Metal und Religion – Gedanken zu einer unklaren Koexistenz

Religiöse Themen, Namen, Figuren, Geschichte, Symbole und Gegensätze sind quasi seit jeher ein Themenbereich im Metal. Vermutlich schon genauso lange ist diese Beziehung Topic von Dokumentationen, Kolumnen, Gerichtsverfahren und auch Songtexten.

Ich selbst stehe der Religion eher distanziert und kritisch gegenüber, dem Metal zumindest kritisch. Ich empfinde allerdings kein Verlangen, mich deswegen schlecht zu fühlen oder gar dafür zu entschuldigen.

Was ich aber sehe, in den Inhalten vieler Bands und in Gesprächen mit Metalfans auf Festivals, im Umfeld von Konzerten und in sonstigen Gegebenheiten, dass sie Religion generell ebenfalls eher kritisch begegnen. Das Konzept, Verantwortung für quasi alles und den Verlauf von Gegebenheiten an eine nicht sichtbare Identität abzutreten, erschließt sich vielen nicht. Die Devise, schlicht und ergreifend so zu handeln, dass man sich jederzeit selbst für sein Handeln verantwortlich zeichnen kann – und den Menschen um sich herum so zu begegnen, wie man es sich selbst gerne wünscht – erscheint dem Gros der Metaller als sinnvoller. Ich fand es daher auch wenig überraschend, aus dem Munde der Veranstalter eines größeren deutschen Metalfestivals zu hören, dass Metaller als beliebteste Besucher einer Großveranstaltung gelten, eben wegen ihrer Friedfertigkeit.

Es muss also etwas an der Religion sein, was sie zu einem solch ständigen Begleiter dieser Musik macht. Ist es einfach nur der Wille zur Aufklärung, eine Auflehnung gegen diese Institution und den damit verbundenen Griff in die Köpfe der Leute? Sind Metaller trotz ihrer Aufgeklärtheit doch „anfällig“ für dererlei Geschichten?

Wieso reicht Ethik anscheinend nicht aus?

Mir stellt sich zumindest ernsthaft die Frage, weshalb bei jemandem, der sich gegen das Themengebiet Religion richtet, trotzdem immer wieder doch Anleihen davon auftauchen. Ich für meinen Teil halte es weitestgehend aus meinem Leben heraus. Das geht. Es tut nicht weh. Ich vermisse auch nichts. Ich renne auch nicht herum und belabere jeden damit, dass Religion in meinem Leben keine Rolle spielt. Und: ich schreibe diese Kolumne nur, weil ich Metalfan bin und erstaunlicherweise gerade da hauptsächlich immer wieder mit Elementen davon konfrontiert werde. Und das, obwohl ich in Köln studiere.

Was an dieser Stelle wohl sinnvoll und wichtig wäre, mal nach Definitionen von „Religion“ zu suchen. Wikipedia (ja, dass ist keine wissenschafliche Quelle) nennt es als „Sammelbegriff für eine Vielzahl unterschiedlicher Weltanschauungen, deren Grundlage der jeweilige Glaube an bestimmte transzendente Kräfte und damit verbundene heilige Objekte sind“, der Duden versteht sie als „gläubig verehrende Anerkennung einer alles Sein bestimmenden göttlichen Macht“. Damit haben wir zwar „Weltanschauungen“, aber auch „transzendente Kräfte“, „heilige Objekte“ und „alles Sein bestimmende göttliche Macht“. Für mich schimmert dort leider einfach immer auch ein gewisses Maß an Unterwerfung durch. Klar, Selbstzweifel sind gut, aber mit solch etwas hat man meinem Empfinden nach oft noch eine Ausrede und Entschuldigung, sich aus der Affäre ziehen zu können.

Wenn ich mich mit anderen Leuten darüber unterhalte, verstehen sie meine Haltung oft. Eine Antwort, weshalb die Situation so ist, wie sie ist, ist jedoch wohl nur schwer zu finden. Möglicherweise ist Religion bereits ein zu fester Bestandteil dieser Musik geworden. Ganz klar wäre sie um einige Bands, Songs und Geschehnisse in ihrem Zusammenhang ärmer, hätte man dieses Gebiet wirklich da rausgehalten.

Versteht mich nicht falsch. Wenn irgendwo Unrecht geschieht, soll man das auch ansprechen. Egal ob in Politik, Religion, Umwelt, oder, oder. Manche Bands tun ja genau dies. Und so stellt bei ihnen die Religion, bzw. Personen oder Aktionen dieser, dein Stein des Anstoßes dar. Kein Problem. Rock und Metal bedeuten für mich auch gerade das: ein Medium zu sein, um Kritik zu üben und aufzubegehren. Mit Musik erreicht man immer Leute. Und dies ist für mich, wenn ich so darüber nachdenke, auch die einzige Legitimation, die Religion mit in diese Musik einzubinden. Wieso? Weil ich mir diese Musik auch gut und gerne ohne sie vorstellen kann. Dass ihre Mitglieder es können, merke ich jedes Mal, wenn ich mit ihnen zu tun habe. In Teilen.

Umgedrehte Kreuze, Pentagramme, Thorshammer und Co. wird man dort wohl immer finden. Ich selbst trage nichts davon. Dennoch. Einschlägige Magazine und Szene affine Shops nutzen wichtige Termine im christlichen Jahreszyklus für Gewinnspiele und finanziell reizvolle Angebote. Festivalveranstalter hauen in der Weihnachtszeit neue Bandbestätigungen raus. Es ist ein Rattenschwanz. Mir kommen da nur lauter Fragen in verschiedene Richtungen.

Die Frage, welche sich aus dem Spruch „Metal is my religion“ bezüglich jeglicher Seriösität stellt, kann ich für mich nur so beantworten, dass es sich dabei nur um Ironie handeln kann. Klar, Bands werden verehrt, und man kommt da schnell zu der Frage des Personenkultes, welchen man ja auch bei Religionen findet. Aber Bands spielen nun mal hier in unserer Welt, man kann sie live sehen und im Glücksfall sogar treffen, anfassen und mit ihnen reden. Ein Metall-Gott, der irgendwo rumgeistert und das Geschehen innerhalb der Szene regelt, ist mir nicht bekannt. Wenn, dann bekommen Küsntler aus der Szene vergleichbare Titel verliehen. Und da wären wir nun. Die Szene ist aus der Gesellschaft heraus entstanden und entwickelt sich auch dort heraus weiter. Es mag sein, dass Instrumente o.ä. auf ein gewisses Level gehoben werden (wie verschiedene Gitarren von Eric Clapton beispielsweise, während derer Verwendung bedeutende Songs entstanden), und es gibt Pilgerstätten wie beispielsweise namenhafte Festivals. Aber macht das alles Metal zu einer Religion? Transzendenzen gibt es da nicht. Aber vielleicht empfinde ich das auch nur nicht so, dass die genannten Definitionen ernsthaft so darauf angewendet werden können.

Ich habe mich in der Szene immer wohl gefühlt, gewusst und gespürt, dass dies die Menschen sind, zu denen ich gehöre. Sie und die Musik dazu.

Möglicherweise liegt es einfach daran, dass Religion ihren Platz in der Geschichte unserer Gesellschaft und unseres Kontinents hat. So etwas ist schwer auszublenden, das ist mir bewusst. Trotzdem verwirrt es mich immer wieder und lässt mich auch teilweise an den Menschen zweifeln. Wie ernst kann ich sie wirklich nehmen? Ich erwarte nicht, eine Antwort finden zu können. Dafür ist Religion nicht da. Alles, was ich, und eigentlich jeder, der sich damit beschäftigt und dem etwas daran liegt, tun kann, ist, bei sich selbst anfangen und sich seinen Umgang etc. selbst zu gestalten.

Sonst tut es nämlich immer jemand anderes.


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