Zwanzigstes Jubiläum! SUMMER BREEZE 2017
Nach knapp vier Stunden Fahrt kommen wir an. Und kurz nach der Autokontrolle und Bändchenübergabe lauert schon das erste Hindernis. Ihr könnt euch nicht vorstellen, WIE schwer es ist, 12 Autos in Kolonne zusammen auf das Campgelände zu kriegen. Selbst wenn jedes einzelne davon eine gelbe Platte hat und offensichtlich zu dem Wagen vor und hinter sich gehört. Erst nach längerem Bequatschen von mindestens zehn Securities ist es dann doch irgendwie machbar, nicht in acht verschiedene Richtungen geleitet zu werden.
Mittwoch – Der Tag der Überraschungen
Den ersten Campingtag gut überstanden, machen wir uns erstmal auf aufs In-Field. Zwar ist dieses am ersten Tag erst zur Hälfte geöffnet, zum Schnuppern und Futtern reichts aber vorerst. Das Allererste, was auffällt: Keine Zeltbühne! Diese wurde ersetzt durch eine Standart-Open-Air-Bühne, die neue T-Stage. Das finde ich relativ traurig – Zeltbühnen haben etwas Eigenes, das Open-Air-Bühnen nicht bieten können: ihnen wohnt eine eingebaute, geschlossene Atmosphäre inne, Konzerte sind hier immer irgendwie besonders. In ihrer Eingegrenztheit formen sie einen eigenen (Vorsicht Fachbegriff!) heterotopischen Raum. Eine eigene kleine Welt zwischen Band, Musik und Publikum sozusagen. Etwas, das große Open-Air-Bühnen nur manchmal mit Müh‘ und Not erreichen. Schade, ich hätte gerne all die spätabendlichen Black-Metal-Konzerte, die auf dem Plan standen, in einer solchen Zeltatmosphäre erlebt. Warum diese Bühne fehlt und durch die neue T-Stage, resp. die alte Party-Stage ersetzt wurde, sollte mir allerdings später bekannt werden.
Denn es folgen die Überraschungsgigs! Bis auf dem Festival selbst wurde nicht bekanntgegeben, wer diese sechs aufeinanderfolgenden Surprise Acts am ersten Tag sein würden. Doch damit hätte niemand gerechnet: Riesige Namen wie POWERWOLF, AMON AMARTH und IN EXTREMO spielen an jenem ersten Tag eine Zusatzshow – und zwar mit Sets aus vergangenen Tagen! Als Andenken an MICHAEL „T“ TRENGERT, den verstorbenen Geschäftsführer des Festivals, geben am Eröffnungstag des zwanzigsten SUMMER BREEZE diese Bands, die zudem alle eine eigene Geschichte mit diesem Menschen haben, jeweils eine Oldschool-Show zum Besten. Die Begeisterung ist groß, das Konzept ist genial. Der Mangel an Kapazität einer Zeltbühne ist es, der die Organisatoren dazu verleitet hat, diese für dieses Jahr durch die neue alte Party-/T-Stage zu ersetzen, besonders mit Hinsicht auf diese Konzerte. Voraussichtlich wird es nächstes Jahr wieder eine Zeltbühne geben, meine Bedenken waren also umsonst.
(K)ein Blick zurück?
Dennoch fällt auf, dass sehr viele Festivalbesucher überhaupt noch nicht mitbekommen zu haben scheinen, was für ein spezielles Schmankerl sie gerade auf dem In-Field verpassen, als wir uns auf zu IN EXTREMO machen. Viele ahnungslose, verwunderte Gesichter lassen sich auf dem Campinggelände erblicken, als plötzlich Scharen von Metallköppen zu den Bühnen marschieren. Das Konzert ist demnach zwar gut besucht, läuft aber nicht über vor Menschen – sehr genießbar also. IN EXTREMO machen Stimmung und hauen einen Oldtimer nach dem anderen raus. Neben Evergreens wie „Herr Mannelig“ und dem „Wind“ hat man hier auch endlich wieder die Möglichkeit, in den Genuss sehr selten gewordener Leckerlis wie dem „Palästinslied“, „Omnia Sol Temperat“ oder den „Merseburger Zaubersprüchen“ zu kommen. Ein Konzert, auf das mit Sicherheit viele IN-EXTREMO-Fans früherer Stunde lange gewartet haben.
Als nächstes steht die „Special Show“ von POWERWOLF auf dem Speiseplan, welche jedoch kaum als solche bezeichnet werden kann. Der einzige Unterschied zu den vier oder fünf von mir zuvor absolvierten Gigs der heiligen Werwölfe ist, dass sie hier zum ersten Mal seit 2014 „Kiss Of The Cobra King“ zum Besten geben. Davon abgesehen: wie immer eine höchst professionelle Show, guter Sound, motivierte Crowd, motivierte Band – was will man mehr. Es wird ordentlich gefeiert und mitgegrölt.
Ade, du schönes Schiff!
Nun steht bevor, worauf ich mich an diesem überraschungsgeladenen Mittwoch am meisten freue: AMON AMARTH treten mit einem Oldschool-Set auf. Als nicht allzu großer Fan derer jüngeren Entwicklung bin ich natürlich Feuer und Flamme für ein solches Happening. Und die Liederauswahl ist tatsächlich großartig. Einmal mehr denke ich voll Mitleid an diejenigen Menschen, die immer noch nichts ahnend unter ihren Pavillons verharren, während die Schweden glorreiche Lieder vergangener Tage anstimmen. Neben etlichen Tracks von „With Oden On Our Side“ hauen sie sogar „Versus The World“, „For The Stabwounds In Our Backs“, „Thousand Years Of Oppression“ und „The Last With Pagan Blood“ raus. Der Sound lässt leider im Vergleich zu den vorigen Bands etwas zu wünschen übrig, aber das soll heute keinem im Publikum die Laune verderben können.
Das hölzerne Schiff, das die Wikinger vor acht Jahren hier auf dem SUMMER BREEZE einweihten und seither in Betrieb hielten, wird mit dieser Show in den Ruhestand gesetzt – und fortan jährlich auf dem Festival als Bar wiederkehren.
Donnerstag – Die ersten Headlinershows
Der Donnerstag ist da – und damit der erste „richtige“ Festivaltag! Das gesamte In-Field hat jetzt geöffnet. Es bietet wieder unzählige Essenstände und Läden mit CDs, Kleidern und tonnenweise unnötigem Kram rund um die olle Metalmucke. Auch in dieser bösen, „trven“ Welt der Satanistenmusik hat man scheinbar mittlerweile gemerkt, dass Einhörner die neueste Marketingstrategie sind. Man entkommt ihnen an keiner Ecke. Irgendwie ekelhaft.
LONG DISTANCE CALLING verpasse ich leider fast gänzlich, was ich erst recht schade finde, als ich dort ankomme und mich das letzte Lied in an Perfektion grenzendem Sound und wunderbar hineinsaugender Atmosphäre noch kurz aber effektiv in eine andere Welt zu verführen weiß. Und das trotz drückender Mittagssonne. Verdammt.
Gleiche Bühne, ein paar Stunden später: DECAPITATED. Schon letzte Woche durfte ich mir von den Polen ordentlich die Ohren waschen und das Genick massieren lassen. Allerdings fehlt diesmal ein Gitarrist, was zum Teil auffällt, allerdings kaum stört. Die Gitarrensoli sitzen, verbleibender Klampfenmann spielt mal seine Spuren, mal die seines abwesenden Artgenossen. Wenn auch nicht immer ganz perfekt, so macht man das Beste aus der Situation. Die Energie ist da, die Konzertbesucher gehen ab. Leider setzt gegen Ende auch noch das Mikrofon aus, und sowohl im letzten Lied wie auch in der letzten Ansage ans Publikum kann man sich nur noch per Lippenlesen ausmalen, was der Sänger uns mitteilen will. Ein gutes Konzert unter einem schlechten Stern.
Die neue Bühne
Nun geht es endlich zu den zwei Hauptbühnen. Sie heißen anders als in den Jahren davor, statt Main- und Pain-Stage gibt es jetzt Summer- und Breeze-Stage. Doch was ist das? Weit und breit ist keine zweite Hauptbühne zu sehen. Und dann erklärt man es mir: Die Summer-/Breeze-Stage ist eine Drehbühne. Während die eine Band spielt, wird auf der Rückseite für das nächste Konzert aufgebaut und der Sound gecheckt. Und zwischen den Konzerten dreht sich der gesamte Bühneninhalt um 180 Grad. Woah. Das hat schon was. WIE geil diese neue Bühne allerdings wirklich sein wird, wird mir erst beim nächsten Konzert klar werden.
AMON AMARTH zum zweiten Mal – diesmal die angekündigte Headliner-Show. Und ehrlich gesagt, ich kann kaum in Worte fassen, wie gut dieses erste große Konzert auf der neuen Stage ist. Der Sound sitzt quasi zu hundert Prozent, und die Bühne bietet optisch einfach ein Spektakel sonder Gleichen: Nicht nur die Kulisse des Konzerts ist ebenso bombastisch wie aufwändig, auch die Licht- und Feuershow ist gleichwohl atemberaubend und perfekt auf das Konzert zugeschnitten.
Des Weiteren ist es wahrlich ein anderes Gefühl, diese einzelne, monolithisch platzierte, riesige Bühne im Zentrum des Geschehens zu erleben, als zwei mittelmäßige Stages nebeneinander zu haben, wobei auf der gerade nicht benutzten störende Soundchecks und nerviges Rumgewusel stattfinden. Dafür gibts hier links und rechts zwei riesige Dämonenfiguren, die den Blick auf die Bühne leiten, und die selbst in einer eigenen Lichtshow prachtvoll die Atmosphäre unterstützen. Außerdem ist es, dank neuem Schleusensystem, relativ gut möglich, einen guten Platz ohne zu viel Gedränge und Gekämpfe zu ergattern. Wow. So etwas sollen die Kollegen vom WACKEN erstmal hinkriegen. In neun Jahren und über 25 Festivals habe ich so etwas noch nicht erlebt. Scheiß auf die Zeltbühne – das hier ist bei Weitem die großartigste Bühne, vor der ich je stand. aufwändig, perfekt ausgeführt und mit Expertise in allen wichtigen Bereichen – alles addiert sich zu einer perfekten Konzert-Experience. Danke, SUMMER BREEZE!
AMON EXTREMO, die Zweite
Um auf das Konzert zurückzukommen: Es werden viele Lieder des neuen Albums gespielt, und ich muss sagen, dass diese mir Live bei Weitem besser gefallen als auf Platte, und wahrscheinlich sogar eher zu diesem Zwecke konzipiert worden sind. Davon abgesehen dürfen Klassiker wie „Pursuit Of Vikings“ und „Death In Fire“ auch diesmal nicht fehlen, und als gegen Ende bei „Twilight Of The Thunder God“ der Vorhang fällt und ein riesiger Jormungand episch auf der Bühne thront, ist der Gig perfekt. Wahrlich ein audiovisuelles Spektakel, das seines Gleichen sucht. Selbst der doch sehr unpassende Gastauftritt von DORO PESCH kann dies nicht mehr kaputtmachen.
Als nächstes geben sich dann wieder IN EXTREMO auf der gleichen Bühne die Ehre. Leider muss ich das Konzert aus persönlichen Gründen in der Hälfte verlassen. Bis dahin zumindest trifft aber alles zuvor Gesagte auch hier zu – sehr coole Kulisse, überzeugender Sound, tolle Feuer- und Lichtshow. Im Gegensatz zum Vortag jedoch haben die Spielleute fast ausschließlich Songs der letzten drei Scheiben im Gepäck. Dies sorgt allerdings nicht für weniger Stimmung im Publikum. Sehr schön!
Ein finsterer Restabend
Düster, folkig und atmosphärisch wird es dann am späten Abend mit WARDRUNA. Bis kurz vor dem Festival wusste ich nicht mal, dass dieses Projekt rundum GAAHL (Ex-GORGOROTH-Sänger) überhaupt live existiert. Die okkulten Instrumente und die ruhigen, tief in nordischer Spiritualität verankerten Lieder entfalten sofort ihren hypnotischen Sog. Die Musik bietet an, sich komplett in sie hineinfallen zu lassen und davonzuträumen. Ein seltenes und interessantes Erlebnis, WARDRUNA einmal live sehen zu können. Dennoch schaffe ich es dank Müdigkeit nicht ganz bis zum Ende, und muss irgendwann abdrehen um nicht im Stehen wegzuratzen, weswegen ich mir selbst auch ein bisschen böse bin, muss ich gestehen.
Voll roher Energie ist dann im Gegenzug dazu das letzte Konzert des Abends: FIRTAN aus dem Schwarzwald rütteln mich laut und polyphon wieder aus dem Halbschlaf. Leider spielen sie auf der ungünstigen, winzigen und insgesamt eher sinnlosen Camel-Stage, bei der es meist sowohl am Sound als auch an der Atmosphäre hapert. Dennoch schaffen sie es, das anwesende Publikum zu begeistern und mit ihren zugleich harten und symphonischen Klängen die Mähnen ordentlich durchzuschütteln – ein guter Abschluss für einen ereignisvollen Tag, und gleichzeitig für die erste Hälfte des SUMMER BREEZE 2017.
Freitag – Von unterirdisch üblem und galaktisch gutem Sound
Im „Campsite Circus“, einer eher kleinen Zirkuszeltbühne außerhalb des In-Fields, soll es der Legende nach Akustikkonzerte von ELUVEITIE, FIDDLER’S GREEN, KNORKATOR und mehr geben. Soll heißen, dass diese Shows zwar sehr wohl in der Running Order zu finden sind, allerdings einen streng limitierten Einlass haben (666 Leute, wenn ich mich nicht irre). Man konnte im voraus Tickets dafür gewinnen, doch wer Glück hat und/oder früh genug an ist, kommt auch so rein. Und so schaffe ich es, durch einstündiges Warten vor dem Bühnenzelt, mich ohne Reservierung in die erste Reihe bei ELUVEITIE zu schmuggeln.
Leider ist dieses eigentlich vielversprechend klingende Konzert kaum genießbar. Nicht, dass die Lieder nicht cool wären, nicht, dass die Band irgendwelche bemerkbaren Fehler spielen würde – das Problem liegt einzig und allein beim Sound. In einer so kleinen Location sollte es doch wirklich möglich sein, eine Band aus ein paar Akustikinstrumentalisten und zwei gechillten E-Gitarreros irgendwie ordentlich abzumischen. Aber nein. Flöte hört man erst nach drei Liedern, manchmal gar nicht. Frontmann CHRIGEL GLANZMANNs Mandola, die er quasi konstant spielt, ist stumm bis zum zweitletzten Song – erst, als er voller Inbrunst einen unhörbaren Solopart vor sich hin klimpert, fällt den Tontechnikern auf, dass sie eventuell etwas vergessen haben. Da fragt man sich doch: Tut denn so etwas wirklich Not?
Als Entschädigung dafür ist dann später bei der Metalshow ELUVEITIEs die eine Gitarre so laut, dass alle Folkinstrumentale integral dahinter verschwinden. Und das quasi das ganze Konzert lang. Ausnahme sind ironischerweise die paar Akustiklieder, die die Schweizer auch auf der großen Bühne präsentieren. Trotz all dem, und trotz dem mittlerweile aufgekommenen Regen und Sturm, feiern und moshen nicht wenige Besucher voll guter Laune das ganze Konzert lang.
Schlechtes Wetter – Gute Laune!
CHILDREN OF BODOM – Regen! Schlamm! Egal! Spätestens nachdem Fronter Alexi Laiho das Publikum auffordert, dem schlechten Wetter den Mittelfinger zu zeigen, machen die Umstände keinem mehr was aus. Diejenigen Menschen, die sich durch den ekelhaft nassen Sturm übers ganze In-Field zur Bühne gekämpft haben, sind definitiv nicht hier, um sich davon die Stimmung verderben zu lassen. Anderthalb Stunden geht die Fete – anderthalb Stunden Oldschool-COB-Action. Diese Band hat irgendwann im Laufe ihrer Karriere verstanden, dass Festivalbesucher sich kaum für ihre neuen Alben interessieren. Scheint sie aber nicht zu stören: bereitwillig spielen sie wieder einmal nur einen einzigen Track, der jünger als 2008 ist, der Rest der Setlist zieht sich durch die ersten fünf Alben. Und das Publikum liebt es.
Im direkten Anschluss gönne ich mir dann KREATOR. Auch diese Band live zu erleben, ist immer wieder ein Fest. Eine gut balancierte Setlist aus alter Härte und neuer Virtuosität, ein ordentlicher und genau richtig lauter Sound, fette Bühnenkulisse (zehn Bildschirme mit angepasster Videoshow zu jedem Song, ein riesiger KREATOR-Kopf verharrt bedrohlich in der Bühnenmitte) und ein musikalisch professionell abgelieferter Gig machen dieses Konzert zu einem der großartigsten des ganzen Festivals. KREATOR sind wahrlich eine jener Gruppen, die nach über 30 Jahren Bandgeschichte in der Blüte ihrer Jugend und an der Spitze ihrer Fähigkeiten angekommen zu sein scheinen. Die Crowd ist gleicher Meinung – es gibt Circle Pits und Wall of Deaths in Hülle und Fülle. Dazu kommt noch eine stimmungsaufheizende Licht- und Feuershow, wie man sie mittlerweile von dieser Bühne gewohnt ist, und alles schließt sich zu einem äußerst wohlbekommenden Gesamtwerk zusammen.
Neue Songs, neuer Gitarrist, neues Glück?
Die letzte Band des Abends ist für mich WINTERSUN. Hier sitzt der Sound leider nicht ganz perfekt, doch die virtuose Performance macht dieses kleine Manko schnell wieder wett. Und das, obwohl sie mit Ersatzdrummer spielen. Episch und kraftvoll wirkt das Ganze, und auch Sänger JARI MÄENPÄÄs Vocals klingen richtig gut, seit er sich dazu entschieden hat, das Gitarrenspiel live sein zu lassen und dafür einen weiteren Gitarristen mit an Bord zu nehmen. Einziges Problem: die Songs der neuen Platte eignen sich nicht allzu sehr für Live-Shows. Zu wenig Eingängigkeit, zu viel Monotonie sobald der Sound nicht zu hundert Prozent ist, wie er soll. Besonders, wenn bei „Eternal Darkness (Autumn)“ das Gitarrengewummer die Keyboard-/Samplespuren frisst, ist die Gefahr hoch, dass das Lied einfach nur nach monotonem, langweiligem Geblaste klingt und niemand was davon hat.
Samstag – Die finale Fete
Kaum legt man sich dreimal schlafen, schon befindet man sich plötzlich am Morgen des letzten Festivaltags. Erstmal die EXCREMENTORY GRINDFUCKERS zum Frühstück reinziehen. Bekommt allerdings nicht besonders. Matschiger Sound, stumpfe Quatschmusik. Was hatte ich eigentlich erwartet?
Diese wenig erfrischende Erfahrung wasche ich im Anschluss dann mit dem Auftritt der französischen Deathgrinder BENIGHTED ab. Eine Wand aus musikalischer Brutalität brettert von der Bühne in das recht kleine Publikum hinein, technisch auf höchstem Niveau und bei Weitem schneller als alles, was ich hier dieses Jahr sonst so gehört habe. Leider gibt es einige technische Soundprobleme am Schlagzeug, die immer wieder durchblitzen, und die Band ist knapp zehn Minuten vor Ende ihrer eigentlichen Spielzeit schon mit ihrem ganzen Programm durch. Schade. War trotzdem geil.
KNORKATOR beweisen dann, im Gegensatz zu den GRINDFUCKERS, tatsächlich musikalische Fähigkeiten, und sind dazu auch noch lustig und kreativ. Ich komme leider erst mitten im Konzert bei der Bühne an, als gerade „Ich Hasse Musik“ in einer alternativen Jazzversion mit einer Gruppe von Gastmusikerinnen und -sängerinnen erschallt. Es wird wie immer viel Quatsch auf der Bühne gemacht, die Massen singen brav „Wir Werden“ (alle sterben) im Chor mit, und auch ansonsten lässt sich das Konzert gut zu ‘nem teuren Food-Truck-Burger und ‘nem fast genauso teuren Festivalbier genießen.
Wolfsgesang und Himmelsbrand
Nach einer längeren Pause gehe ich dann zähneputzen, pullern, und ab ins Bett zum WOLFCHANT-Konzert, welches überraschenderweise auf der kleinen Camel Stage stattfindet (ich dachte irgendwie, die wären bekannter als das!). Der Sound ist verhältnismäßig OK, besonders die Stimmen der zwei Sänger ergänzen sich sehr gut. Irgendwie habe ich das Gefühl, die ganze Band bestünde schon wieder aus komplett anderen Leuten als vor zwei Jahren. Besonders über den Drummer wundere ich mich. Den schnelleren Double-Bass-Passagen weicht er zwar geschmeidig aus, indem er sie kreativ ersetzt, scheint sie aber nicht spielen zu können. Nach drei Liedern muss ich dann auch schon gehen, um mir HEAVEN SHALL BURN anzusehen.
Ein weiteres Headlinerkonzert auf der Hauptbühne, ein weiterer Grund sich zu freuen! Wie bei allen zuvor ist der Sound wunderbar, die Band motiviert und Show wie Kulisse ebenso stimmig wie atemberaubend. Ich kann mich gar nicht oft genug wiederholen. Bei „Black Tears“ gibt’s dann einen Gastauftritt vom legendären DAN SWANÖ am Gesang, dessen Mikrofon seitens der Soundtechniker allerdings fast die Hälfte des Auftritts nicht eingeschaltet ist. Toll. Auch muss ich leider erwähnen, dass Sänger MARKUS BISCHOFFs Vocals live des Öfteren alles andere als gut klingen. Scheint aber anscheinend keinem aufzufallen – oder zumindest niemanden zu stören. Die Energie kommt rüber – und das spiegelt sich auch in der Bewegungsfreudigkeit der Masse wider.
Es ist ein KORNiger Samstag, meine Kerle
Da ich mit der KORN absolut nichts anfangen kann, lasse ich dazu unseren Sébastien zu Wort kommen:
„Kurz nach 22 Uhr, mit ein paar Minuten Verspätung, treten dann mit KORN in wiedervereinter Besatzung vor das zahlreich angereiste Publikum. Sie liefern ein sehr homogenes Set ab, quer durch ihre Bandhistorie. Sound und Bühne erstrahlen in voller Pracht – so macht Nu Metal Spaß! Nach dem Konzert hört man viele zufriedene Stimmen aus dem Publikum. Gekrönt wird der Auftritt mit einem fulminanten Jubiläumsfeuerwerk des Festivalveranstalters.“
Währenddessen mache ich mich auf den Weg zu FIDDLER’S GREEN, welche auf der T-Stage Herzen und Waden der (vielzählig erschienenen) Gäste aufflammen zu lassen wissen. Das Konzert ist eine einzige irische Folkparty. Spätestens als die Truppe das Publikum sich erst hinsetzen, dann zur Musik aufspringen und abdancen lässt, ist jeder – und damit meine ich wirklich jeden – involviert. Spaßfaktor über 9000. Wäre dies nicht eigentlich ein Metalfestival, würde ich doch glatt behaupten, das FIDDLER’S-GREEN-Konzert sei eines der besten Konzerte der ganzen vier Tage gewesen.
20 Jahre FINNTROLL
Müde und glücklich schleppe ich mich zur letzten Show auf meiner Liste: FINNTROLL. Diese wirken erstmal auf der riesigen Bühne relativ winzig, da sie ohne viel Kulisse oder sonstiges Trara auftreten. Auch der Sound wird ihnen nicht gerecht. Gitarren verschwinden hinter dem Bass, und das Keyboard klingt auch eher nach einem lustigen Rummel-Drehorgler als nach der epischen, einhüllenden Soundkulisse die man sonst so bei FINNTROLL von diesem kennt. Dennoch verbreitet der Auftritt ordentlich Spaß. Das Set ist auch ein interessantes: Als 20-Jahres-Special spielen die Finnen in chronologischer Reihenfolge von jedem ihrer Alben ein bis drei Lieder. Trotz der ungünstigen Umstände ein netter Abschluss für das diesjährige SUMMER BREEZE.
Fazit
Was soll man zu diesem Festival noch groß sagen? Die grandiose neue Bühne habe ich nun bereits oft genug gepriesen, über den teilweise doch eher beschissenen Sound habe ich mich auch schon mehr als genug aufgeregt. Am Campingeinlass könnte man noch etwas arbeiten, besonders was gemeinsam reisende größere Gruppen angeht. Die Bandauswahl hingegen war dieses Jahr relativ abwechslungsreich – es war für jeden Geschmack etwas dabei. Auch die Überraschungskonzerte des ersten Tages fand ich eine sehr gute Sache. Alles in Allem war das Festival dieses Jahr für mich auf jeden Fall eine gute wie auch prägende Erfahrung – vielleicht mehr, als in so manch anderen Jahren.
Wie dem auch sei – zurückkehren werden ich nächstes Jahr auf jeden Fall. Und wenn’s nur wegen der Bühne ist.
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7 Kommentare
[…] meinen SUMMER-BREEZE-Artikel von letztem Jahr kennt, sollte wissen, wie abgrundtief ich den Witz einer Bühne, der die letzten […]
Moin moin,
kleine Anmerkung zu Wardruna: Die sind wohl eher das Projekt rund um Einar Selvik (aka Kvitrafn) der war zwar auch mal bei Gorgoroth aber als Schlagzeuger.
Und Gaahl war zwar auch mal bei Wardruna, das ist aber auch schon wieder ein paar Jährchen her.
Kann dir insgesamt nur zustimmen: Tolles Breeze dieses Jahr!
Alles klar! Das war mir nicht bewusst. Danke für die Info 😉
Dieses Summer Breeze war mit seinen vier Jubiläen (20 Jahre Summer Breeze, 1000. In-Extremo-Liveshow, 30 Jahre Nuclear Blast und 25 Jahre Moonspell) durchaus etwas Besonderes. Los ging’s mit DIESER BÜHNE! Ich war so hin und weg, ich hätt‘ heulen können vor Begeisterung. Ich hatte auch im Allgemeinen den Eindruck, dass da dieses Jahr nicht gekleckert, sondern geklotzt wurde: Statt einer gab’s gleich vier (!) Anzeigetafeln, auf denen das Konzert gezeigt wurde; zwei an der Bühne und zwei an den Rückseiten der Türme. So weit konnte ich gar nicht hinten stehen, dass ich gar nichts mehr gesehen hätte.
Was Anzeigetafeln angeht, muss ich übrigens MEGADETH ein großes Lob aussprechen: So gut wie die hat bisher keine andere mir bekannte Band eine Videowand in eine Show integriert (die Videos waren perfekt auf die Musik und sogar farblich auf die Bühnenbeleuchtung abgestimmt) – davon kann sich u. a. KORN eine dicke Scheibe abschneiden, denn bei denen gab es nur halbpassendes Füllmaterial, das zwar nicht so schlimm von der Musik abgelenkt hat wie weiland 2013 (glaub ich) bei Within Temptation, aber trotzdem unnötig war. Eine der Animationen war sogar schneller vorüber als das Lied und ist dann einfach stehen geblieben. Leider war bei MEGADETH der Sänger absolut nicht in Form (ich dachte erst, der wäre betrunken), was aber nicht weiter schlimm war; wenigstens hat er seine Gitarrenparts hinbekommen, wenn man ihn mangels Nähe zum Mikrofon schon kaum gehört hat.
Schade find ich, dass ich Kreator nicht sehen konnte, denn als ich hoch zum Festivalplatz wollte, hieß es, der sei wegen des Unwetters evakuiert worden (war er wohl wirklich, aber nur 20 Minuten lang). Dafür hat mich dann Cantus Buranus (Corvus Corax zusammen mit einem Orchester und einem Chor) mehr als entschädigt. Das war der totale Kontrast zu den restlichen Kapellen: die Bühne voll mit Leuten, wenig Dekoration, dezente Beleuchtung, null Interaktion mit dem Publikum (abgesehen von einigen Chor-Mitgliedern, die zum Abschied gewunken haben), die haben einfach die Musik für sich selbst sprechen lassen und die war so wunderschön, dass ich nach dem Schluss ein Gefühl hatte wie von einem All-You-Can-Eat-Restaurant nach Hause zu gehen. Ich war einfach pappsatt.
Danke für die Berichtergänzung! 🙂
Ziemlich zutreffender Bericht, diese Scheißeinhörner gehen einem wirklich auf den Sack! Mir ist beim Durchlesen des Texts übrigens aufgefallen, dass ich während des gesamten Festivals nur dreimal bei der Hauptbühne war, bei Aversions Crown, bei Hatebreed und bei Heaven Shall Burn. War aber auch ganz interessant, weil auf der T-Stage meiner Meinung nach doch eine ganze Menge interessanterer Bands gespielt haben als auf der Hauptbühne, u.a. Fit For An Autopsy, Oceans Ate Alaska, Suffocation, Nile, Moonspell, Architects, Gorguts und Der Weg einer Freiheit.
Es gab sicherlich noch einige gute Bands, die ich verpasst habe. Aber um die 25 Konzerte haben mir dann doch gereicht 😀