Im Pit mit Tod und Teufel – Kreator

KREATOR – Gods Of Violence
Veröffentlichungsdatum: 27.01.2017
Dauer: 51:43 Min.
Label: Nuclear Blast
Genre: Thrash Metal

The KREATOR has returned! Und er hat etwas mitgebracht: Den sehnlichst erwarteten Nachfolger zu „Phantom Antichrist“. Das gute Stück hört auf den Namen „Gods Of Violence“ und macht optisch schon mal eine Menge her – „South Of Heaven“ lässt grüßen! Aber kann man nach einem Überalbum wie „Phantom Antichrist“ überhaupt noch einmal richtig glänzen? Ja, man kann! So viel sei schon mal gesagt.

Was für ein Auftakt! Das Intro „Apocalypticon“ donnert dermaßen fett und episch daher, dass man fast mit dem Stuhl hintenüberfällt. Hier kommt etwas Großes auf uns zu, etwas Epochales! Der eigentliche Opener „World War Now“ entspricht diesen Erwartungen. KREATOR thrashen direkt mit Vollgas los und prügeln mit ihren Instrumenten alles in Grund und Boden. Mille Petrozzas Stimme trieft noch immer vor Hass und Aggression, wie kaum eine zweite im Metal. Dabei feiert der gute Mann heuer seinen 50. Geburtstag. Aber wie hat er sinngemäß letztens in einem Interview gesagt: „Altern ist Einstellungssache.“ Und KREATOR haben noch keinen Bock auf Altersheim. So gehört sich das! Einerseits offen für neue Einflüsse sein – ist das eine Querflöte im Hintergrund? –, andererseits immer noch gnadenlos brutal draufhauen. Die Soli des Gitarrenduos Petrozza/Yli-Sirniö sind dabei weiterhin frisch, inspiriert und natürlich höllisch schnell. Wie heftig kann man ein Album eigentlich eröffnen?!

DER TEUFEL IN MENSCHENGESTALT

„Satan Is Real“ ist textlich hingegen nicht gerade Milles Meisterwerk. Dafür packen KREATOR nach der  Eröffnungsmelodie direkt einen fiesen Nackenbrecher aus, dass es im Knochengebälk nur so knirscht. Klar, der Refrain ist etwas stupide. Abgesehen davon, ist das aber ganz hohe Songwriting-Kunst, die uns hier präsentiert wird. Ein paar epische Trompetenstöße verleihen dem Song den letzten Schliff. Und wie bedrohlich Mille den Text ins Mikro bellt – man könnte meinen, er spricht im Refrain von sich selbst … Aber im Grunde hat er ja recht, denn wie viele Teufel in Menschengestalt wandeln im Moment unter uns?

Mit  „Totalitarian Terror“ springt dem Hörer direkt die nächste Thrash-Bestie brüllend und kratzend ins Gesicht. Beziehungsweise jenen Menschen, die die Welt mit besagtem Terror überziehen. Alle anderen ruft Mille in einem epischen Refrain zum Zusammenhalt und Widerstand auf: „Resistance must rise when freedom has died!“ Der melodische Mittelteil lässt Erinnerungen an „All Of The Same Blood“ wachwerden. Dann geht es direkt wieder in die Vollen, bis dem Hörer im nächsten Chorus fast schon Tränen in die Augen treten.

AUF IN DIE SCHLACHT!

Nach derart hoher Intensität braucht man eine kurze Verschnaufpause. Die bieten KREATOR zur Eröffnung des Titeltracks „Gods Of Violence“ mit zarten Harfenklängen. Bis Mille „We! Shall! Kill!“ skandiert. Man hat förmlich vor Augen, wie er dabei im Flammenschein mit erhobener Faust und der „Flag Of Hate“ über einer Menschenmenge thront und sie zur Schlacht anheizt. Als die Gitarren losthrashen, stürmen auch die Massen los. Episch! Im Mittelteil darf wieder das Haupthaar geschwungen werden, bis sich zu den Gitarren-Leads sämtliche Körperbehaarung in Extase erhebt. Ein mehr als würdiges Aushängeschild des Albums!

Auch „Army Of Storms“ glänzt mit feinen Melodien, bevor die Band erneut einen höllischen Moshpit entfacht. In jenem toben sich diesmal nicht die Horden des Chaos, sondern eben die Armeen der Stürme aus. Funktioniert live sicher auch tadellos. Insgesamt balanciert die Band in dem Song wieder geschickt zwischen Melodik und Härte, keiner der beiden Pole kommt zu kurz. Der Schluss ist eindeutig auf Publikumsbeteiligung getrimmt. Man hört schon den Schrei der zigtausenden „Sturmsoldaten“ durch die prägnanten Pausen hallen. Fett!

GASTBEITRÄGE VON IN EXTREMO … 

KREATOR können scheinbar gut mit IN EXTREMO. So hat Mille für das „Sterneneisen“-Album im Song „Unsichtbar“ mitgewirkt, nun revanchieren sich die Berliner mit einem Dudelsack-Part in „Hail To The Hordes“, gespielt von Boris Pfeiffer (geht eigentlich mehr Telling Name?!). Allerdings wurde der Teil etwas zu stark in den Hintergrund gemischt, sodass man schon sehr genau hinhören muss. Der mit 4:02 Minuten kürzeste Song des Albums beginnt wiederum sehr melodisch und entwickelt sich zu einer gemütlichen Midtempo-Walze im Stile von „From Flood Into Fire“, ohne jedoch ganz an dessen übermenschliche Größe heranzureichen. Auch inhaltlich finden sich starke Parallelen, denn das Lied ist ebenfalls eine Hymne auf den Zusammenhalt in schweren Zeiten. Ganz fein, aber auch nicht herausragend.

Oha, ein Glockenspiel! KREATOR beweisen in „Lion With Eagle Wings“ wiederum Sinn für Neuerungen – bis der nächste Thrash-Orkan losbricht. Textlich bietet der Fantasy-Touch eine nette Abwechslung zu den misanthropischen Themen des Albums. Epische Melodien und ein fantastischer Refrain heben den Song auf absolutes Top-Niveau. Zum Schluss darf noch ein wenig gebangt werden – fertig ist ein gleichermaßen spannendes und erfrischendes Stück Metal!

… UND DAGOBERT

„Fallen Brothers“ ist, wie der Titel schon nahelegt, ein Stück über einen gestorbenen Menschen. Wer damit gemeint sein könnte, bleibt jedoch ungewiss. Sind ja in den letzten Jahren einige von uns gegangen … Interessant ist auch der Gastsänger bzw. –sprecher Dagobert Jäger, ein Schweizer aus Berlin, der nach eigener Aussage „Schlager mit Anspruch“ macht. Und dessen Album „Afrika“ von 2015 einen gewissen Mille Petrozza als Beteiligten ausweist. Passenderweise ist der Text von „Fallen Brother“ teilweise auf Deutsch. Für ein Trauerlied fällt der Song recht hart aus und geht straight nach vorne – thrashige Ehrensalve statt Schweigeminute. Find ich gut!

„WAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAA!!!!“ Mille präsentiert zum Beginn von „Side By Side“ einmal mehr sein prägnantes Stimmvolumen, bevor der Moshpit wieder hochkocht. In dem Song zeigen KREATOR Flagge gegen sexuelle Diskriminierung. Ein starkes Zeichen in einer Welt, die auch im 21. Jahrhundert noch immer von zu vielen Testo-Bullen und Homophoben bevölkert ist. Bitte mehr davon, besonders vonseiten der großen Bands!

FEAR IS THE PATH TO THE DARK SIDE

„Death Becomes My Light“ ist der letzte und gleichzeitig längste Track auf „Gods Of Violence“. Solch epische Schlussstücke können ein Album noch einmal veredeln, daher war meine Erwartung entsprechend hoch. Der Song beginnt recht ruhig und Mille bedient sich zunächst klaren Gesangs, bis die Band loslegt und den Song hart nach vorne kickt. Über Höhen und Tiefen brettert der Thrash-Express durch die Landschaft und weht dabei Bäume, Häuser und Kühe einfach um – bis er abrupt herunterbremst, denn die Einfahrt in den letzten Bahnhof erfolgt ganz ruhig.

Mille beschreibt im Text eine Nahtoderfahrung, die nach den Qualen des Lebens ein friedliches Jenseits in Aussicht stellt. So bekommt das Album nach all den beschriebenen Schrecken auf den letzten Metern eine versöhnliche Wende. „Please don’t be afraid!“ Nein, das ist keine religiöse Predigt. Sondern eine Ermutigung, den Tod nicht zu fürchten. Ob man nun an Wiedergeburt, Paradies oder gar nichts glaubt – das kann sich jeder zu Herzen nehmen!

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Autorenbewertung

9
Vor über zehn Jahren sind KREATOR in die vorderste Front des Thrash Metal zurückgekehrt, mit "Gods Of Violence" zünden sie nun eine weitere musikalische Bombe. Die über vierjährige Wartezeit hat sich gelohnt, denn die Scheibe ist für mich bereits jetzt ein Anwärter auf den Titel "Bestes Album 2017". Wer nach 35 Jahren im Geschäft noch eine Platte rausballert, die so ambitioniert, frisch, hart und melodisch klingt, verdient nichts weniger als den Platz auf dem Thron des Metals. Dort haben sich KREATOR nun niedergelassen. Dass sie sich auf den verdienten Lorbeeren ausruhen, ist jedoch nicht zu befürchten. Dafür passieren immer noch zu viele schlimme Dinge auf der Welt.
ø 4.5 / 5 bei 12 Benutzerbewertungen
9 / 10 Punkten

Vorteile

+ teils brutal schnell
+ viele einprägsame Melodien
+ starker Gesang
+ hier und da interessante Klangnoten
+ genau die richtige Länge

Nachteile

- "Satan Is Real" ...

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