YAKUZA TATTOO – Keine normalen Tattoos
Es ist Sommer, es ist heiß, es ist Festivalsaison. Was machen wir da? Genau, Titt… nein! Ihr Ferkel! Manche von uns zeigen natürlich alle die tollen Tattoos, die ihre Körper schmücken. Der Campground ist schließlich der Laufsteg des kleinen Mannes. Was heutzutage und hierzulande inzwischen als normal gilt, und man fast schon wieder cool ist, wenn man keine Tinte unter der Haut hat, stellt den Träger eines Tattoos in anderen Teilen der Erde noch vor große Probleme. Im Extremfall kann man sogar getötet werden, wenn die falschen Leute deinen Körperschmuck sehen.
Körperkunst aus Übersee
Der Name lässt es schon vermuten. Wir befinden uns in Japan. Wir sprechen über die Yakuza, die dortige Mafia. Der Religionswissenschaftler Andreas Johansson hat es geschafft, Kontakt zu einem Boss der Yakuza in Yokohama aufzubauen und, der Tatsache geschuldet, dass er Wissenschaftler und kein Journalist ist, einen tieferen Einblick in eine uns kaum bekannte Welt zu bekommen. In seinem Buch „Yakuza Tattoo“ berichtet er über dieses Phänomen.
Die Yakuza Tattoos können Fluch und Segen sein. Die detailreichen Tattoos, welche unter anderem mythologische Figuren wie Götter, Drachen oder auch Helden darstellen, können zu schwerwiegenden Konflikten führen, wenn man sie außerhalb des eigenen Revieres zeigt, sie können einem jedoch auch Respekt einbringen und vor Problemen, beispielsweise im Gefängnis, bewahren. Hier zeigt sich bereits der erste kritische Punkt an Tattoos in Japan.
Eine zwiegespaltene Geschichte
Bereits 400 bis 700 Jahre vor Beginn der heutigen Zeitrechnung wurden Tattoos, welche in Japan eher unter der Bezeichnung „Irezumi“ bekannt sind, eingesetzt, um Kriminelle zu brandmarken, siehe die schwarzen Streifen an Armen. Diese Verbindung hat sich bis heute gehalten und zeugt noch immer von der gespaltenen Beziehung vieler Japaner zu dieser Form der Körperverzierung. Jedoch lässt sich das nicht generalisieren, da archäologische Funde bezeugen, dass Tattoos auch in religiösen Kontexten verwendet wurden.
Sowohl diese geschichtliche Beziehung als auch die noch heutige Verwendung religiöser Motive innerhalb nicht-religiöser Gruppen, wie eben etwa der Yakuza, sind Grund dafür, weshalb jemand wie Andreas Johansson sich mit diesem Thema befasst. Es gibt bisher keinerlei wissenschaftliche Befunde, wieso eine Gruppierung mit dererlei Strukturen solche Symbole benutzt.
Den Kois und Drachen auf der Spur
Johansson geht dafür mit der Methode an das Projekt heran, über die Kamera, die er dabei hat, in Kontakt zu den Personen zu kommen, die sich dafür fotografieren lassen.
Die dadurch entstehenden Gespräche liefern ihm empirische Daten und somit wertvolle Informationen, die er sonst nie bekommen könnte. Dieses Mittel der Feldforschung erlaubt es ihm, eine Brücke zu bauen und so das nun vorliegende Buch mit zu gestalten.
Gangsterboss von der Leinwand? Wohl kaum
Dabei lernt er Männer kennen, die gar nicht dem typischen Klischee von Gangstern entsprechen, das gerne wahrgenommen wird. Sie gehen eher sehr vorsichtig mit ihrem Status als Yakuza um und achten sehr pingelig darauf, wo sie sich als solche offenbaren.
Wie auf dem Bild zu sehen, sind die Tattoos oft so gestochen, dass man sogar noch ein Hemd oder Jacket offen tragen kann, und das Tattoo trotzdem noch überdeckt wird. Generell sind eher lässige Klamotten beliebt, Anzüge werden meist nur zu speziellen Gelegenheiten getragen. So lässt sich damit einfacher umgehen.
Das Buch greift viele Aspekte der Yakuza auf, nicht nur auf die Tattoos bezogen, sondern auch Rituale, die Beziehungen und Hierarchien innerhalb dieser Gruppe und ihre Eigenheiten. Beispielsweise wird die Rolle der Tätowierer gezeigt. Diese sind sehr hoch angesehen und haben ein Mitbestimmungsrecht, wer ein solches Tattoo bekommt. Auch können sie einschätzen und entscheiden, welche Motive zu jemandem passen und entsprechend auch ablehnen und beraten. Tätowierer von Yakuza Tattoos sehen sich ganz und gar nicht in einer Linie mit westlich orientierten Tattookünstlern. Die Bedeutung ist schlicht ganz anders.
Mein Fazit
Für jemanden, der sich für Tattoos interessiert und mal ein wenig über den Tellerrand hinaus schauen will, ist dieses Buch auf jeden Fall empfehlenswert. Johansson hat es bewusst so gestaltet, dass der Bildanteil überwiegt, und er hauptsächlich ergänzende Informationen zu den Yakuza und den Tattoos gibt. Es lehnt so an seine Arbeitsweise an, wie er sich ihnen genähert hat und Zugang zu den Bildern und den Informationen bekommen hat. Das macht es zu einem nicht wirklich wissenschaftlichen Buch, aber erleichtert den Zugang zu dieser Materie und gibt einen wirklich interessanten Einblick in dieses Feld.
Vielleicht kennt ja jemand von euch die japanische Tradition und hat selbst schon Erfahrungen zu diesem Thema gesammelt?
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