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Pete Steele – das verkannte Genie
Ein Buch* und zahlreiche (und weitaus bessere als diese) Abhandlungen über Petrus Thomas Ratajczyk, aka Peter Steele, gibt es schon. Was soll das dann hier? Nun, dies ist mein kleiner persönlicher Altar für einen der genialsten und mißverstandensten Musiker, Songschreiber und Texter, welcher viel zu früh das Zeitliche segnen musste, oder wollte. Ich möchte hier nicht die komplette Diskografie runterleiern, oder euch gar mit biografischen Fakten langweilen. Eigentlich möchte ich hier nur einem Menschen huldigen, der in seiner Ehrlichkeit, Offenheit und mit seinem außerordentlichen musikalischen Talent der Welt einfach nur fehlt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Ich bin Steele. Ich schrieb Songs wie „Unsuccessfully Coping With The Natural Beauty Of Infidelity (I know you fucking someone else)“ und „Male Surpremacy“. Für viele war ich ein gewaltverherrlichender Frauenhasser.
Ein Frauenhasser war Steele bestimmt nicht. Im Gegenteil! Vielmehr nahm ihn wohl die Erkenntnis mit, dass es für ihn in diesem, seinem, Kosmos keine seelenverwandte Partnerin gab. Steele war verheiratet und wieder geschieden. Sein Frauenverschleiß war abnorm hoch und irgendwann lernte er wohl auch „die Eine“ kennen, die ihm das Herz aus dem Leib riss und achtlos in den Müll warf. Seelische Einsamkeit als kreativer Input? Definitiv!
Ich bin Steele. Ich schrieb Songs wie „Wolf Moon“ und „September Sun“. Für viele war ich ein düsterer Romantiker.
Mit Sicherheit war er das! Wer selbst Songs schreibt, weiß, dass man die besten Ideen und Eingebungen für diese Art von Musik nicht am sommerlichen Frühstückstisch mit einer liebenden Frau, den beiden wohlerzogenen, blondgezopften Töchtern und dem aufmerkenden Golden Retriever an der Seite hat. Steele liebte Katzen, die Kellerwohnung im Haus seiner Eltern, den hellen Mond über Brooklyn. Und Frauen. Mit all ihren zerstörerischen und gleichsam heilenden Verheißungen.
Ich bin Steele. Ich schrieb Songs wie „I Dont Wanne Be Me“ und „Life Is Killing Me“. Für viele war ich ein depressiver, alkoholsüchtiger Kokain-Crack.
Ja, auch das war er. Allerdings nicht, um diesem unsäglichen Rockstar-Leben (welches er nie wollte) zu entfliehen, sondern weil manisch-depressive Menschen ihren Selbsthass auch zuweilen bis zur Selbstzerstörung ausleben. Manche allerdings mit einem süffisanten Sarkasmus, der seinesgleichen sucht.
Ich bin Steele. Ich ließ mich mit steifem Schwanz für die Playgirl ablichten. Für viele war ich ein schwuler Rockstar.
[Nein, Pimmelpics gibts hier nicht. Wir haben schon Jesus, Hitler und Titten, das muss als Clickbait reichen!]
Ok, dass diese Promo-Idee im wahrsten Sinne des Wortes nach hinten losging, ist hinlänglich bekannt. Ja, ich musste auch schmunzeln, als diese Posse damals öffentlich wurde. Steele lies sich überreden, für die Playgirl (dem „weiblichen“ Ableger des Playboy) nackt zu posieren, was aber weniger die weiblichen Leserinnen interessierte, dafür aber umso mehr die Schwulenszene, welche ihm dann auch ziemlich auf die Pelle rückte. Steele fand das verständlicherweise überhaupt nicht lustig und hatte danach zeitlebens mit zu kämpfen.
Ich bin Steele. Ich schrieb Songs wie „Public Assistence“ (für AGNOSTIC FRONT), „Der Untermensch“ und „Jesus Hitler“. Für viele war ich ein unverbesserlicher Nazi.
Der wohl gravierendste Vorwurf, dem sich Steele – vor allem in Europa – stellen musste, war der, ein Nazi zu sein. Dieses Phänomen zieht sich auch heute noch durch alle gesellschaftlichen Belange, wenn man sich öffentlich-kritisch mit diesen auseinandersetzt. Steele, der Arbeitersohn eines polnisch-stämmigen Vaters, schrieb und schrie sich seinen Frust über die sozialen Umstände in den USA der 1980/90er sehr deutlich von der Seele, was nicht immer auf Gegenliebe stieß. Nach der eher „unschön“ verlaufenen Europa-Tour zu „Slow, Deep & Hard“ und einiger missglückter Interviews, entschieden sich Steele und Keyboarder Josh Silver, die Fakten doch direkt zu verdrehen, damit die Presse ihrerseits diese wieder grade rückt. Naja, ging auch schief. Mit dem Nazi-Vorwurf konfrontiert, meinte Silver trocken: „Ich bin Jude! Soll ich jetzt hingehen, und mich selbst töten?“
“ ‚cause when you trust someone, illusion has begun.“ [„Anesthesia“]
Petrus Thomas Ratajczyk hatte einen sehr süffisanten und tiefgründigen Humor, den die wenigsten seiner Zeitgenossen auch verstanden, bis heute. Nein! Die sich noch nicht mal die Mühe machten, ihn zu verstehen! Auch die saubere deutsche Metal-Journaille von damals setzte diesem „Nazi-Scheiß“ die Index-Krone auf und entschuldigte sich viele, viele Jahre später eher halbherzig dafür, dass sie die Texte nicht so richtig verstanden und, ähm, ja, sorry halt. Steele sah Musik als Therapie und sinnvolle Methode zur Selbstheilung an. Gleichsam als Ventil und Realitätsbewältigung, verpackte er dies in sehr klugen und teilweise recht sperrigen Kompositionen, die in ihrer Einzigartigkeit unerreicht waren, und sind. War Steele auf der Bühne der Hüne mit dem Kettenbass, so war er privat der Junge aus Brooklyn, der sich nicht zu Schade war, seinen Nachbarn die Umzugskartons zu schleppen oder den Garten umzugraben.
Ich hatte leider nie die Ehre, den 2-Meter-Lulatsch persönlich zu treffen. Seine Statements aber, und vor allem seine unvergleichliche Musik, gehören zu den, meinen, Felsen in der Brandung gegen Idiotie, Ignoranz und Impertinenz. Gibts da noch mehr Parallelen? Wer weiß …
„Are a thousand tears worth a single smile? When you give an inch, will they take a mile?“ [„Anesthesia“]
R.I.P. Pete
* Das Buch „Soul on Fire“ könnt (konntet) ihr HIER via Nuclear Blast bestellen!
All pics are property of the Family Ratajczyk! Special Thanks to Az Quotes, callofduty.ingame.de and twenemo.files.wordpress.com
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