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Kultur ist kein Hobby, verdammt!
Immer wieder liest man in Facebook-Kommentaren davon, dass Musiker und Bands jedweder Größenordnung doch gefälligst zusehen sollen, ihre Kohle durch ehrliche Arbeit selbst zu verdienen, statt die Fans zur Kasse zu bitten. Ist ja schließlich deren Hobby, und andere Leute bezahlen das auch aus eigener Tasche. Da geht eine Crowdfunding-Kampagne ja mal überhaupt nicht, und wehe, das neue Album kostet über zehn Öcken! Ja, ich weiß: Facebook-Kommentare sind die beste Referenz, immerhin tummeln sich dort nur Experten in allen Belangen des Lebens (manche haben sogar Medizin studiert, diese Gesellen nennen sich dann Impfgegner). Nachdem der Parabel-Knecht (Grüße an den Chef!) das Thema in einem seiner aktuellen Videos schon von einer anderen Seite beleuchtet hat, gibt es hier mehr vom gleichen, nur anders.
Nun muss man fairerweise sagen, dass diese Äußerung manchmal auch in einem Kontext fällt, wo die ihr innewohnende Missbilligung verständlich ist. Ich könnte jetzt mit dem Finger auf WINTERSUN zeigen … ach was, ich tue es einfach. Die Kollegen aus Finnland versuchen derzeit, astronomische Summen im Austausch für ein durchaus ansehnliches, allerdings auch rein digitales Paket aus den eigenen Fans zu pressen. Wozu? Damit ein eigenes Studio eingerichtet werden kann. Knapp 750.000 Euro sind das große Ziel, fürwahr ein Batzen Geld.
In den meisten Studios könnten sie sich dafür über mehrere Jahre einmieten. Auch gute Studios bieten oft Tagessätze von unter 500 Euro an, ohne dabei den Hab-Mich-Lieb-Modus auffahren zu müssen. Das wären über 1500 Tage betreutes Wohnen. Noch dazu würde dieses wohl produktiver ausfallen, als man es von den genannten Finnen in der Vergangenheit gewohnt ist. Was die Band dann dreist als Notwendigkeit darstellt – schließlich ist es unabdingbar, dass Mastermind Jari Mäenpää morgens in der Unterbuxe mixen kann (wird so in einem der zahlreichen Videos nahegelegt) –, ist purer Luxus. Ja, angesichts solcher Forderungen kann einem nach einem harten Arbeitstag schon einmal der Kragen platzen. Aber auch hier sollte zwischen dem Extrembeispiel und der kreativen Zunft im Allgemeinen unterschieden werden.
Musik kann durchaus ein reines Hobby sein: Alle paar Monate mal ein Konzert, allein für den Spaß an der Sache, noch dazu in größeren Abständen eine selbst finanzierte CD für die Fangemeinschaft. Die meisten dieser Bands haben eine gesunde Selbsteinschätzung und wissen, worauf sie sich einlassen. Da wird eher investiert als verdient, allerdings in Hobby-Maßen. Allerdings finden sich die angesprochenen Facebook-Kommentare dort vor, wo es um größere Beträge geht, und das ist im seltensten Fall die örtliche Feierabend-Band.
Immer noch ein Hobby?
Wir reden hier von tourenden Bands, die tausende Stunden aufwenden, um Touren zu organisieren und um bei ihren Veröffentlichungen einen hohen Standard zu halten. Allcaps sei mir verziehen: DAS KOSTET! Ja, das kostet Unmengen an Zeit und Geld. Zwischen Booking, Promo, Live-Gigs, Songwriting, Terminen, Management, Proben, Recording und dem Rest des Rattenschwanzes (hört sich nicht mehr so nach Hobby an, nech?), bleibt da nicht mehr viel Freiraum für eine geregelte Arbeit. Hartgesottene fahren beide Schienen parallel und pfeifen auf ein Privatleben, gut Organisierte können vielleicht zwischendurch ihren Tagelohn einfahren. Und ein paar Glückliche schaffen es auch einfach so, durch die regulären Gagen und Verkäufe eben.
Und dann kommt es doch unverhofft: Der Tourbus ist kaputt, das Equipment wird geklaut, oder ein kleiner Durchhänger beim neuen Album lässt die schwarzen Zahlen dahinschwinden. Die Nachfrage, dass der Künstler bitte weiterhin auf hohem Niveau agieren möge, bleibt bestehen, lässt sich aber gerade im Bereich der harten Musik nicht ohne Weiteres decken. Klar muss in diesen Fällen hin und wieder ein neues Modell her, und da heißt es dann offen und ehrlich: „Liebe Fans, ihr habt die Wahl! Dies sind unsere Umstände, und wer uns weiterhin auf dem momentanen Level agieren sehen will, soll uns bitte unterstützen. Falls das für euch nicht passt, können wir auch nichts ändern, denn für uns passt es dann leider auch nicht.“
Modelleisenbahn vs. Unterhaltung
Der Knackpunkt wurde oben genannt: Als Konsument hat man die Wahl! Man muss nicht mithelfen, braucht sich dann aber auch nicht zu wundern, wenn eine Band eben das macht, was angeprangert wird, nämlich ihre Aktivität vom Profi- wieder aufs Hobby-Maß zurückschraubt. Das ist dann auch wieder einigen nicht gut genug, immerhin will man ja Alben und Konzerte haben. Aber sehen wir es einmal so: Wenn eine Kapelle auf professionellem Niveau agiert, ist das nichts anderes als eine Gehaltsverhandlung, so wie man sie vom Job her kennt. Und da kommt dann das altbekannte Stigma der Kunst und Kultur ins Spiel, denn diesen Bereichen wird gerne das Hobby-Dasein aufgedrückt. Mit der Modelleisenbahn spielen vs. Unterhaltung für tausende Menschen produzieren.
Nur weil kreatives Arbeiten den meisten professionellen Künstlern Freude bereitet, darf die Anstrengung dahinter nicht entwertet werden. Immerhin rühmen wir uns doch alle gerne damit, Kunst und Kultur zugeneigt zu sein, warum begegnen wir den Schaffenden in diesen Bereichen dann so oft mit unseren Ellenbogen? Warum darf man als Künstler nicht sagen: „Ich arbeite nur dann zehn Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, an meiner Musik, wenn ich dadurch auch meine Miete bezahlen kann“, ohne verpöhnt zu werden? Alles gutheißen muss man wirklich nicht (noch einmal Grüße an WINTERSUN), und als Fan bzw. Kunde ist man bis zu einem bestimmten Punkt auch König. Um einen Vergleich heranzuziehen: Die Verfasser oben angesprochener Facebook-Kommentare sind das Äquivalent zu dieser einen Sorte Kunde, die immer gleich lauthals nach dem Manager verlangt, wenn der Mensch in der Filiale nicht so springt, wie man es gerne hätte. Bei dieser Sorte Kunde platzt einem auch gerne einmal der Kragen, und dann … nun, in diesem Fall schreibt man wohl einen Artikel drüber.
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