Core Classics #19 – Northlane

Hier bekommt ihr eure wöchentliche Dosis an Metalcore-Alben mit Legenden-Status. Viele Vorurteile gegenüber dieser Musikrichtung konnten ja bereits schon ausgelöscht werden. Und genau deswegen gibt es jetzt auch diese Kolumne, denn ich kann sie schreiben und mich danach immer noch auf die Straße trauen!

NORTHLANE – Discoveries
Veröffentlichungsdatum: 11.11.2011
Länge: 41:11 Min.
Label: We Are Unified

Ich greife der Geschichte heute etwas vor und erkläre dieses Album zu einem Klassiker der Zukunft! Meine überschwängliche Liebe für diese Platte lässt sich leider nicht zügeln. Genau deshalb werde ich diesen Höhepunkt der Djent-Bewegung im Metalcore als Legende abstempeln, bevor es überhaupt eine sein kann. Das Album ist nämlich noch nicht ganz so alt, aber dürfte jedem Fan von sprunghaften Gitarrenriffs und endlosem „Ge-chugge“ ein Begriff sein. Viele verurteilen diesen Teil der Szene als stumpf, aber genau diese Einfachheit kann sich so gut anhören, wie NORTHLANE immer wieder bewiesen haben.

An dieser Stelle möchte ich noch einen schönen Gruß an die Arschlöcher bestellen, die ihre Schallplatten für 500 AUD – das wären ungefähr 340 Euro zu diesem Zeitpunkt – auf einigen Marktplätzen im Internet anbieten. Diese Scheibe war nämlich sehr lange nur in einer sehr geringen Stückzahl und ohne Repress in Europa erschienen. Da freuen sich die einzigen Besitzer dieser Platte, die über einen Verkauf nachdenken und treiben die Preise in die Höhe. Zum Glück hat ihr Label aber erst vor kurzem das Album neu aufgelegt, wodurch ich endlich auf meine Kosten gekommen bin. Danke dafür und ein großes „Fickt euch!“ an die Aasgeier unter den Vinyl-Fanatikern!

Und wie hört sich das Gesamtpaket jetzt an, wenn ich schon so davon schwärme? Hauptsächlich ziemlich herzergreifend und jugendlich, ‚Kabale und Liebe‘ kann gegenüber diesem Album einpacken. Lyrisch als auch gesanglich wird es zerreißend, emotional und zum Teil sehr kitschig. Dennoch schaffte es der damalige Frontmann Adrian Fitipaldes, sich an vielen Stellen poetischer und überlegter auszudrücken, als die meisten Genre-Vetter.

Bei den sich immer wiederholenden Phrasen in vielen Liedern merkt man, wo sich hier die Hardcore-Attitüde festgefahren hat. Oft findet man diese Wiederholungen vor oder während Breakdowns, und von denen gibt es so einige auf diesem Album. Die tiefen Töne sowie die normalen Screams, die der Sänger auftischt, sind unglaublich gut und machen mich leider auch traurig. Denn im Jahr 2014 musste mein Lieblingsschreihals aufgrund von Problemen mit seiner Stimme die Band verlassen. Er hatte zwar die richtige Technik, war aber laut Spekulationen vieler Fans zu oft auf Tour und bereitete sich nicht richtig vor. Seine Abwesenheit war ein harter Schlag für die groovigen Australier. Doch erfreulicherweise kann man sich mit ihrem neuen Sänger Marcus Bridge und dem Stilwechsel auf „Node“ (2015) sehr gut anfreunden.

An druckvollen Riffs mangelt es nicht, wie schon das erste Lied eindrucksvoll zur Schau stellt. „Dispossession“ wird mit einer so einprägsamen, aber typischen Djent-Gitarre eingeläutet, wie wahrscheinlich kein Song zuvor. Und das Beste daran: der restliche Song unterstützt das und das Djent-Barometer droht zu implodieren. Harte und tiefe Tunings verleihen dem Album, zusammen mit energischem Drumming, dann den Endschliff. Am liebsten würde man sich zu jedem Lied die Seele aus dem Leib headbangen und schreien. Aber da spricht wahrscheinlich nur die jugendliche Unvernunft in mir, überzeugt euch selbst von den Qualitäten dieser jungen Giganten. Selbst bei der Liebesschnulze „Transcending Dimensions“ ertappt man sich beim Mitjaulen. Und das ist bei einem Text für Verliebte nicht ungewöhnlich.

Ich seh Sterne …

Auffällig ist, dass es sich fast immer um den Weltraum, Galaxien und Sterne dreht. Das kann durch den ständigen Gebrauch von einfallslosen Metaphern und die Wortwahl ziemlich schnell auf die Ketten gehen. Diesen Trend gab es bereits vor NORTHLANE. Progressive Metalcore- und Djent-Bands sind gern in ihren Texten den Sternen oder der Natur verbunden. Das kann cheesy klingen oder gut, die Entscheidung, was zu kitschig ist, sollte jedem selbst überlassen werden. Abgesehen von den Schwachpunkten in den Texten macht es besonders Spaß, sich zu so offensichtlich stumpfen aber kraftvollen Drum-Beats zum Affen zu machen.

Wenn man mich dann beim Luftschlagzeug-Spiel erwischen würde, könnte man den Eindruck gewinnen, ich wäre den Sternen gerade dank LSD sehr verbunden. Auch auf dem Cover prangt ein Würfel, auf dem Galaxien zu bestaunen sind. Mit einfachsten Mitteln wurde dieser nach einer Origami-Falttechnik aus einem Ausdruck eines hochauflösenden Fotos des Weltraumteleskops Hubble hergestellt. Das ist ziemlich einfach, wenn man die nötige Geschicklichkeit und Geduld mitbringt. Deswegen konnte ich es mir nicht verkneifen, selbst einen „Space“-Würfel zu basteln und bin mit dem Ergebnis recht zufrieden. Dadurch hatte meine Fangirl-Erwartung an den Postboten mit meiner Schallplatte in der Hand seinen Höhepunkt erreicht. Und nur so nebenbei: sie ist unversehrt eingetroffen, dafür danke ich den Postmitarbeitern mit guten Englisch-Kenntnissen. Bei vielen Lieferanten scheint das Wort „fragile“ nämlich nicht so viel Bedeutung zu haben.

Natürlich konnte ich mir die Neuauflage ihres 2013er Albums „Singularity“ (oben im Bild) auch nicht entgehen lassen. In der Mitte zwischen den Platten liegt der Würfel, in welchem so einige Stunden feiertäglicher Langeweile stecken. Und die Vorfreude war es wert, denn die Platte verbreitet nur gute Laune im trauten Heim.

 

Fazit:


Trotzdem hoffe ich, dass ich der Band nicht zu viel Honig um das Maul geschmiert hab. Sonst kommt noch jemand auf die Idee, die Restbestände der Neuauflagen zu kaufen und ab dann wird der Preis wieder über den letzten annehmbaren Preis von 40 Euro steigen. Scheiß Kapitalismus!

 

 


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