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Im Sog der Schwere – Doom over Leipzig 2017: Tag 2
Es ist Freitag, Tag zwei des Doom Over Leipzig!
Da es im UT heute schon früher losgeht, ich allerdings erst später dort sein kann, und die Spielzeiten außerdem nicht mehr so verteilt sind wie gestern, verpasse ich den Opener des zweiten Tages: SUMA.
Die Stimmen aus dem Volk sind geteilter Meinung zu der Show der Schweden. Während die einen das angeblich überaus fette Brett sehr loben, bemängeln andere, dass sie sich zu wenig von anderen Bands unterschieden hätten. Das letzte Album „The Order Of Things“ bietet meines Empfindens nach gleichermaßen Raum für beide Aussagen: massive Musik, die das Rad allerdings nicht neu erfindet. Um die Livequalitäten beurteilen zu können, muss ich wohl auf die nächste Chance warten.
ngg_shortcode_0_placeholderDie zweite Band des Tages heißt PINKISH BLACK.
Das texanische Duo ist mit ihrem letzten Album „Bottom Of The Morning“ bereits auf Relapse Records gelandet und veranstaltet hier und heute eine ziemlich einzigartige Show. Geboten bekomme ich eine Mischung aus elektronischen Klängen, drückendem Bass und vereinzelt krummen Takten, die hemmungslos zu grooven wissen. Würde man THE ALGORITHM mit Weed und Pilzen füttern, dann könnte das Ergebnis in etwa so klingen. Dafür, dass es außer dem Schlagzeug kein „richtiges“ Instrument auf der Bühne gibt, kriecht ein ziemlich doomiger Sound durch den Saal, der mich sehr schnell begeistern kann. Die Zusammensetzung von Psychedeliceinflüssen, Dronesounds und abgefahrenen Synthesizerklängen ist so definitiv mal was Eigenes, nicht nur auf diesem Festival.
Darüber hinaus sind Schlagzeuger Jon Teague und Synthiemeister Daron Beck perfekt aufeinander eingestimmt. Ein Blick, ein Nicken reichen hier aus, um genau zu wissen, was als nächstes kommt und den Einsatz der Stücke zielgenau zu treffen.
Ein Auftritt, der zumindest mich begeistert und Lust auf mehr macht. Unbedingt nochmal anhören.
Es geht weiter mit ALARIC, die sich momentan zusammen mit PINKISH BLACK auf Tour befinden. Die Unterschiede zu den Tourkumpanen sind schnell ausgemacht: zum einen sind ALARIC zu viert unterwegs, und klingen andererseits deutlich introvertierter. Das Gesamtgemisch der Kalifornier setzt sich aus Post Punk und dunkelschwarzen 80er-Einflüssen zusammen, die durchaus gut funktionieren. Da mir die Umstellung von rosa-schwarz zu schwarz-schwarz allerdings nicht so leicht fällt, dauert es eine Weile, bis ich mich in den Sound von ALARIC einfinde, der den Saal anständig mit Publikum füllt. Während vor allem Sänger Shane Baker eine Performance darbietet, deren Emotionalität man ihm durchweg abnimmt, werden über die Dauer der gesamten Show Bilder auf die Wand hinter den Musikern projiziert, was die Stimmung zusätzlich unterstützt. Hier und da muss ich an BEASTMILK denken, während es mir doch bis zuletzt schwer fällt, mich gänzlich in ALARICs Musik fallen zu lassen.
ngg_shortcode_2_placeholderEs folgt ein noch krasserer Bruch, als zwischen den beiden Bands, die ich heute bereits gesehen habe. Die New Yorker von UNEARTHLY TRANCE sind angerückt, um in eine gänzlich andere Richtung zu stürmen. So spielt das Trio sludgigen Doom, der zwar dreckig-drückend ist, aber kaum etwas bietet, was im Ohr bleibt. Unearthly? Ja! Trance? Nein! Denn wirklich abgeholt werde ich hier nicht, obwohl einige Passagen durchaus zum Mitnicken einladen. Doch besonders da sich die Bass- und Gitarrenlinien nur in Ausnahmefällen klar voneinander unterscheiden, stellt sich mir das Gesamtpaket auf Dauer als ziemlich höhepunktsarm dar. Zeit für mich, um mal etwas frische Luft zu schnappen. Geschmäcker sind schließlich verschieden.
ngg_shortcode_3_placeholderWas OXBOW im Anschluss liefern, bewegt sich irgendwo in der Schnittmenge von Spoken Word Performances, Jazz, Noise, Rock, TOM WAITS artigen Geschichten und einer Stripshow. Denn Sänger und Frontsau Eugene Robinson kommt zunächst in einem Outfit auf die Bühne, das ihn wie einen Dorfprediger erscheinen lässt, nur um sich Song für Song immer weiteren seiner Kleidungsstücke zu entledigen. Die Musik, die dabei geboten wird, ist genauso schwer verdaulich, wie vereinnahmend. Obwohl mir kaum etwas im Ohr bleibt und man eigentlich weder mitsingen, noch mitnicken kann, wirkt der Auftritt auf mich extrem kurzweilig – ohne, dass ich hinterher richtig begreifen kann, was mich da eigentlich getroffen hat. Da OXBOW bereits mehr als 20 Jahre auf dem Buckel haben, ist der Saal auch brechend voll, auch wenn es offenbar auch noch anderen Leuten so geht wie mir, und sie nicht so ganz verstehen, was hier abgeht. Ich schätze, ich muss das demnächst mal bei meinem Therapeuten ansprechen und das Ganze langsam verdauen, denn ein Erstkontakt dieser Art ähnelt nem Rendezvous mit einem Schnellzug und lässt in den analytischen Gesprächen danach, aufgrund der Komplexität, die Kreation „Schach Metal“ entstehen.
ngg_shortcode_4_placeholderIch will ja nicht gegen UNEARTHLY TRANCE wettern, aber SUMAC kreieren zu dritt einen deutlich packenderen Sound.
Aber wen wunderts? Schließlich beackert hier Aaron Turner, der mit ISIS ein ganzes Genre beeinflusst und mit seinem Label Hydra Head experimenteller Musik eine Plattform gegeben hat, die Gitarre und den Gesang.
Und ich muss sagen, dass die Wucht und Finsternis, in die SUMAC das Doom Over Leipzig im Verlauf ihrer fast einstündigen Spielzeit stürzen ungeheuer intensiv und packend ist. Dafür ist nicht nur Turners Bühnenpräsenz verantwortlich, sondern auch die musikalische Breite, die hier mit nur drei Instrumenten aufgefahren wird! Wie immer wieder alle drei Bandmitglieder gegeneinander arbeiten, nur um dann wieder zueinander zu finden, ist spektakulär! Sowohl Songs von „What One Becomes“ als auch „The Deal“ werden durch den Saal gefeuert, bis der Auftritt kurz nach halb 1 endet und Aaron Turner allen Anwesenden empfiehlt, sich die wenig später spielenden GROUPER noch anzusehen und sich etwas von der Liebe anzunehmen, von der jene Musik handelt. Eine Ansage wie ein Hammerschlag, nach einem Set, das keinen Stein auf dem anderen gelassen hat.
Ein eigenwilliger Ausklang…im Gotteshaus
Nicht wenige leisten dem Rat Folge und finden sich wenig später in der nahe gelegenen Paul-Gerhardt-Kirche ein, um sich GROUPER anzusehen. Richtig gelesen, denn das Ambient-Projekt von Liz Harris tritt in einem Sakralbau auf. Wobei Auftritt wahrscheinlich nicht ganz das richtige Wort ist. Denn es gibt nicht wirklich eine Bühne. Im vorderen Teil wurde lediglich eine Leinwand aufgebaut, auf die Landschaftsaufnahmen projiziert werden, während die Musik von GROUPER von irgendwo her kommt. Veranstaltungen wie diese lösen bei mir immer einen bitteren Beigeschmack aus, und wecken paranoide Panik.
Musik, wie die von GROUPER ist unfassbar fragil, genauso wie die Atmosphäre, die sie erzeugen möchte. Jedes Klirren einer Bierflasche, jedes Lachen, jedes Gespräch, jedes fremde Geräusch arbeitet hier gegen die Musik und hindert diese daran, sich voll zu entfalten. Ein zusätzliches Problem ist, dass die Musik selbst nicht laut genug ist, als dass sie solchen Geräuschen entgegentreten, oder sie gar übertönen könnte. Irgendwann wird diese mangelnde Lautstärke für mich so anstrengend, dass es mir fast körperliche Schmerzen in den Ohren bereitet. Ich weiß nicht, ob es anderen Zuschauern so geht wie mir, oder ob die vermittelte Schwermut zu deprimierend für den Feierabend ist. Jedenfalls verlassen zunehmend mehr Leute die Kirche, während andere in der kompletten Dunkelheit der Kirche entschlummern. Nach knapp 40 Minuten endet die Projektion und startet von Neuem, was bei mir zusätzlich für Ernüchterung sorgt, da das leider offenbart, dass es zwischen Musik und Bild keinerlei konzeptionellen Zusammenhang gibt, auch wenn das vermutlich jammern auf hohem Niveau ist. Zu der Musik des Resttages passen GROUPER kaum, ins Konzept des Doom Over Leipzig aber durchaus. Da mich der Auftritt aber aus mehreren Gründen nicht komplett packt, plätschert die Musik relativ belanglos vor sich her und entlässt mich mit einem komischen Gefühl in die Nacht.
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