Wo es sich lohnt, Metalhead zu sein – #02: Sachsen

Nachdem wir uns in der ersten Ausgabe um die Festivallandschaft meiner Heimat Sachsen-Anhalt gekümmert haben, geht es diesmal weiter Richtung Osten. Während DIE PARTEI fordert, eine Mauer um besagtes Bundesland zu ziehen, gibt es auch immer wieder zahlreiche Metalheads, die sich freiwillig in das östlichste Bundesland Deutschlands begeben. Die Rede ist natürlich vom Freistaat Sachsen.

 

Das Flaggschiff verlässt den Hafen: With Full Force

In den letzten Jahren stellte sich die Frage nach dem größten Festival Sachsens nicht, ließ sich diese doch sehr eindeutig beantworten. 25.000 Besucher begaben sich noch 2016 nach Roitzschjora, um sich drei Tage lang beschallen zu lassen. Doch damit ist nun Schluss – jedenfalls auf sächsischem Boden: Das With Full Force Festival zieht nach Sachsen-Anhalt und dürfte damit ein großes Loch in der Festivallandschaft des Freistaats hinterlassen. Mit Größen des Thrash, Death, Metalcore, Hardcore und Punk machte sich das Festival vor allem bei Fans der härteren Genres einen Namen. Dieses Jahr gaben sich u.a. SLAYER, AMON AMARTH, TRIVIUM und SIX FEET UNDER die Ehre und prägten die letzte sächsische WFF-Veranstaltung. Von weibischem Power-Metal-Gequietsche, Folk Metal zum Mitschunkeln oder Symphonic Metal im NIGHTWISH-Style war hier bis auf wenige Ausnahmen wie BEYOND THE BLACK nichts zu hören. 2017 wird in Roitzschjora gar nichts mehr zu hören sein – höchstens das Wimmern der verlassenen Einwohner, die ihre Großveranstaltung verloren haben…

Heiße Sache: In Flammen Open Air

Das With Full Force war jedoch nicht das einzige Festival in Sachsen, das härtere Töne anschlug. Es gibt andere Veranstaltungen, auf die man ausweichen kann, wenn man in Sachsen eskalieren will.

Wer das Rockharz in Sachsen-Anhalt für zu weich befindet, kann am selben Wochenende 130 Kilometer weiter östlich trotzdem glücklich werden. Dort findet nämlich das 2000 Besucher starke In Flammen Open Air in Torgau statt. Großer Pluspunkt des Festivals: Camping im Grünen unweit der Bühne ohne zusätzlichen Einlass. Ihr habt richtig gehört – Getränke und Essen können problemlos mit vor die Bühne genommen werden, was auf Festivals doch eher eine Seltenheit darstellt. Gut für den Geldbeutel und sämtliche Kollegen, die schlecht im Flunkyball sind und ihr Bier nicht so schnell runterkippen können. Mit dem Trinkhorn voll Met den Bands lauschen – eine traumhafte Vorstellung.

Die Headliner sind im Vergleich zu anderen, ähnlich besucherstarken Festivals nicht von enormer Bekanntheit, dafür aber handverlesen. Zuletzt beehrten u.a. VENOM, PRIMORDIAL und GORMATHON, im Jahr zuvor DARK FUNERAL, ENTOMBED A.D. und EYEHATEGOD den nordsächsischen Ort. Damit fügen sich die Bands in das stark von Death- und Black-Metal geprägte Line-Up. Auch eine gehörige Portion Thrash und Doom wird geboten, während Heavy Metal und Rock’n’Roll seltene Ausnahmen bleiben.

Eine Metal-Gartenparty über zweieinhalb Tage für 45 € – klingt gut, oder?

Expansion aus Richtung Leipzig: Impericon Festival

Der eine liebt, der andere hasst Metalcore. Doch es wäre großer Frevel, ein gut laufendes Festival der Richtungen Metalcore & Hardcore an dieser Stelle nicht zu erwähnen. Die Rede ist vom Impericon Festival. Das 2017 an mittlerweile sechs verschiedenen Orten stattfindende Festival nahm einst allein in Leipzig seinen Anfang. Dort fand es 2011 und 2012 statt, ehe es sich 2013 auch nach Wien ausbreitete. In den Folgejahren gesellten sich weitere Orte hinzu. Mit neun Austragungsstätten im Jahr 2016, darunter Oberhausen, Amsterdam, Manchester, London, Paris, Zürich und München, fand die Expansion ihren bisherigen Höhepunkt. 2017 dürfen sich Besucher in insgesamt sechs verschiedenen Städten am Ein-Tages-Festival von Impericon erfreuen.

Das Line-Up variiert je nach Veranstaltungsort ein wenig, doch zu großen Teilen ist dieses für die verschiedenen Veranstaltungsorte gleich. Die Bands können sich sehen lassen: Mit THE GHOST INSIDE, WHITECHAPEL, HATEBREED, ASKING ALEXANDRIA, CALLEJON und CALIBAN konnte man in den letzten Jahren einige namhafte Bands an Land ziehen. Das kommt offenbar gut an: Rund 5.000 Besucher nahmen das Angebot 2016 in Leipzig in Anspruch, was den Ausverkauf bedeutete. 2017 geht es deshalb auf die Leipziger Messe, wo auf zwei Bühnen Platz für noch mehr Bands geboten wird.

Kleiner soll es sein? Chronical Moshers Open Air & Morbide Festspiele

Neben den wohl recht bekannten Festivals gibt es auch ein paar kleine Veranstaltungen in Sachsen. Relativ hart geht es beim Chronical Moshers Open Air zu, welches im Juni am Hauptmannsgrüner Mühlteich stattfindet. Knapp 1000 Leute verschlägt es jedes Jahr in das Naherholungsgebiet, um aus der idyllischen Gegend eine Metalparty der groben Sorte zu machen. Schnelle, laute und extreme Bands dominieren das Line-Up, sodass vor allem Black- und Death-Metal-Bands ihren Platz beim CMOA finden. Die aufgefahrenen Bands sind beachtlich: Unter anderem trauten sich dieses Jahr KATAKLYSM, FLESHGOD APOCALYPSE, UNLEASHED, TANKARD und BELPHEGOR nach Sachsen. 2017 gibt es dann mit der 15. Auflage ein Jubiläum, bei dem die Veranstalter sicherlich mit einem ähnlich sehenswerten Line-Up auftrumpfen werden.

Wer kleine Festivals mag, es aber gern noch etwas krasser will, könnte auch das folgende Festival interessant finden. Ende Oktober findet das Morbvs Maximvs in Bischofswerda statt. Diese Veranstaltung hat eine recht spezielle musikalische Ausrichtung: Der Fokus liegt auf krankem, derbem Klangmaterial verschiedenster Genres, bei dem auch avantgardistische Tendenzen sehr willkommen sind. Das auch als Morbide Festspiele bezeichnete Event legt dabei starken Wert darauf, sich von „spartenreinen Veranstaltungen“ abzuheben. Als Beispiele für Bands lassen sich u.a. MANTAR, GUTALAX, CHAPEL OF DISEASE, FISTULA und KATALEPSY anführen. Mit 300-500 Besuchern ist das Festival zwar recht beschaulich, musikalisch gesehen aber durchaus besonders. Ich brauche es gar nicht so besonders, aber für den einen oder anderen könnten die Morbiden Festspiele genau das Richtige sein.

Headbangen für den guten Zweck: Metalfestival für krebskranke Kinder

Spendenläufe, Ausstellungen, Basare – Wohltätigkeitsveranstaltungen gibt es in vielen Farben und Facetten. Auch die Metalheads als bekanntermaßen friedfertiges und hilfsbereites Völkchen verschließen sich dem nicht und begeben sich jedes Jahr nach Dresden, wenn wieder einmal das Metalfestival für krebskranke Kinder stattfindet. Der 250 Besucher fassende Saal ist stets ausverkauft, und über die Jahre sind erstaunliche fünfstellige Beträge zusammengekommen, die gespendet werden konnten. Das verdient sehr viel Respekt und ist über alle Maßen lobenswert.

Doch zurück zur Musik: Musikalisch bewegt sich das Festival vor allem im Bereich Thrash- und Death-Metal, Melodic-Death-Metal und Deathgrind. Hie und da spielen auch Bands anderer Genres, wobei „Black Metal beim Benefiz eher untrue“ ist, wie mir der Veranstalter mitteilte, doch vereinzelt soll es auch das schon gegeben haben. Für den guten Zweck spielten beispielsweise DEW SCENTED, ONSLAUGHT, RAVEN, SODOM, MILKING THE GOATMACHINE, ABOMINATION und NOCTURNAL BREED.

2017 geht das Festival bereits in die 13. Runde. Mein Rat an alle, die sich gern Death und Thrash reinziehen und in der Nähe von Dresden wohnen: Unterstützt das. Ein Festival genießen und damit sogar was Gutes tun – viel einfacher kann man eine gute Tat nicht vollbringen.

Wo Licht ist, ist auch Schatten: Odin Storm & Brann Open Air

Bisher haben wir nur Festivals beleuchtet, die in der Szene mehr oder weniger Fuß gefasst haben. Doch das gelingt nicht jedem. Deshalb gibt es jetzt zwei Beispiele, bei denen es nicht so recht funktioniert hat.

 

Wir beginnen mit dem Festival, für das es noch Hoffnung gibt: Das Odin Storm. 2016 sollte dieses auf dem Flugplatz Pirna-Praschwitz nahe Dresden zum allerersten Mal stattfinden. Das Line-Up war bereits fertig und die Besucher heiß auf das Festival, als die schlechte Nachricht kam: Absage wegen Unwetterwarnung. Die Kapazitäten der Veranstalter gaben es leider nicht her, das Festival im Extremfall ausreichend abzusichern. Doch es wurde bereits die Meldung herausgegeben, dass das Festival 2017 endlich an den Start gehen soll. Es handelt sich um einen Rückschlag, aber noch nicht um das Ende. Das diesjährige Line-Up gibt immerhin einen Vorgeschmack, wohin die Reise gehen soll: CRAVING, THORONDIR, SURFACE, STRYDEGOR und WINTERNAHT sind nur fünf von insgesamt 24 Bands, die für dieses Jahr bestätigt waren. Nun bleibt abzuwarten, ob das Festival sich von diesem Rückschlag erholt und im zweiten Anlauf stattfinden kann.

Während es für das Odin Storm bei Dresden noch Hoffnung gibt, ist der Traum vom mehrtägigen Festival in Leipzig bereits ausgeträumt. Dort hätte 2015 das Brann Open Air stattfinden sollen. Und mit Bestätigungen wie GRAVE DIGGER, HEIDEVOLK, ALESTORM, FINNTROLL, FEUERSCHWANZ und DIE APOKALYPTISCHEN REITER versprach das Festival auch, ein echter Burner zu werden!

Doch knapp drei Wochen vor dem Festival hieß es auch hier: Absage. Parallel zum Festival fand ein Ärztekongress statt, sodass das Festival auf der Messe Leipzig nicht wie geplant durchgeführt werden konnte und die Vermieter kurzfristig eine Absage erteilten. Trotz dieses Rückschlags wurde im November desselben Jahres zunächst noch das eintägige Brann Winterfest mit ARCHER, ELVENPATH, U.D.O. und DORO durchgeführt, das Hoffnung auf eine neue Auflage des Sommerfestivals im Jahr 2016 machte. Doch trotz aller Mühen erholten sich die Veranstalter nicht von den finanziellen Einbußen der Absage, sodass im März 2016 die Insolvenz der Brann Open Air-UG bekanntgegeben wurde. Und so endete die Geschichte des Leipziger Festivals, bevor sie überhaupt richtig begann.

Die kalten Jahreszeiten: Autumn From Hell & Break The Silence

Da das sächsische Kapital nicht so tragisch abgeschlossen werden soll, gibt es hier zum Abschluss nochmal zwei kleine Leckerbissen.

In Hohenstein-Ernstthal findet Ende November das Autumn From Hell Festival statt. Dieses bietet mit insgesamt neun Bands zwei kurze, entspannte Abende im Zeichen der Musik. Dabei dominieren Black-, Death-, Doom- und Thrash-Metal das Geschehen. Dieses Jahr wagten sich u.a. INFERNO, LUCTUS, NARVIK, ENISUM und ASPHAGOR auf die Bühne im Schützenhaus. Das kleine Festival existiert bereits seit 2007 und zieht durchschnittlich ca. 150-350 Menschen an, um den Herbst ausklingen zu lassen und allmählich den Winter einzuläuten. Abende in angenehmer Länge, eine überschaubare Zuschauerzahl, eine warme Lokalität bei kalten Außentemperaturen … Ein schöner Saisonausklang.

… doch auf die Stille folgt im Januar sogleich der neue Saisonauftakt! Mit dem Break The Silence Festival läutet Dippoldiswalde die Festivalsaison recht früh ein. Den Auftakt erlebte das Festival 1997, womit im nächsten Jahr das 20-jährige Jubiläum ansteht. Die Auflagenzahl ist jedoch deutlich geringer. Grund: Das Festival findet nur aller zwei Jahre statt. Eine wahre Folter für alle, die möglichst früh über die nächste Veranstaltung Bescheid wissen wollen, doch ideal für eine langfristige und sorgfältige Planung durch die Veranstalter. Mit 500-600 Besuchern gehört das eintägige Festival zu den kleineren Veranstaltungen der Region. Historisch gesehen ist Death Metal das Hauptgenre der Veranstaltung, doch daneben spielen auch oft Bands der Richtungen Black, Thrash und Grindcore sowie Pagan, Viking oder anderen Subgenres, wenn sich entsprechende Chancen auftun. Dabei achtet das Festival sehr genau darauf, nicht nur Death Metal zu bieten sondern sowohl eine gute Mischung zu präsentieren, als auch exklusive Bands zu buchen, die nicht überall zugegen sind. 2017 werden BITTERNESS, ABORTED, II, PURGATORY, 5 STABBED 4 CORPSES und DARKENED NOCTURN SLAUGHTERCULT den sächsischen Metalfans trotz winterlicher Kälte ordentlich einheizen. Na, einen Besuch wert?

Die Frage aller Fragen: Lohnt es sich, in Sachsen Metalhead zu sein?

Zeit für ein Resümee: Ein Festival früh im Januar, eines spät im November. Dazu zwei Festivals im Juni sowie jeweils eins im April, September und Oktober – macht in der Summe sieben Festivals. Auf eine Großveranstaltung mit fünfstelligen Zuschauerzahlen muss Sachsen zukünftig allerdings verzichten. Im Bereich der kleinen und mittelgroßen Veranstaltungen hat der Freistaat trotzdem noch einiges zu bieten.

Doch lohnt es sich nun wirklich, in Sachsen Metalhead zu sein? An dieser Stelle kommt der Jurastudent in mir durch, der den Satz bringt, den jeder werdende Jurist kennen sollte: Es kommt darauf an.

 

Worauf? Auf den Musikgeschmack. Wir haben Thrash und Black, Black und Death, Death und Thrash, dann nochmal das core-lastige Impericon sowie das derbe Morbvs Maximvs. Doch was zum Teufel ist mit Folk-, Heavy- und Power-Metal?

Wer die raueren Subgenres im Metal mag, sollte darüber nachdenken, Sachsen öfter einen Besuch abzustatten, da ihn dort viele Veranstaltungen erwarten, die ihm Freude bereiten werden. Wer allerdings, wie ich, ein zartbesaiteter Freund von Metal mit Klargesang und weniger Geschrammel ist, wird sich anderswo umschauen müssen. Das angesprochene Brann Open Air hätte für Sachsen die Kastanien aus dem Feuer holen können, da es die fehlende Abwechslung zu den anderen Festivals der Gegend ausgemacht hätte. Da dieses aber nie stattgefunden hat, bleibt Sachsen ein relativ einseitiges Metalland.

 

Wie sind eure Erfahrungen mit den erwähnten Festivals? Welches bevorzugt ihr? Oder kennt ihr vielleicht noch weitere Festivals in Sachsen, die ich nicht erwähnt habe? (Verschont mich mit dem Highfield, das habe ich ganz bewusst rausgenommen. Eine Veranstaltung, auf der REVOLVERHELD, SILBERMOND und FETTES BROT auftreten, hat hier in meinen Augen nichts zu suchen.) Dann schreibt es in die Kommentare!

Ihr hört in zwei Wochen von mir, wenn ich mich einem weiteren Bundesland der ehemaligen DDR widme. Möglicherweise bringt dieses die ersehnte Abwechslung, die Sachsen vermissen lässt.


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