Wo es sich lohnt, Metalhead zu sein – #01: Sachsen-Anhalt

Als im letzten Jahr das Wappen von Sachsen-Anhalt auf dem Frühbucher-Shirt des Rockharz 2016 prangte, dachte ich mir: „Oh, die scheinen stolz darauf zu sein, ihr Festival in Sachsen-Anhalt etabliert zu haben. Gut so!“ Kürzlich begann ich noch einmal darüber nachzudenken. Wie sieht es eigentlich in anderen Bundesländern aus? Ist die Szene dort ähnlich stark wie hier, oder vielleicht sogar stärker? Und wenn ich ein Underground-Festival, das nur 20 Kilometer von meinem Geburtsort entfernt ist, erst nach langer Zeit zufällig durch einen Flyer entdecke, wie viele gibt es dann wohl noch da draußen?

Es stellen sich viele Fragen, die es zu beantworten gilt. Deshalb gehe ich dem zentralen Thema jetzt auf den Grund: Wo lohnt es sich, Metalhead zu sein?

Wir beginnen unsere Reise dort, wo ich mich wohl am besten auskenne. In meinem Heimatland: Sachsen-Anhalt.

 

Das Flaggschiff: Rockharz Open Air

Neben den zahlreichen kleinen Festivals, die vielerorts stattfinden und von mal kleineren, mal größeren Zuschauermengen heimgesucht werden, gibt es auch einige Schwergewichte in Deutschland. So gibt es auch in Sachsen-Anhalt ein Festival, welches mehr Besucher anzieht, als die restlichen Festivals des Landes zusammen. Die Rede ist vom Rockharz Open Air.

Das 1993 als „Rock gegen Rechts“ entstandene Festival, fand ursprünglich in Osterode am Harz statt, zog 2009 aufgrund der stetig wachsenden Zuschauerzahlen allerdings nach Ballenstedt in Sachsen-Anhalt um. 2014 konnte das Rockharz erstmalig ein „Sold Out“ bei 12.000 Besuchern melden. Auch in den Folgejahren war das Rockharz wenige Wochen vor Veranstaltungsbeginn ausverkauft.

Musikalisch lässt sich das Rockharz Open Air in die Kategorie „Mixed Metal“ einordnen – von  Melodic Death Metal der Marke SOILWORK oder CHILDREN OF BODOM über Heavy-Metal-Urgesteine wie SAXON und GAMMA RAY bis hin zu Folk-Rock-Größen wie SALTATIO MORTIS und SUBWAY TO SALLY ist für beinahe jeden Geschmack etwas dabei. Über dreieinhalb Tage wird von Mittwoch bis Samstag ein straffes Programm durchgezogen. Eine Besonderheit: Bespielt werden zwei Bühnen, allerdings ohne Überschneidungen. Die Stages werden wechselseitig bespielt, sodass es nicht zu großen Verzögerungen zwecks Aufbau und Soundchecks kommt. Wer einmal einige der größeren Bands der Szene sehen möchte, wird auf dem Rockharz mit großer Wahrscheinlichkeit glücklich werden.

 

Von Überlebenskämpfen, Burgruinen & Hallenfestivals

Wie bereits erwähnt, gibt es auch weniger besucherstarke Festivals in Sachsen-Anhalt. Doch auch diese verdienen Beachtung, handelt es sich doch um interessante Veranstaltungen verschiedenster musikalischer Richtungen.

Der Größenunterschied zum Rockharz ist gewaltig. Während dort in der Regel 12.000-14.000 Besucher auflaufen, sind es bei den restlichen Festivals der Region bedeutend weniger. Die nächstgrößten Festivals nehmen sich dabei nicht viel: Sowohl das Metal Frenzy Open Air, als auch das Dark Troll Festival und das Rock unter den Eichen können um die 1000 Zuschauer aufweisen. Unterschiede bestehen dafür in der musikalischen Ausrichtung, aber auch in der Wahl der Location und in der Länge des Bestehens.

Das Festival der Altmark: Metal Frenzy Open Air

Ähnlich wie das Rockharz, ist auch das Metal Frenzy ein Vertreter des „Mixed Metal“. Wobei gesagt werden muss, dass das kleine Festival in der Altmark die wohl härtere Mischung bietet: Headliner wie SIX FEET UNDER, EXODUS, DYING FETUS, EQUILIBRIUM oder SODOM klingen doch ganz anders als AVANTASIA und Konsorten, die oft die Kopfzeile des Rockharz-Flyers schmücken.

Trotzdem lohnt sich das Festival auch für Fans der weniger harten Subgenres. Bands wie GRAVE DIGGER, FREEDOM CALL, MESSENGER, VOGELFREY oder WISDOM sorgten in den vergangenen Jahren für allerlei Abwechslung zu den oftmals härter gearteten Headlinern. Ein bunteres Line-up als beim Metal Frenzy wird sich in Sachsen-Anhalt nicht finden lassen.

Es gibt noch einen anderen, weniger schönen Unterschied zur Konkurrenz aus dem Harz. Während dort nämlich Jahr für Jahr das „Sold Out“ vermeldet wird, kämpft das Metal Frenzy jährlich ums nackte Überleben. Die Besucherzahlen sind mit jährlich ca. 1000 Gästen relativ konstant, doch offenbar reicht das nicht aus, um die Kosten hinreichend zu decken. Zumindest wird es auch 2017 weitergehen, sodass es zu einer vierten Auflage des 2014 gegründeten Festivals kommen wird. Es bleibt zu hoffen, dass die Besucherzahlen weiter steigen, damit das mit viel Herzblut organisierte Festival weiter Fuß fassen kann.

 

Headbangen in alten Gemäuern: Dark Troll Festival

Keine Sorgen um den Erhalt des Festivals müssen sich die Besucher des in Bornstedt stattfindenden Dark Troll Festivals machen. Auch hier sprechen wir von knapp 1000 Besuchern, jedoch zeitgleich vom Ausverkauf. Die Obergrenze ist bereits erreicht. Grund dafür ist der beschränkte Platz der Location. Dafür hat diese es in sich: Wie viele Festivals finden schon in einer Burgruine statt, umgeben von Bäumen und im Schatten eines alten Turms?

Auch das Line-up kann sich sehen lassen. Pagan und Black Metal verschiedenster Variationen bedienen drei Tage lang die Bühne. Dabei wird es häufig auch ziemlich international und es ist mittlerweile zur Tradition geworden, bei jeder Auflage auch einer Band ihre Premiere auf deutschem Boden zu ermöglichen.

Unter den zahlreichen Bands, die es seit 2009 (damals noch unter dem Namen Black Troll Festival) nach Bornstedt zog, befinden sich unter anderem ARKONA, MOONSORROW, OBSCURITY, GERNOTSHAGEN, HEIDEVOLK, XIV DARK CENTURIES und FINSTERFORST. Grund genug, mal dort vorbeizuschauen – oder was meint ihr?

 

Irgendwo zwischen Magdeburg und Stendal: Rock unter den Eichen

Irgendwo zwischen Magdeburg und Stendal befindet sich Bertingen. Hier ist das Rock unter den Eichen ansässig, das 2004 zum ersten Mal stattfand und 2017 in die mittlerweile 14. Runde geht. Die Veranstaltung ist mit zwei Tagen etwas kürzer als die anderen Festivals ähnlicher Größe im Land, was vor allem denen gefallen dürfte, die nicht so viele Urlaubstage für ein Festival verbrennen wollen. Ungefähr 1.200 Leute verirren sich jedes Jahr in die sachsen-anhaltinische Walachei, um dies auszukosten.

Auch mit der Bandauswahl grenzt sich das RUDE von seinen „Geschwistern“ in Sachsen-Anhalt ab. Mit einer Auswahl, die überwiegend dem Sektor Death, Thrash und Grindcore entstammen, handelt es sich um das wohl härteste Festival im Land der Frühaufsteher. Die bekanntesten Bands, die im Laufe der letzten Jahre unter den Eichen rockten, sind wohl DESTRUCTION, NAPALM DEATH, LEGION OF THE DAMNED, VARG, OBITUARY, SEPULTURA, TANKARD und UNLEASHED. Wer musikalisch richtig auf die Fresse haben will, bekommt hier seinen Wunsch erfüllt.

 

Eine Nummer kleiner: Metal Embrace Festival

Zu guter Letzt bietet Sachsen-Anhalt auch noch ein Festival, welches wohl am ehesten dem Underground-Charakter entspricht, als die oben aufgeführten Festivals. Am zweiten Septemberwochenende eines jeden Jahres findet das Metal Embrace Festival in Barleben, nahe der Landeshauptstadt Magdeburg, statt, das von einigen hundert Metalheads besucht wird. Im Gegensatz zu den restlichen Festivals des Landes handelt es sich nicht um ein Open Air Festival. Stattdessen spielen die Bands in einer Halle, sodass sich die Gäste auch bei schlechtem Wetter zwei Tage lang ungehindert der Musik hingeben können.

Die Zusammenstellung scheint in keine bestimmte musikalische Richtung zu verlaufen. Die Bands entstammen verschiedensten Subgenres und sind zudem in den meisten Fällen weniger bekannt. Power, Folk und Symphonic gibt es hier so gut wie nie zu hören, dafür aber alles von Rock und Heavy über Death und Melodic Death bis hin zu Black und Thrash Metal. Headliner waren dieses Jahr OBSCURITY und BLACK MESSIAH, in den Vorjahren Bands wie IMPERIUM DEKADENZ, THULCANDRA, AGRYPNIE und THE VISION BLEAK. Die Größen der Szene findet man hier ganz sicher nicht, dafür aber unbekanntere Bands, die nicht an jeder Ecke zu sehen sind. Wer den Trubel auf großen Festivals hasst, ist hier genau richtig.

 Gibt es bald ein neues Flaggschiff?

Es wurde einige Zeit gemunkelt, kurz vor der Veröffentlichung dieses Artikels wurde es offiziell: Ein großes Festival der Szene zieht um – nach Sachsen-Anhalt! Namentlich handelt es sich um das With Full Force Festival, das bisher in Sachsen ausgetragen wurde. Neue Austragungsstätte wird die Ferropolis bei Gräfenhainichen in der Nähe von Dessau-Roßlau sein. Um akkurat zu sein, muss man das Festival nun bereits Sachsen-Anhalt zurechnen. Das Land gewinnt damit einen „Big Player“ des Thrash, Death, Metalcore, Hardcore und Punk. Es soll 2017 ganze vier Bühnen geben, von denen die Zuschauer drei Tage lang beschallt werden. In der Vergangenheit pilgerten gut 25.000 Besucher nach Roitzschjora. Wie viele es nächstes Jahr wohl werden?

Die Frage aller Fragen: Lohnt es sich, in Sachsen-Anhalt Metalhead zu sein?

Fünf Festivals, davon eins im Mai, eins im Juni, zwei im Juli und eins im September. Zwei Mal bunt gemischt, ein Mal Metal der härteren Art, ein Mal Black und Pagan, ein Mal Underground-Metal verschiedener Richtungen. Ein großes Festival, drei kleine und ein ganz kleines. Nicht zu vergessen das Schwergewicht WFF, das ab nächstem Jahr ebenfalls im sachsen-anhaltinischen Festivalkalender stehen wird und noch einmal die Fans der härteren Schiene bedient!

Lohnt es sich, in Sachsen-Anhalt Metalhead zu sein? Meine Antwort: Es lohnt sich durchaus. Egal, ob man eher weichen Power Metal, stimmigen Pagan oder rauen Thrash präferiert – in Sachsen-Anhalt wird man fündig, da viele Sektoren abgedeckt sind. Immerhin sechs Festivals vermag das Land ab 2017 aufzubringen, zwei davon mit Besucherzahlen im fünfstelligen Bereich. Obgleich ein Rahmen von sechs Festivals der Vielfalt relativ enge Grenzen setzt, kann man es sicherlich schlechter treffen.

 

… Oder? Wir werden es sehen. Ein Land ist beleuchtet. 15 verbleiben. Den Überblick über das nächste Bundesland gibt es in zwei Wochen.


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