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WOLVES IN THE THROME ROOM – Ein Sommerge-WITTR

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WOLVES IN THE THRONE ROOME – „Primordial Arcana“

Veröffentlichungsdatum:  20.08.2021
Länge:
0:44:35
Label:
Relapse Records (NA)/Century Media (EU)
Genre:
Cascadian Black Metal/Blackgaze

„Oha! Was kommt da auf mich zu?“

… dachte ich, als bekannt wurde, dass WOLVES IN THE THRONE ROOM (im Folgenden zur Vereinfachung: WITTR) für Sommer 2021 ein neues Album ankündigten. Und mir war sofort klar, dass ich mir, wenn es soweit ist, Zeit dafür nehmen muss. Denn es gibt Bands – gerade im Black Metal –  die machen verdammt gute Musik, aber man kann nur schwer mit dem eigenen guten Gewissen vereinbaren, sie zu unterstützen. Dann gibt es Bands, die möchte man, weil sie so extrem engagierte und gute Menschen sind, gern supporten, aber eigentlich findet man ihre Musik nur mittelmäßig. Und es gibt Bands, die erfüllen zwar beide Kriterien, zerstreiten sich aber innerhalb kürzester Zeit, oder sie treten nie live auf, oder wenn, dann enttäuschen sie an diesem Punkt, oder sie sind halt einfach irgendwie nicht „cool“.

Ja, und dann sind da halt WITTR, die einfach ultra epischen Black Metal machen, deren Musiker in Washington (State) in einer Kommune leben und live einfach jedes Mal noch geiler sind als auf Platte. Und dann hauen diese Leute halt einfach mal in einem Interview sowas raus wie: „Wir hören auf, wenn alles gesagt ist und jede weitere Tour nur noch der Umwelt schadet“ (Quelle), was mich als Fan zwar irgendwie traurig macht, aber halt auch denken lässt: „Fuck, es gibt noch gute Menschen! *Herzchenaugen-Emoji* – im BLACK METAL!!!“

Aber genug der Ideologie. Zur Musik: Ich persönlich dachte ja, viel besser als auf dem Vorgänger „Thrice Woven“ könnten WITTR kaum werden. Doch was ist überhaupt die Messlatte?

Erwartungsbild

Was erwartet nun WITTRs Fangemeinde und: Werden sie dem gerecht?

Nun, wer die Jungs schon einmal live erleben durfte, wird sich sofort an diverse Räucherhölzer auf der Bühne, verdammt wenig Licht und verdammt viel Atmosphäre erinnern, die mal durch gewaltige Synthesizer-Teppiche getragen oder durch Blastbeat-Gewitter aufgebrochen wird. Atmosphäre, die die Band auch schon immer über die Alben versucht hatte, in den Gehörgängen der Fans zu kanalisieren. Dies ist ihnen bei mir persönlich oft nicht so recht gelungen. Denn wer hat schon im Alltag mal eben die nötige Zeit und Ruhe, die es braucht um sich auf so viel Atmosphäre überhaupt einlassen zu können? Ergo: Genau das ist mein Erwartungsbild. Keine schmissigen 3-Minuten-Mitgröhl-Hymnen für die Autofahrt, sondern die hörbare Mystik der Natur und der in ihr ungebremst wahrnehmbaren Kraft der Elemente, die mich ehrfürchtig zu Boden gleiten lässt, wenn ich unserem Alltag aus Pandemie, (unfähiger) Politik und dummen Menschen in sozialen Netzwerken radikalstmöglich entkommen möchte.

„Primordial Arkana“ – „uralte Geheimnisse“ also sind es, die mir hier musikalisch in sieben Gängen kredenzt werden sollen. Ob es da einen Zusammenhang zu den sieben hermetischen Gesetzen geben könnte, die WITTR definitiv beschäftigen?

 

 
 
 
 
 
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Die Magie der Berge

Los geht’s jedenfalls mit Mountain Magick“, das mich direkt auf die anstehende musikalische Mystik einstimmt, aber auch nicht zu lange damit wartet, klar zu machen, dass es sich hier nicht nur um ein instrumentales Intro handelt. Die vom Schlagzeug begleitete Synth-Melodie wird schnell durch eine Gitarre nachgeahmt begleitet und macht das melodische Thema klar. Noch vor der ersten Hörminute findet man sich in wohligem, schnellen Black Metal Drumming wieder und schon ab Minute 1:20 kommt das giftige Keifen Nathan Weavers dazu, wiederum begleitet vom verdammt eingängigen Thema, welches sich mit kurzen Unterbrechungen immer wieder in die Songstruktur einfügt.

Spätestens bei 2:35, als das epische Gitarrensolo einsetzt, haben sie mich vollends für ihr neues Werk begeistert und ich lasse die anschließenden Doublebass-Wellen gern über mich rollen. Die Wechsel zwischen ruhigeren und brachialen Parts, ebenso wie zwischen den mehr und minder melodiösen Parts kommen deutlich schneller daher als von WITTR bisher gewohnt. Das ist gut, weil es die Songs weniger langatmig erscheinen lässt, allerdings kommt es eben leider etwas unerwartet, weshalb ich erst ein Paar Durchläufe gebraucht habe, um mich auf das erhöhte Songtempo einlassen zu können.

Geist und Gewitter

Im sich anschließenden Spirit of Lightning“ wird das beginnende, gefällige Gitarrenduett schneller abgelöst, als dies nach Maßstäben bisheriger Alben der Fall gewesen wäre. Ich finde es fast ein bisschen schade, dass mein Gehör nicht mehr Zeit bekommt, diese schöne Atmosphäre etwas länger vor meinem inneren Auge zu einem schönen Landschaftsbild werden zu lassen. Doch auch hier kommt das Thema im Song immer wieder, wird nur bisweilen unterbrochen durch mich an altes GEHENNAH (2:20!) Riffing erinnernde Parts. Immer wieder fügen sich aber auch gewohnt wundervoll tragende, von Blastbeats, sägenden Gitarren und Geschrei begleitete Synth-Teppiche in die Songstruktur ein. Nur der Wechsel ist eben irgendwie schneller als bisher – oder werde ich alt? Bei Minute 5 nun noch einmal kurz das schöne Gitarrenduett! Der Song läutet sein Ende ein und trägt sich auf dieser Melodie und nachhallenden Synths davon. Ein sehr abwechslungsreicher Song.

Unendliche Weiten

Es schließt sich ein Gang durch ewige Felder (Through Eternal Fields“) an, der mein Atmospheric-Doom-Black-Metal-Herz kaum noch mehr begeistern könnte, mir erstmals etwas Zeit zum genüsslichen Durchatmen verschafft und mir erlaubt, ein Bild vor meinem inneren Auge entfalten zu lassen. Weite, endlose Felder, düster, vor schroffem Gebirge – ein Sturm zieht auf. Er wird die archaischen Mächte und natürlichen Zyklen der Felder und Berge nicht stören, das macht spätestens die majestätische Atmosphäre ab 3:50 klar. Eine Stimmung, die Übermacht vermittelt. Wer als Bestandteil dieser Natur überleben will, muss sich einfügen, sich den gewaltigen Kräften unterordnen.

Gigantische Atmosphäre – self made

Mit Primal Chasm (Gift of Fire)“ läuten majestätische Trompetenklänge den Anfang eines klanggewaltigen – vielleicht dem klanggewaltigsten – Stücks ein, das schnell von melodiös sägenden Gitarren und Schlagzeug fortgeführt wird, bevor sich auch hier der Synth-Teppich und Weavers Geschrei dazu mischen. Zunächst tragende und majestätische Melodien werden bald durch relativ lang anhaltende Blastbeats abgelöst, die die Brücke zur nächsten tragenden Passage bauen. Ich bin rundum begeistert und abgeholt von dem Song, wenngleich ich teilweise attestieren muss, dass der Gesang und oft auch die Drums als Ganzes etwas druckvoller abgemischt sein könnten – was jedoch ein „Problem“ des gesamten Albums darstellt. Allerdings  ich auch ergänzen, dass die drei Amerikaner hier alle Aufnahmen, die Produktion sowie den Mix in ihren eigenen „Owl Lodge Studios“ in den Wäldern des Staates Washington durchgeführt haben. Auch die Kostüme für die Videos wurden offenbar selbst hergestellt, genauso wie die Videos selbst gedreht wurden – ziemlich true!

Probleme in der Unterwelt

Im sich anschließenden Underworld Aurora“ wird für mich abermals deutlich, dass es eher zum Talent der Musiker gehört, eindrucksvolle Aufnahme von Soundeffekten und Geräuschen verschiedenster Art zur Erzeugung einer einzigartigen, intensiven Atmosphäre zu nutzen, als in der gleichen Intensität zu Doublebass/Gitarrensägen/Geschreipassagen überzuleiten oder diese durchzuhalten. Der Übergang bei 1:53 wirkt auf mich jedenfalls irgendwie etwas zu holprig, die sich anschließend bietende Black-Metal-Walze leider etwas dumpf. Umgekehrt erscheint der Wechsel zurück bei Minute 2:30 wesentlich geschmeidiger. Und bei 3:41 klappt anschließend auch der umgekehrte Wechsel zum schwarzmetallischen Part wieder besser. Alles in allem bleibt mir „Underworld Aurora“ jedoch keineswegs als unangenehmer Song, sondern eher atmosphärisch-entspannte Hymne im Gedächtnis.

Meister des Regens und des Sturms

Der – zumindest was den Black Metal Part betrifft – letzte sich anschließende Song Masters of Rain and Storm“ spricht von Anfang an den klassischen Black-Metal-Fan und Freund des Sounds alter MAYHEM Alben in mir an. Auch hier bleibt jedoch der Facettenreichtum des gesamten Albums erhalten und bietet immer wieder abwechselnd atmosphärische und schnellere, treibende Passagen. Selbst ansatzweise grooviges Death-Metal-Riffing vernehmen meine Ohren bei 4:30 verwundert. „Masters of Rain and Storm“ mit seinen 10:43 Min. Spielzeit hat zwar auch jede Menge Zeit dazu, dennoch fasziniert es mich nachdrücklich, wie viele verschiedene Stile man beherrschen und das in einem Song unter Beweis stellen kann.

Schlussendlich entlassen WITTR mich mit Eostre“ ins Land der Träume und in die friedliche Übereinkunft meiner menschlichen Seele mit der Natur um mich herum: ein klassisch atmosphärisches Outro á la WITTR, das ganz ohne Klampfen und Trommeln einen würdigen Abschluss dieses durch und durch stimmigen, atmosphärischen Albums darstellt.

Autorenbewertung

9
Finde ich „Primordial Arcana“ besser als "Thrice Woven"? Nein. Schlechter? Auch nicht. Es ist anders und damit vielleicht insoweit "besser", als dass es als Ganzes stimmiger wirkt. Natürlich kann ich mir die Songs auch einzeln anhören und feiern. Aber eine Zeremonie, die der Sache gerecht wird, muss aus dem kompletten Album bestehen – dann ist es ziemlich perfekt. Auf jeden Fall ist es wieder einmal unverkennbar WITTR – und das ist prima!
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9 / 10 Punkten

Vorteile

+ abwechlungsreiche Songstruktur
+ stilistisch vielseitig und komplex
+ typisch unverkennbare WITTR-Atmosphäre
+ kürzere, aber atmosphärische Songs
+ cooles Cover, coole Typen

Nachteile

- schnellere Wechsel teils zu Lasten der Atmosphäre
- nix für „nebenbei“
- Abmischung (Sound) könnte hier und da besser sein
- vorhersehbar
- uraltes Geheimnis wird nicht verraten 🙁

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