Startseite»Reviews»Black Metal»Wiegedood und die Vorteile des tot seins

Wiegedood und die Vorteile des tot seins

0
Geteilt
Folge uns auf Pinterest Google+

Album: De Dooden Hebben Het Goed
Veröffentlichung: 8.5.2015
Dauer: 38:36 min
Label: ConSouling Sounds

Manchmal kommen Alben von irgendwo her angeflogen und treffen einen völlig unvermittelt, so wie n Basketball das Nasenbein damals im Sportunterricht, wenn man grade mal geträumt hat.

Alben, die einen total umhauen. Die einen infizieren, denen man Gehör schenkt, die man danach kurz vergisst, bis sich aus den Tiefen des Schädels eine Melodie nach oben arbeitet, von der man keine Ahnung hat, woher sie kam. Und völlig manisch versucht man ewig und rastlos den Song zu finden, dem die Melodie entstammt. In meinem Fall so geschehen mit „Svanesang“, dem Eröffnungssong von „De Doeden Hebben Het Goed“, dem Debütalbum von WIEGEDOOD. Wiege-was?

So sah auch meine erste Reaktion aus. Keine Ahnung, wer oder was das war, doch aus den Untiefen des WWW hatten sie mich gefunden und ließen mich nicht mehr los, wie bei nem 12-jährigen, der grade Pornhub entdeckt hat. Doch wir wollen nicht ins Schwärmen geraten…
Um nun etwas Licht ins Dunkel zu bringen: WIEGEDOOD sind eine belgische Black Metal Band, die seit 2014 existieren. Die einzelnen Mitglieder sind zum Teil noch in 1000 anderen belgischen Bands vertreten, wobei HESSIAN, AMENRA und OATHBREAKER hier die größeren Namen darstellen.

Wie z.B. MANTAR oder auch BÖLZER in jüngerer Vergangenheit beweisen konnten, ist „Wenig“ das neue „Viel“, zumindest wenn es um die Anzahl der Bandmitglieder geht. Und auch wenn man es dem Album nicht anhört: WIEGEDOOD sind nur zu dritt. Beide Gitarristen spielen live jeweils über einen Gitarren- und einen Bassamp. Das wars. Reicht auch. Drückt wie Sau!

Doch was ist jetzt so revolutionär geil und nie dagewesen an „De Doden Hebben Het Goed“?
Die ehrliche Antwort: Nichts!

Was auf den 4 Songs innerhalb von über 40 Minuten dargeboten wird, ist atmosphärischer, überlanger Black Metal. So weit, so unspektakulär. Die Arrangements sind dabei charmant einfach, aber simpel. Die Dynamikkurven verhalten sich bereits nach kurzer Zeit recht durchschaubar, ohne jedoch belanglos zu werden. Es wird minutenlang geblastet, gelegentlich tauchen dann cleane Gitarren auf, die dem Song kurzzeitig Ruhe verschaffen, bevor das Sperrfeuer erneut einsetzt.

Das passendste Prädikat lautet für mich hier: schnörkellos, allerdings so positiv konnotiert wie nur möglich. Alles schonmal gehört, alles schonmal gesehen. Hier gibt es kaum überraschende Wendungen, Breaks oder Innovationen. Viel eher leben die 4 Songs von Wiederholungen, und grandiosen Melodieschichtungen. Mit steigender Länge türmen sich auch die Soundwände immer weiter auf. Für manche mag das indiskutabel Post Black Metal sein. Aber wenn schon, dann wesentlich näher an DEAFHEAVEN, als an WOLVES IN THE THRONE ROOM, wobei WIEGEDOOD deutlich mehr Kälte und Dreck enthalten als die hippen Blackgazer aus San Francisco. Und das ist äußerst angenehm so.

Auch nach dutzenden Hördurchläufen macht sich kaum eine Spur der Abnutzung bemerkbar. Der einzig negative Punkt, den ich aufzeigen könnte, wäre, dass ausgerechnet der Titeltrack im Vergleich mit den anderen Songs etwas einknickt. Ansonsten kann jedes Lied das Prädikat „episch“ tragen und zwar nicht nur in Bezug auf die einzelnen Songlängen.

Für mich haben WIEGEDOOD etwas geschafft, was nur wenigen Bands gelingt: eine mitreißende Platte zu schaffen, die wenig anders macht, als andere und trotzdem überdurchschnittlich packt und gefällt. Lässt man den erwartbar grandiosen MGLA Drittling „Exercises in Futility“ aus den Augen, so haben WIEGEDOOD für mich aus dem Nichts eine DER Black Metal Platten des Jahres 2015 geschaffen.

Die Frage danach, ob es die Toten wirklich gut, oder gar besser haben, bleibt offen. Wenns darum geht, nie wieder Basketbälle in die Fresse zu bekommen, dann sicherlich. Wenn man dafür jedoch den Preis auf sich nehmen muss, nie wieder solcherlei Musik hören zu können, dann bleib ich doch lieber noch ne Weile am Leben und gönn mir ne weitere Runde.

Facebook: Wiegedood FB

Bandcamp: Wiegedood Bandcamp

Autorenbewertung

8
WIEGEDOOD erfinden das Rad auf ihrem Debütalbum nicht neu, sorgen aber dennoch mit gut gemachtem melodisch-rauen Black Metal für viel Freude bei zahlreichen Hördurchläufen.
ø 4.1 / 5 bei 10 Benutzerbewertungen
8 / 10 Punkten

Vorteile

Eingängiges und melodisches Album ohne viele Schnörkel
Tracks: 1, 2, 4

Nachteile

vorhersehbares Songwriting
Track: 3
Zusammenfassung
Veröffentlicht

Du liest diesen Beitrag, weil unsere Autoren lieben, was sie tun - wenn du ihre Arbeit liebst, kannst du uns, wie andere schon, unterstützen. Wie? Mit einem kleinen monatlichen Beitrag über silence-magazin@patreon Patreon
letzter Artikel

Hardcore-Dampfwalze mit mehr Power - Lock & Key - Peaceless

nächster Artikel

Wenn der Postbote zweimal klingelt ...

8 Kommentare

  1. […] Doden Hebben Het Goed“ war für mich eins der überraschendsten und besten Black-Metal-Alben des Jahres 2015 und noch dazu das Debüt von WIEGEDOOD. Zwei Jahre und zahlreiche Touren später, steht bereits das […]

  2. Jambalaja
    27. Mai 2016 bei 18:36 — Antworten

    Gefällt mir überraschend gut! Suche seit meiner Entdeckung von Litourgiya nach neuer Musik und Wiegedood scheint ne super Ergänzung zu sein..
    Vielen Dank für den Hinweis, CD wird demnächst bestellt 😉

    • 27. Mai 2016 bei 19:21 — Antworten

      Boah, jou!!! Die Batushka gefällt mir auch sehr sehr gut! 😉

  3. Nachtschaduw
    9. Mai 2016 bei 20:00 — Antworten

    Wiegedood heisst die plötzlicher unerklärliche Kindstot (bei junge Baby’s)

  4. Lodenschwein
    8. Mai 2016 bei 14:17 — Antworten

    Stark! Das klingt super
    Das wird angetestet
    Mehr Reviews aus der Liga bitte !!! 😉

    • 9. Mai 2016 bei 17:00 — Antworten

      Werd mich bemühen, besten Dank! =)

  5. 8. Mai 2016 bei 11:31 — Antworten

    Kann der Platte leider nicht viel abgewinnen, deswegen hat es mich auch wirklich verwundert wie großartig intensiv ihr Auftritt beim letztjährigen There’s No Tomorrow Open Air war.
    Live absolut empfehlenswert, auf Platte leider deutlich schwächer wie ich finde.

    • 9. Mai 2016 bei 17:03 — Antworten

      Hab sie letztes Jahr aufm Deaf Row Fest gesehen. Kannte die Platte schon vorher, der Liveauftritt hat mich in meiner grundlegenden Sympathie nur bestärkt. =)
      Kann mir durchaus vorstellen, dass die live vielen gut gefallen können, Bier dazu und es passt.

Hinterlasse eine Antwort

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert