft, wie harmonisch das Duo dabei klingt.
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7 / 10 Punkten

Vorteile

+ hohe Abwechslung und Kurzweiligkeit
+ Melancholie zieht sich trotz der Unterschiedlichkeit der Songs durchs ganze Album
+ ziemlich "eigenartig" und im Gesamten mit nichts vergleichbar

Nachteile

- ab und an schießen die Vocals übers Ziel hinaus

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4 Kommentare

  1. Lodenschwein
    2. Mai 2017 bei 21:31 — Antworten

    Nais

    Will nicht mal einer die neue Disbelief Reviewen?

    • 3. Mai 2017 bei 7:27 — Antworten

      Mahlzeit, Lodenschwein! 🙂
      Ich weiß nicht, ob gerade jemand unserer Autoren dran sitzt. Vielleicht hast du ja Lust auf einen Gastbeitrag. Falls ja, melde dich mal unter info@silence-magazin.de. 🙂
      Grüße

      • Lodenschwein
        4. Mai 2017 bei 22:13

        Ich hab sie ja selber noch nicht
        Aber ein Andermal gern

      • 5. Mai 2017 bei 8:22

        Cool! Falls du Bock hast, melde dich bei uns! 🙂

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