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Core Classics #17 – Disembodied
Hier bekommt ihr eure wöchentliche Dosis an Metalcore-Alben mit Legenden-Status. Viele Vorurteile gegenüber dieser Musikrichtung konnten ja bereits schon ausgelöscht werden. Und genau deswegen gibt es jetzt auch diese Kolumne, denn ich kann sie schreiben und mich danach immer noch auf die Straße trauen!
DISEMBODIED – Diablerie
Veröffentlichungsdatum: Oktober/November 1997
Länge: 26:50 Min.
Label: Ferret Music
Nicht alles was nicht dem heutigen Produktionsstandard entspricht, muss sich scheiße anhören, aber für eine Vielzahl älterer Metalcore-Bands trifft das zu. Wenn man versucht Musik von RORSCHACH oder EARTH CRISIS zu genießen, ohne sich an den älteren Mix gewöhnt zu haben, wird man eine schlechte Zeit haben. Am schlimmsten ist dieses Problem jedoch bei den meiner Meinung nach rohesten und für die Ohren von heutigen Musik-Fans am grässlichsten klingenden Vertreter der früheren Metalcore-Szene: DISEMBODIED. Bei denen gilt das Prinzip: entweder dir gefallen die moshbaren Riffs oder du wirfst die Platte aufgrund der Qualitäten des Sängers in die Ecke. Der Gesang ist nämlich noch ganz nah am eigentlichen Gedanken des Metal- und Hardcores, es klingt einfach punkig und roh. Man bekommt ein MINOR THREAT mit Metal-Riffs, die einzig und allein zum Ausrasten im Moshpit geschrieben sind. So ungefähr klingt das Paket nämlich wirklich.
Viele Stilelemente, wie die vom Beatdown geklauten Breakdowns, sind hier vertreten, aber das Augenmerk wird eher auf die simplistische Gitarrenarbeit gelegt. Die Riffs, die sich durch den ganzen Song ziehen, sind von vielen Stilen beeinflusst, aber die prominentesten davon dürften doch der Sludge und der Death Metal sein. Auf „Deity“ bekommt man davon eine gute Kostprobe. Nicht umsonst galt die Band als die damals härteste Hardcore-Band. Die tiefen Gitarrentöne hämmern sich in das Gedächtnis ein und die neue Ästhetik des Hardcore in den 90ern wurde von dieser Band mitgetragen. So bezeichnet der Albumtitel viele unterschiedliche Dinge, die offensichtlich mit dem Teufel zu tun haben. Soziale und ethische Themen rücken hier in der Musik in den Hintergrund. Solche Themen, die nicht auf Unterdrückung und Ungleichheit aufmerksam machen, werden bei DISEMBODIED in den Texten behandelt. Viel düsterer und philosophischer geht man an die eigene Existenz und das Leid heran, das einen umgibt. Dafür muss nicht immer geschrien werden, dies beweist die kurzlebige Truppe. Schon im Eröffnungsstück „Anvil Chandelier“ werden einfach so Sätze ins Mikro gesagt und nicht gesungen. Das kennt man bereits aus Punk und Hardcore, wird seit den Alben von DISEMBODIED auch gern von späteren Metalcore-Kollegen praktiziert.
Can i live my life in your delusion
With hope i’ll be someone to build a mountain from nothing
To be someone – „Dead Before Birth“
So ähnlich verhält es sich auch mit den Riffs und der rohen Brutalität, die auf dem Album herrscht. Der Beatdown-Aspekt wird zum Teil heute noch gänzlich übernommen und auch das vergangene Jahr strotzte nur so vor Veröffentlichungen (CODE ORANGE, TRAP THEM), die sich viele Teile der Musik auch unverschämt aneigneten. Egal, ob sie nun komplett kopieren, oder nur durch Bruchstücke beeinflusst sind, sind mir solche Alben und EPs immer recht. Denn damit kommt frischer Wind in einer Szene auf, die zu stagnieren droht. Zu danken ist dafür auch dem Label Deathwish Inc., welches maßgeblich dazu beiträgt, dass so grungige und rohe Hardcore-Alben eine Plattform bekommen. Außerdem gehört es CONVERGE-Schreihals Jacob Bannon und ich kann keinen Beitrag schreiben, ohne diese Band zu erwähnen.
Ganz streng genommen ist es zwar nichts Neues, wenn man sich auf ein Album von 1997 bezieht, aber solange es dem Hörer gefällt darf Musik ja bekanntlich alles. Dazu gehört auch der Riff-Klau, der bei besonders simplen Riffs nicht so eindeutig ist, wie man vorerst denkt. Irgendjemand war halt immer schneller. Nach diesem Exkurs in die heutige Situation beschäftigen wir uns wieder mit diesem göttlichen Album: Das Stichwort Mix habe ich, glaube ich, genug dargelegt und will deshalb etwas auf den Sänger eingehen. Natürlich klingt er unpoliert, das machte den Punk ja auch aus. Aber trotzdem hört es sich nicht gerade so an, als würden bei seiner Technik Stimmbänder geschont. Dafür hat er eine ehrliche Art und Weise gefunden, seine Emotionen in die Musik zu bauen. Eine Kunst, die vielen modernen Metalcore-Bands durch zu viel Bearbeitung des Gesangs und Geschreis fremd ist, wird hier zelebriert.
Die Auffälligkeiten beim Schlagzeug sind hier nicht groß, es wird halt getrommelt, was man vom Hardcore auch damals schon erwartete. Dass die Beats die Lieder tragen ist hierbei nicht notwendig, da die repetitiven Riffs auch für sich genügend Struktur bieten. Da wünscht man sich ein bisschen mehr Experimentierfreude beim Mann hinter den Trommeln. Das Geschäft mit dem Teufel, also die eigentliche „Diablerie“, betreiben hier Gitarre und Bass. So ein unglaubliches Verlangen nach einem Mosh-Pit entwickelt man normalerweise nur nach 12 Stunden, die man ohne Pause auf dem Bürostuhl verbracht hat. Die positive Form dieses Wunsches wird mit den harten und kompromisslosen Klängen der Gitarren ausgelöst. Man fühlt sich schon beim Laufen eingesperrt und würde am liebsten zur Musik die nächste Fußgängerampel verprügeln. Ich bin ein ausgeglichener Mensch.
Fazit:
Diese Band lieferte zwei exzellente Alben ab, bevor sie in der Versenkung verschwanden. Bereits damals gehörten sie zu den Bands, die unverdient klein blieben, was ich bei so gutem Metalcore der Anfangsjahre nur auf das Marketing schieben kann. Ihr Einfluss wird bis heute nicht anerkannt, trotz der hörbaren Parallelen zu modernen Bands. Es ist schade, dass nur über solche Artikel die Aufmerksamkeit auf Bands gelenkt werden kann, die schon seit bald zwei Jahrzehnten leer ausgingen. Auch das zweite Studioalbum „Heretic“ und die EPs, die diese Band aufgenommen hat, sind als Klassiker der Szene einzustufen und haben viele moderne Gruppierungen erst möglich gemacht.
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