Deutschland, deine Festivals – #08: Hamburg

Unseren heutigen Schauplatz kenne ich vor allem als das Zuhause großartiger Musicals. Doch eins sei gesagt: Hamburg kann nicht nur „König der Löwen“! Schon Berlin konnte unter Beweis stellen, dass auch eine städtische Gegend Festivals bieten kann. Hamburg wird heute nachziehen, doch anders als unsere Bundeshauptstadt, beschränkt sich die Stadt nicht darauf, Festivals außerhalb des Sommers und in überdachten Hallen stattfinden zu lassen. Film ab!

 

Das Flaggschiff: Elbriot Festival

Das größte Festival Hamburgs ist ausgerechnet ein Ein-Tages-Festival. Und ein Open Air. Wie, mitten in der Stadt? Na klar! 2013 debütierte das größte Festival Hamburgs mit beachtlichen 14.000 Zuschauern auf dem Freigelände des Großmarkts Hamburg. In den Jahren 2014 und 2015 fanden sich ca. 10.000 Zuschauer ein, ehe man im letzten Jahr den Versuch einer Erweiterung auf zwei Tage riskierte und insgesamt 15.000 Zuschauer anlockte. Dieses Jahr schrumpft man sich offenbar wieder gesund und verkürzt das Festival erneut auf einen Samstag im August.

Die Anzahl der spielenden Bands begrenzt sich zumeist auf maximal 10 Bands (2016: 12 an zwei Tagen), von denen viele und insbesondere die Headliner große Bekanntheit genießen. Die genaue Zusammenstellung des Line-Ups variiert. Neben einem Metalcore-Anteil finden sich im Billing aber oft Bands aus den Richtungen Thrash, Death und Melodic Death Metal, vereinzelt auch Doom oder Hard Rock. Bei der letzten Auflage 2016 durften am Freitag auch Bands aus dem Power Metal ran. Mit Namen wie SLAYER, POWERWOLF, SABATON, MASTODON, TESTAMENT, STEEL PANTHER, CARCASS und ASKING ALEXANDRIA strotzt das Elbriot vor Bekanntheiten. Nachwuchsförderung wird anderswo betrieben – hier spielen nur die Großen!

Für den guten Zweck: Knightfest

Weil es beim letzten Mal so gut funktioniert hat, folgt auf das größte Festival Hamburgs nun das kleinste. Erinnert ihr euch noch daran, als ich über das Fuck Cancer Festival in Schleswig-Holstein berichtete, das dieses Jahr zum zweiten Mal stattfindet und bei der Erstauflage 3.250 € sammeln und spenden konnte? Der H.M.C. Knights of Thor, der dieses Festival an den Start brachte und welches der Hauptverantwortliche, welcher mittlerweile aus dem Club ausgeschert ist, nun selbst weiterführt, startet nun den Quasi-Nachfolger. Am 18. März 2017 findet zum ersten Mal das Benefiz-Festival Knightfest statt. Wie beim Vorläufer, gehen auch hier die Erlöse an das Kinderhospiz Sternenbrücke. 350 Leute finden Platz, um die Location zu besuchen – bereits über mehr als 200 würden sich die Veranstalter sehr freuen.

Alle auftretenden Bands verzichten für den guten Zweck auf Erstattung der Anfahrtskosten sowie auf eine Gage für den Auftritt. Die Künstler sind im Wesentlichen eher unbekannt, es handelt sich lediglich um regionale Bekanntheiten. Die Veranstalter möchten die kleinen, hilfsbereiten Bands supporten und planen alles durch – die Bands können sich aufs „Rocken“ konzentrieren. Musikalisch wird eine bunte Palette geboten, so sind Nu-Metal, Death, Extreme und Thrash Metal sowie etwas Rock und Punk im Billing zu finden. Dieses Jahr sind u.a. PASSFADER, CRITICAL MESS, ADDICTION und ASATOR mit dabei. Der Eintritt beläuft sich auf gerade einmal 10 €. Wie ich bei solchen Preisen immer sage: Geschenkt! Euer Geld fließt in ein Kinderhospiz, also habt Spaß und tut mit eurem Geld etwas Gutes. Einfacher kann man sein Gewissen sicher nicht erleichtern!

Hell Over Hammaburg Festival

Das Knightfest ist nicht das einzige Festival im März. Bereits am ersten Wochenende des Monats findet das zweitägige Hell Over Hammaburg Festival statt. Das in einer Markthalle veranstaltete Festival nahm 2013 seinen Anfang und macht dieses Jahr die Fünf voll. Dabei kreuzen ungefähr 1000 Besucher auf, um sich beschallen zu lassen.

Und womit? Mit Heavy, Black und Death Metal sowie Doom und Occult Metal. Die Veranstalter wählen dabei nur solche Bands aus, die sie sehen wollen, und nehmen quasi keine Bewerbung an. Wer beim Hell Over Hammaburg auftritt, ist zumeist nicht allzu oft live zu sehen und steht weder bei einem großen Label, noch bei einer großen Booking-Agentur unter Vertrag. Das diejährige Billing ist bereits komplett. Neben vielen weiteren, werden ebenfalls Songs von DARK FOREST, GRAVE MIASMA, VULTURE und HIGH SPIRITS durch das Gebäude hallen. Klingt eigentlich gar nicht mal so „höllisch“, oder?

„Support Your Way Of Music“: Heathen Rock Festival

Noch früher ereignet sich das Heathen Rock Festival und eröffnet damit im Februar die Festivalsaison in Hamburg. Vor wenigen Tagen, am 18. Februar 2017, fand das Festival bereits zum achten Mal statt und gehört mit seiner Gründung im Jahr 2010 zu den ältesten Festivals der Stadt. Das Festival von Fans für Fans setzt auf familiäres Flair, zieht mittlerweile aber immerhin 600 Besucher jährlich an. Jedes Jahr haben Newcomer-Bands die Chance, Live-Erfahrungen zu sammeln. Gleichzeitig konnten über die Jahre aber auch schon einige namhafte Bands gebucht werden.

Zehn Bands dürfen sich jedes Jahr auf dem eintägigen Festival beweisen. Der Mix reicht von Hardrock und Heavy Metal bis hin zum Pagan und Black Metal, sodass fast jeder etwas entdecken kann, was seinen Vorlieben entspricht – getreu dem Motto „Support Your Way Of Music“. In den vergangenen Jahren waren Acts wie CHROME DIVISION, WOLFCHANT, OBSCURITY, SUIDAKRA und MOTORJESUS dabei. Auch dieses Jahr waren wieder überregional bekannte Bands gebucht, allen voran FINSTERFORST, NITROGODS und CREMATORY. Und für diejenigen, die immer noch nicht überzeugt sind und gern auch während eines Festivals online sind: Dieses Jahr bot das Festival erstmals flächendeckendes WLAN für alle Besucher. Wie viele Veranstaltungen dieser Art können das schon von sich behaupten?

Das große Geschwisterchen: Droneburg Festival

Im Artikel zu Berlin stellte ich euch bereits das Droneberg Festival vor. Dieses ist ein Ableger des in Hamburg stattfindenden Droneburg Festivals. Während die Berlin-Edition an einem Donnerstag Mitte April stattfindet, steigt am darauffolgenden Freitag das Original in Hamburg.

Nicht nur der Veranstalter ist bei beiden Festivals derselbe. Auch das Billing beider Veranstaltungen gleicht sich in weiten Teilen. Dieses besteht aus Bands des Stoner Rock, Sludge, Drone, Doom Core, Noise, Industrial, Post Rock/Metal oder Black Metal. Sechs Bands spielen an einem Abend vor 250-500 Zuschauern. Dieses Jahr treten WHORES., TESA, AUTHOR & PUNISHER und BIG BUSINESS in beiden Städten auf. Hinzu gesellen sich ULTHA und WOE als exklusive Acts für die Hansestadt. Als cooler Start ins Wochenende ist die Veranstaltung bestimmt für den einen oder anderen geeignet.

Die „kleinen“ Metaldays: Hamburg Metal Dayz

Höre ich jemanden über „Metaldays“ sprechen, denke ich üblicherweise an DIE MetalDays mit über 10.000 Gästen in Slowenien. Diese haben den Namen aber nicht für sich allein gebucht. 2012 entstanden nämlich die Hamburg Metal Dayz, die im Rahmen des Reeperbahn Festivals stattfinden. Neben Bandkonzerten, werden dort auch Musiker-Workshops und Expertenrunden geboten – wie ich hörte, war auch ein gewisser Alexander Prinz schon als Experte dort anwesend. Das Konzept der Veranstaltung lockt Ende September immerhin 1.000 Besucher an jedem der beiden Veranstaltungstage in die Markthalle.

Auch dieses Festival setzt auf thematisch unterschiedliche Tage. Der erste Tag setzt vermehrt auf Nu-Metal und Metalcore, während der zweite Tag dem Oldschool und Heavy Metal gewidmet wird, ergänzt durch etwas Power Metal. Wegen des geteilten Fokus auf Musik und drumherum fällt die Anzahl der Bands mit knapp 15 nicht allzu hoch aus. Dafür sind durchaus sehenswerte Acts dabei, 2016 u.a. ORDEN OGAN, EQUILIBRIUM, GLORYHAMMER, RUSSKAJA, PRIMORDIAL und D-A-D. Wer nicht nur Musik hören, sondern auch einmal Vertretern aus der Szene bei Vorträgen oder Diskussionen zuhören oder an Fragerunden teilnehmen möchte, ist hier genau richtig.

Im Zeichen guter Qualität: Apes Enraged

Die Zahl kleiner Festivals ist enorm. Vielen dieser Veranstaltungen mit weit unter 1.000 Besuchern geht es vorwiegend darum, den Underground zu unterstützen und insbesondere jungen Bands eine Bühne zu geben. Nicht so das Apes Enraged. Auch diese Veranstaltung bewegt sich in Größenordnungen von knapp über 300 Besuchern. Da es bereits zahlreiche Möglichkeiten für kleine Künstler in Hamburg gibt, liegt der Fokus hier darauf, qualitativ möglichst hochwertige Bands zu bekommen und einen sauberen Sound zu gewährleisten. Das eintägige Hochsommerfestival findet Mitte Juli statt und hat sich zum Ziel gesetzt, ein familiäres Festival zu bleiben. Über 500 Besucher möchte man nicht hinauswachsen.

Dieses Jahr feiert das Festival fünfjähriges Jubiläum. Die auftretenden Bands sind I´LL BE DAMNED, ACT OF WORSHIP, CONFESSION BY SILENCE, MEISTER SCHEISZE, DUROTHAR, AYAHUASCA, NAILED TO OBSCURITY und Headliner NOTHGARD. Damit ergibt sich eine Mischung aus Melodic Death und Death Metal mit einem Hauch Viking Metal und Rock ´n´ Roll. Acht Bands, Gartenparty-Feeling bei gegrilltem Spanferkel und Bier und mit 15 € im Vorverkauf ein absolut moderater Preis. Klingt nach Urlaub!

Made by „Surface“: Unleash The Kraken Festival

Wer schon etwas länger in der Szene unterwegs ist, dürfte bereits das eine oder andere Mal beobachtet haben, dass auch Musiker selbst bei einigen Veranstaltungen in die Planung involviert sind. Das Unleash The Kraken Festival wird von der Thrash- und Death-Metal-Band Surface aus Hamburg organisiert. Die Erstauflage 2011 fand als CD-Releaseshow der Band statt. 2012 erfolgte eine Pause, ehe das Event 2013 dann zum richtigen Festival umfunktioniert wurde. In den ersten Jahren spielte die Band selbst als Headliner, ehe ab 2014 größere Bands als Hauptact auftreten durften. Wie die Entstehungsgeschichte des Festivals bereits erahnen lässt, handelt es sich auch hier um eine überschaubare Veranstaltung mit gerade einmal 200-350 Besuchern.

Da auch das Unleash The Kraken Festival als eintägiges Festival im Oktober eher den Charakter eines Konzertabends hat, besteht das kleine Billing aus lediglich fünf Bands. Neben einem etwas bekannteren Headliner, spielen die Veranstalter selbst, daneben zwei Bands „von außerhalb“ und ein lokaler Opener. Die Ausrichtung entspricht hauptsächlich auch der Ausrichtung der Band: Extreme Metal, Death Metal, Thrash Metal. Wenn es sich ergibt, können aber auch Bands auftreten, die dem nicht entsprechen. 2015 waren als Headliner die EXCREMENTORY GRINDFUCKERS anzutreffen, letztes Jahr dann DEBAUCHERY / BLOOD GOD. Daneben traten die Bands TRAGEDY OF MINE, AWAITING DOWNFALL, MENTAL ARREST und natürlich die Veranstalter SURFACE auf. Das Ende der Festivalsaison ist damit aber noch nicht gekommen, denn ein Festival findet noch später statt.

Zwischen den Feiertagen: Sankt Hell

Den ganzen Dezember über hört man gefühlt nur „Last Christmas“ hier, „O du fröhliche“ da und als Sähnehäubchen auch noch „All I Want For Christmas Is You“. Dieser Spuk endet nach dem 26. Dezember, wenn Weihnachten vorüber ist und sich alle dem neuen Jahr zuwenden. Wer die Befreiung von all dem feiern will, kann dies am 27. und 28. Dezember beim Sankt Hell tun. Das Festival debütierte am 26. und 27. Dezember 2015, wurde für das Folgejahr um einen Tag nach hinten verschoben und wird dieses Jahr ebenfalls direkt im Anschluss an Weihnachten ausgetragen. An beiden Tagen finden sich 700-900 Gäste ein, um ein letztes Mal im ausklingenden Jahr die Köpfe kreisen zu lassen.

Bei der zweiten Auflage traten an beiden Tagen je sechs Bands auf, macht in der Summe 12. Der überwiegende Großteil der Bands spielt Heavy Rock, Hardrock oder Heavy Metal, daneben hat das postweihnachtliche Event auch einen kleinen Stoner/Doom-Einschlag. ORANGE GOBLIN, TRUCKFIGHTERS, BULLET, CONAN und THE NEW ROSES waren die Hauptacts des letzten Jahres. Was dieses Jahr aufgefahren wird, ist noch nicht klar, doch fest steht: Am 27. und 28. Dezember soll das Sankt Hell in seine dritte Runde gehen!

Die Frage aller Fragen: Lohnt es sich, in Hamburg Festivalgänger zu sein?

Lohnt es sich, in der Hansestadt Hamburg Festivalgänger zu sein? Zumindest bietet die Stadt mehr Festivals, als man zunächst vielleicht erwarten würde. Insgesamt neun Veranstaltungen, verteilt über das ganze Jahr, sorgen für einen ausgewogenen Kalender. Selbst mit einigen Open Airs kann Hamburg auftrumpfen. Neben einer großen Veranstaltung mit fünfstelliger Besucherzahl, stehen mehrere mit knapp 1.000 Besuchern sowie einige Underground-Festivals an. Positiv zu erwähnen ist auch, dass mehrere zweitägige Festivals dabei sind, obgleich eine richtig lange Party über drei Tage, welche alle anderen Bundesländer vorzuweisen hatten, eindeutig fehlt.

Musikalisch wird eine große Bandbreite geboten. Moderne Richtungen wie Metalcore oder Nu-Metal finden ebenso Platz wie die traditionelleren Stile Death, Thrash oder Heavy. Auch Black Metal, Doom, Stoner und Pagan Metal wird vermehrt geboten, und selbst Hardrock-Fans kommen auf ihre Kosten. Ein bisschen dünn wird es einzig im Bereich Folk, was sich angesichts des sonst so breiten Angebots aber verschmerzen lässt.

Meine Antwort lautet deshalb: Ja, es lohnt sich, in Hamburg Festivalgänger zu sein. Es handelt sich zwar nicht um den ultimativen Standort, doch es werden weitgehend alle Möglichkeiten ausgeschöpft, die solch eine städtische Region bietet. Eintägig oder mehrtägig, klein oder groß, Sommer oder Winter: Hamburg hat stets ein Festival parat.

 

Die Kolumne geht nun in eine mehrwöchige Pause, bevor die zweite Halbzeit beginnt. Welche Festivaltipps habt ihr noch für euer Bundesland? Welches Underground-Festival sollte ich unbedingt erwähnen? Schreibt es mir in die Kommentare, ich bin dankbar für jeden Hinweis.

Nach der Pause setzen wir im Westen an, genauer gesagt: in Niedersachsen.


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