BEYOND CREATION – Keine kanadische Enttäuschung

BEYOND CREATION – „Algorythm“

Veröffentlichungsdatum: 12.10.2018
Länge: 63:09 Min.
Label: Season Of Mist
Genre: Progressive Tech Death Metal

Kanada… woran denkst du bei Kanada? Ich denke inzwischen nicht mehr sofort an herrliche Landschaften und Brett’l-Sport. Sondern an Ausnahmetalente wie Devin Townsend. Oder eben die Jungs von BEYOND CREATION. Und genau ebendiese haben nun frisch ihren dritten Langspieler auf den Markt geworfen. Großzügige vier Jahre nach „Earthborn Evolution“ – die Band war zwischendrin weltweit auf Tour (u.a. mit RIVERS OF NIHIL und OBSCURA in Dresden – Silence berichtete) – gebe ich mir mit „Algorythm“ auf die Ohren.

Sauber ausgeführte Arpeggien und Bassläufe sowie verschobene rhythmische Strukturen sind wohl das, was BEYOND CREATION ausmacht – immer wieder mit proggigen Ausflügen, weiten Melodiebögen und brutalen Growls gewürzt – und all das in teilweise wahnwitzigen Geschwindigkeiten, in denen die Musiker ausnahmslos brillieren. Dabei verkommen die Soli auch auf „Algorythm“ nicht zum reinen Selbstzweck, sondern dienen der Komposition und schaffen Raum zwischen Salven von gnadenlosem Geballer.

Die Platte begrüßt mich mit einem unheilversprechenden Instrumental-Intro inklusive Bläserfraktion und tonnigen, tiefen Toms. So weit, so pompös. „Entre Suffrage Et Mirage“ klingt dagegen richtig trocken, knackig und simpel. Natürlich nur soundtechnisch. Das Spiel der Band macht von Sekunde Eins klar, dass sie keinesfalls gedenken, hier nur müßig vor sich hin zu klimpern. Schon das Vorgängeralbum konnte mich mit wunderbar slidenden und durchsetzungstarken sowie weit gezogenen Bass-Linien und dem mitreißenden Growling von Sänger Simon Girard mitreißen. Und ja, auch hier empfangen mich diese Elemente nebst Tapping-Orgien, die wohl inzwischen als Standardsound der Kanadier verbucht werden können. Ich bin immer wieder beeindruckt, wie es ihnen gelingt, zwischen bzw. auf Doublebass-Salven und in rapidem Tempo dennoch so viel Raum zum Schweben und Atmen zu lassen. Und dann auch noch zu grooven.

HOW?!

„Suface’s Echoes“ beginnt wie ein Lehrstück für Gitarren-Liebhaber, bevor es dann direkt in harsche Sounds geht. Natürlich: wieder umspielt von Tappings und Slide-Bass. (Habe ich schon das abnorme Tempo der Band bemerkt?). Es steigert sich. Uffda und gedoppelte Gitarrenläufe, unterfüttert von geradlinigem Schrot – da wäre ich ja auf die Live-Umsetzung gespannt. Und noch eine Schippe Instrument und Tempo mehr drauf. Und … nun ist es selbst mir schon fast ein bisschen zu viel. Aber sie schaffen es, pünktlich zum selbstdefinierten Ende wieder die Kurve zu kriegen und mich nicht einfach in ein luftleeres Loch fallen zu lassen.

Zum Glück kommen die bald auf Tour…

Nach diesem Höllenritt folgt wieder ein sehr atmosphärisches Intro, es wird das Tempo etwas rausgenommen und die Instrumenten-Dichte entschlackt. „Ethereal Kingdom“ fasst für mich sehr gut zusammen, was BEYOND CREATION ausmacht. Und des Titelsongs Solo-Parts überzeugen mich, dass diese Band auch ohne Gesang ganz wunderbar funktionieren könnte. Ein anständiger Koloss, der mit seinen sieben Minuten ganz entspannt im Schnitt des Albums liegt. „In Adversity“ macht nun definitiv keine Gefangenen mehr. Hier ist es vorbei mit Schönheit und Verträumtheit. (Dinge, die auch ein Chirurg sagen könnte:) Geiler Bruch! Allerdings: Was ist denn mit dem Ende passiert? Nicht zu Ende gedacht? War das Tonband alle? Ich bin etwas verdattert, werde aber direkt wieder versöhnt mit einer äußerst interessanten Rhythmusspielerei in „The Inversion“.

Lecker!

“Binomial Structures” bricht dann aus den gewohnten Strukturen aus und bindet ganz vordergründig progressive, jazzige Elemente ein und erlöst mich von den endlosen Doublebass-Salven. Die Band experimentiert hier, ohne sich zu sehr auf ihren etablierten Sound zu fokussieren. Ein wenig mehr von diesem Wagemut hätte auch dem ganzen Album gut getan. Mit „The Afterlife“ endet das Album. Ein starkes Stück, das wieder zum Grundsound zurückkehrt und mich dank wirklich schöner Gitarrenarbeit durchaus befriedigt zurücklässt. Was ich nach wie vor an BEYOND CREATION schätze, ist, dass sie die proggy Atmosphären nicht zu weit in den Hintergrund stellen und dauerhaft in stumpfes Death Metal-Geschrote verfallen (welches mir ehrlicherweise ganz schnell auch auf den Keks gehen kann).

Das komplette Album kannst du dir hier geben. Alle Tourdates findest du auf der Homepage der Band. In Deutschland und dem deutschsprachigen Ausland spielen sie zu diesen Terminen:

02. Nov. Hamburg DE
03. Nov. Hannover DE
04. Nov. Berlin DE
06. Nov. Wien A
07. Nov. München DE
11. Nov. Aarau CH
25. Nov. Oberhausen DE
 
 

Autorenbewertung

7
So komplex BEYOND CREATION sich geben, könnten sie doch ihren Grundsound etwas mehr variieren. Abgesehen davon bestechen sie mit der gut verwobenen Kombination aus Aggression und Atmosphäre sowie ihrer Spielkunst. Das Zusammenspiel aller Beteiligten ist erstaunlich sowohl in ihrer Präzision als auch Melodik. Zeitweise öffnet sich die Band neuen Sounds, aber so richtig kommen sie nicht aus ihren eingefahrenen Schienen. Für mich (als zugegeben voreingenommener Fan) ist das weniger ein Problem, für andere sicher ein Grund, "Algorythm" als eher uninteressant einzustufen.
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7 / 10 Punkten

Vorteile

+ solide Komposition und präzises Spiel
+ top Sound
+ gute Fortsetzung des eingeschlagenen Stils

Nachteile

- wenig Entwicklung im Bandsound

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