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Aus den Tiefen #23: TANGLED THOUGHTS OF LEAVING
In „Aus den Tiefen“ stelle ich euch regelmäßig mehr oder minder unbekannte Künstler, Projekte und Bands vor, die aus dem einen oder anderen Grund abseits der altbekannten Pfade wandeln. Die Gründe hierfür können zahlreich sein. Das Ergebnis muss nicht immer nach Metal klingen, im Gegenteil! Der Fokus liegt hierbei auf Innovation, auf Experimentierfreude, auf dem Potential, etwas anders zu machen, als alle Anderen.
Was war das letzte am schlechtesten besuchte Konzert einer grandiosen Band, auf dem ihr wart?
Ich muss ehrlich zugeben, dass es bei mir ne Weile her ist, seitdem ich zuletzt das Gefühl hatte, dass ich Zeuge davon werde, wie gerade Perlen vor die Säue geworfen werden. Vielleicht war ich einfach zu lange nicht auf kleineren Konzerten. Wer weiß.
Ein Auftritt, der mir jedoch noch ewig im Gedächtnis bleiben wird, ist der der australischen Progressive/Post Rock/Post Metal/Jazz/Ambient/Noise Band TANGLED THOUGHTS OF LEAVING.
Vor ungefähr anderthalb Jahren sorgten viele glückliche Umstände dafür, dass die vier Musiker von dem anderen gottverdammten Ende der Welt ausgerechnet in meiner Stadt landeten. An einem Dienstag. Vor acht Gästen. Inklusive mir.
Dass das Musikerdasein alles andere als glamourös und ruhmreich ist, muss ich vermutlich niemandem erzählen, doch betrachten wir nicht nur die Schattenseiten. Denn TANGLED THOUGHTS OF LEAVING sind ungelogen eine der talentiertesten Livebands, die ich jemals live sehen durfte!
Besonders Schlagzeuger Behn Stacy hat bei mir bleibenden Eindruck hinterlassen. Nicht, weil sein Spiel von sagenhafter Geschwindigkeit oder Extreme geprägt gewesen wäre, sondern weil er sich zu jeder Zeit mit äußerster Präzision und Vielseitigkeit mit dem jeweils prominenten Instrument (oftmals dem Piano) ergänzt. Klingt verschriftlicht leider weitaus unspektakulärer, als es anzusehen war, aber wenn ihr euch ein vermenschlichtes Uhrwerk vorstellen müsstet, dann hättet ihr ein ziemlich passendes Bild.
Meine Aufmerksamkeit für TANGLED THOUGHTS OF LEAVING wurde jedoch nicht auf diesem Konzert geweckt, sondern schon einige Jahre zuvor, als ich über ihre phänomenale erste EP „Tiny Fragments“ aus dem Jahre 2008 stolperte, deren Eröffnungstrack mir den Eindruck vermittelte, es hier mit Jazzmusikern zu tun zu haben, deren Tourette weit fortgeschritten ist. Wie THE DILLINGER ESCAPE PLAN in instrumentalem Gewand bohrten sich die Jungs aus Perth in meine Gehörgänge und begeisterten mich auf mehreren Ebenen. Denn hier werden Mathcorepassagen geboten, jazzige Breaks, klassisch angehauchte Pianopassagen und atmosphärischster Post Rock bzw. Post Metal, der sich vor Größen wie GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR oder ISIS keineswegs verstecken muss.
Bot die erste EP bereits bemerkenswerte Songs, die gleichermaßen vertrackt wie entspannend waren, so wurde diese Mischung auf dem Debütalbum „Deaden The Fields“ nur noch weiter verfeinert und ausgearbeitet. Durch Saxophone, Synthies und weitere Instrumente, die im Vorfeld nicht oder nicht so eingesetzt wurden, gelang es den Australiern nicht nur, die bereits vorhanden Elemente noch stimmiger einzusetzen, sondern auch ihr Spektrum noch weiter zu erweitern. Ergebnis dessen ist, dass die mit bis zu 17 Minuten meist überlangen Songs niemals langweilig werden und von Stoner über Jazz bis zu Progressive Rock alles mögliche beinhalten, was die Jungs imstande sind zu spielen. Zu keiner Zeit hat man das Gefühl, dass sich gerade an einer Stilistik vergriffen wird, die nicht passt oder nicht beherrscht wird.
Als hätte man bislang nicht schon eine breite Palette an Möglichkeiten genutzt, wurde auf dem zweiten Album „Yield To Despair“ noch mehr experimentiert. Diesmal mit mehr Noise und Field Recordings. Brachte man es mit dem Debütalbum innerhalb von 62 Minuten auf sechs Songs, so schafft „Yield To Despair“ ganze fünf Songs in 70 Minuten.
Doch nicht nur aufgrund dieser ausufernden und dennoch kurzweiligen Spiellängen besitzt die Musik von TANGLED THOUGHTS OF LEAVING eine ungeheure Epik. Und dies ist nur eins der zahlreichen Attribute, die auf das Werk des Quartetts aus Perth zutreffen. Schönheit, Trauer, Energie, Melancholie, Wahn, Sinn, alles Worte und Gefühle, zwischen denen ich hin und her taumele, wenn ich mich zurücklehne und sowohl Ohren als auch Geist der Musik öffne.
Bislang haben die Australier zwei Full Length Alben und vier EP’s veröffentlicht, die alle auf ihrer Bandcamp Seite verfügbar sind und die ich euch allesamt wärmstens empfehlen kann.
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