Zukunft im Hier und Jetzt – Nemesis Sopor
NEMESIS SOPOR – MMXL
Veröffentlichungsdatum: 17.02.2017
Dauer: 57 Min.
Label: Geisterasche Organisation
Stil: (Post) Black Metal
Das Konzept der künstlichen Superintelligenz ist ein beliebtes Thema im Science-Fiction-Bereich. Mit „Terminator“ fand diese Fiktion in den 80er Jahren seinen wohl bekanntesten Vertreter in der modernen Popkultur. Die Idee dahinter ist, dass eine vom Menschen geschaffene künstliche Intelligenz ein Level erreicht, auf derer sie sich selbst weiterentwickelt, lernt und zu selbstständigem Handeln fähig ist. Was für Früchte dies tragen könnte, zeigte auch der Klassiker „Matrix“ von den Coen-Geschwistern kurz vor dem Millenium eindrucksvoll auf. Die Versklavung der gesamten Menschheit.
Was jedoch vor einigen Jahren und Jahrzehnten noch reine Fiktion war, dringt mittlerweile immer mehr in die Realität vor. Künstliche Intelligenz ist heutzutage bereits in vielerlei Fällen selbstständig und es ist ein Drahtseilakt, diese A.I. (Artificial Intelligence) dem Menschen ALLEIN dienlich zu machen. Schon so ulkige Formen wie Amazons „Alexa“ zeigen auf, wie rasch sich diese Technologien auch für den alltäglichen Gebrauch entwickeln. Doch wohin geht die Reise?
Eine (Schreckens-)Vision dessen präsentieren uns die Dresdner Black Metaller von NEMESIS SOPOR auf ihrem aktuellen Album „MMXL“, welches nach „Glas“ aus dem Jahr 2014 ihr drittes Album und ihr Labeldebüt bei Geisterasche Organisation darstellt. „MMXL“ steht dabei für das Jahr 2040, in dem laut zeitgenössischen Wissenschaftlern diese Stufe der künstlichen Superintelligenz erreicht sein soll.
In Sachen Sprache und lyrischen Konzept werden gänzlich neue Pfade weg von einer die vorherigen Alben bestimmenden Natursymbolik und -thematik beschritten. Gegründet bereits 2008 und nach einer Split mit DRENGSKAPUR, verlies nach den Aufnahmen zu „Glas“ Sänger M.S. die Band. Mit einem kompakteren Line-Up (Gitarrist R.S. übernimmt zusätzlich den Gesangsposten) und einem modernen Ansatz, sowohl musikalisch als auch lyrisch, greifen NEMESIS SOPOR 2017 erneut an.
Maschinenbrut
Das Album startet nach einigen leisen ambientartigen Tönen sofort mit seinem längsten Track „Untertan“, welcher in einer guten Viertelstunde die gesamte stilistische Bandbreite der Band aufzeigt. Neben typisch schwarzmetallischer Raserei und sägenden Melodiebögen, stimmt der Song auch ruhige Töne an und erzeugt damit eine hohe Dynamik. Sänger R.S. überzeugt zusätzlich mit finsterem Gekeife, welches beherrschter und zugleich bösartiger als der Gesang auf den alten Alben wirkt. Textlich wird der teils größenwahnsinnige Forscherdrang des Menschen hin zur angestrebten Superintelligenz behandelt.
„Saat“ dient im Folgenden als kurze Überleitung zum für mich stärksten Song des Albums: „Herrscher“. Anfangs stampfend, gewinnt das Lied ordentlich an Fahrt und fällt nach wenigen Minuten fast komplett in sich zusammen, atmet mit ruhigen Klängen durch und bäumt sich letztendlich zu einem mitreißenden Finale auf. Der Fokus liegt hier auf einer sehr eingängigen und epischen Leadgitarre, unter die sich weitere Gitarrenspuren mischen. Dies ist eine Stärke, die für mich schon einige Songs des Vorgängers so speziell machten. Textlich behandelt der Song eine utopische Vorstellung, in derer das Ende allen menschlichen Leids durch eine steuerbare und dennoch erhabene „A.I.“ versprochen wird.
Das folgende „Despot“ war als Auskopplung schon auf der vor wenigen Wochen veröffentlichten Zusammenkunft-Compilation zu hören. Sehr düster und zuweilen dissonant, erschallt dieses Lied und wirkt trotz seinem starken Ende ein wenig wie ein Fremdkörper. Nach meinem Empfinden bettet sich „Despot“ nicht in das Albumgerüst ein. Dies tut das darauffolgende Titelstück umso mehr, welches erst nur instrumental, dann von verhalltem Sprechgesang unterstützt, wiederum zu epischen Höhen getrieben wird, was vor allem den simplen aber effektiven Melodien zu verdanken ist. Hier wird meiner Meinung nach der modernere Ansatz in der musikalischen Darbietung sehr deutlich zum Ausdruck gebracht.
2040
„Atarax“ und „Zeit der Sterne“ markieren daraufhin die beiden Schlusskapitel des Albums und überzeugen durch ein gutes Wechselspiel aus post(rockig) verträumten Passagen und nach vorne gehendem Black Metal. Speziell „Atarax“ zeigt seine großen Stärken in diesem kontrastreichen Spiel. Bei „Zeit der Sterne“ hingegen wird noch einmal Bezug auf den Opener genommen und somit ein schöner Albumrahmen gebildet. Das stärkt die konzeptionelle Ausrichtung meiner Meinung nach ungemein.
Trotz der zukunftsgerichteten Thematik und der moderneren Ausrichtung der Musik, klingt das Album angenehm warm. Hier wurde gute Arbeit beim Mix und beim Mastering geleistet. Aufgenommen wurde im hauseigenen Tiefenlaut Audio Studio. Für das Mastering zeichnet sich das renomierte Necromorbus Studio (WATAIN, INFESTUS, BLAZE OF PERDITION) verantwortlich.
NEMESIS SOPOR beweisen mit ihrem Drittwerk großen Mut. Sie fordern den Hörer heraus, tief in das Album und die zugrundeliegende Thematik einzutauchen. Einige Parts wirken auf mich leider zu langgezogen und zehren an der Konzentration, die das Songmaterial jedoch zu jeder Zeit erfordert. Viele Details geben sich erst nach und nach preis und ich kann mit dieser Besprechung nur eine sehr vorsichtige Bewertung wagen.
Dementsprechend empfehle ich es jedem Leser, sich bei Interesse viel Zeit mit dem Album zu nehmen und dem Gesamtwerk die angemessene Aufmerksamkeit in einigen Hördurchgängen zu schenken.
Autorenbewertung
Vorteile
+ epische Momente
+ dichter Sound
Nachteile
- "Despot" fügt sich nur schwer ins Album ein
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1 Kommentar
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