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SLIME – keine Angst vor alten Punks!!
SLIME – „Wem gehört die Angst“
Veröffentlichungsdatum: 13.03.2020
Länge: 0:40:53
Label: Arising Empires
Genre: Deutscher Punk
Es ist mitten in der Nacht, und endlich widme ich mich nach 3 Wochen HomeOffice dem liegen gebliebenen Herzenswunsch-Review. Denn es gibt nichts anderes als das neue Album einer meiner Alltime-Favorite-Bands auf die Ohren. Und SLIME legen hier nicht nur das dritte Album seit der Re-Union vor, sondern auch noch das Werk zum 40-jährigen Band-Jubiläum!
Und so verzögerte sich der Review schon mal deswegen, weil ich mir dieses Machwerk nicht aus dem Internet, sondern unbedingt zwingend von der wunderschön gewordenen giftgrünen Platte anhören wollte. Der Rest der Verzögerung ist dem HomeOffice mit Baby geschuldet. Aber der Review musste kommen, und so gilt: Besser spät als nie!
Ganz neue Töne
Die Gestaltung des Covers ist für SLIME-Verhältnisse schon mal ungewohnt künstlerisch, denn gerade die alten Werke bestechen durch simples aber einprägsames Artwork. Und auch der erste Titel und Namensgeber des Albums „Wem gehört die Angst“ kommt sehr ungewohnt daher. Für meine Ohren klingt es schon ein wenig Post-Punk, recht melodisch und ohne wirkliche Ecken und Kanten. Selbst Sänger Dirks Stimme wirkt hier ungewohnt zart, was nun gar nicht seine Art ist.
„Paradies“ als zweiter Titel ist auch kein kraftvoll-rotziger Punk. Dafür schwelgt er aber dafür sehr nostalgisch in alten Erinnerungen an Anti-AKW-Proteste, die damals rückblickend gesehen wohl so etwas wie das Woodstock der deutschen Punk-Bewegung waren. Dort gab es nicht nur handfeste Auseinandersetzungen im großen Stil, sondern auch viele viele Konzerte, bei denen unterschiedlichste Künstler ihre Bekanntheit vergrößern konnten. Und durch den Refrain ist das Lied auch eine Hommage an Rio Reiser.
„Wir gehen zusammen durch die Hölle, und die Hölle das sind wir“
Mit diesem klasse Refrain wird man Live sicher noch viel Spaß haben, denn dieser hat das Potential noch minutenlang vom Publikum gesungen zu werden. Der Track ist flotter als seine beiden Vorgänger, und gefällt durch, für Punk schon durchaus kunstvolle, Einlagen wie Tempo- und Rhythmuswechsel. „Die Suchenden“ besticht wiederum absolut durch seinen Text, der über einer Reggae-Melodie perfekt zur Geltung kommt, gekrönt von einem rockigen Refrain.
Mit „Wenn wir wollen“ folgt ein klarer Aufruf zu mehr Klimabewusstsein, und dazu den Arsch hochzukriegen. Und auch textlich wird es hier ein wenig SLIME-gewohnter revolutionär, denn „wenn wir wollen, zünden wir die Lunte an“. Da frohlockt mein Punk-Herz, denn ja, ich will es auch Jungs! Der Titel läuft bei mir direkt 2-3 Mal, den auch wenn die Musik nicht mehr so rau ist wie in den 80er Jahren, kommt hier doch schön einfacher und eingängiger Punk um die Ecke!
Viva Punk!
Und auch klanglich wird es nun schneller und härter. Und „Ebbe und Flut“ würde ich schon ein wenig autobiographisch auf Sänger Dirks Leben sehen, in dem es wirklich viele Höhen und vorallem aber auch harte Tiefen bis zur Existenznot gab. Bis heute finde ich es absolut paradox, das SLIME so ziemlich als erste Band das Totschlagargument im Punk, nämlich „Kommerz“ vorgehalten bekam. Und das obwohl die Band weit entfernt davon war reich mit Ihrer Musik zu werden. Der Makel blieb, und sorgte auch intern in den damaligen Zeiten für viele Spannungen.
Diese sind aber glücklicherweise überwunden, denn mit der Re-Union 2010 erfüllte sich für mich der Jugendtraum die Band einmal live zu sehen, und die jetztigen neuen Alben machen mir auch richtig Spaß. Auch dieses hier gefällt mir bereits sehr, und die erste Seite der Platte hat es mir besonders deswegen angetan, weil einerseits eine gewisse Reife der Band vorhanden ist, ohne das es altbacken oder langweilig wirkt. Andererseits steigern sich die Lieder vom ersten immer weiter und das Album baut sich dadurch auf.
Die zweite Seite der Medaille
„Die Toten…“ legt den Finger wieder auf einige Gesellschaftskritische Themen, und ist dabei stellenweise bitterböse. Aber genau diese Art und die klare Kante gegen Rechts zeichnen SLIME schon immer aus. Und genau das macht es für mich auch so wichtig, dass diese Band auch heute noch aktiv ist und auf der Bühne steht! Musikalisch ist der Titel eher ruhig und eher Rock als Punk, aber keineswegs langweilig. Und genau in diese Kerbe schlägt auch „weisser Abschaum“ und das folgende „Die Masse“, welche meine Lieblinge vom Album sein dürften! Es sind für mich einfach DIE Lieder über den deutschen Wutbürger! „Denn die Masse hat keine Klasse – und die Masse läuft hinter jedem Idioten her“! Großartig!! An vielen Stellen provokanter Text trifft auf viel Wahrheit und dann bei „die Masse“ eben auch auf punkige Klänge.
„Die fetten Jahre sind schon lange vorbei“
Jetzt, in der Corona-Krise passt dieser Refrain und auch die ein oder andere Textzeile: „Wenn die Regale wieder so leer sind wie die Herzen“. Da denkt man direkt an das Klopapierregal jedes heimischen Discounters und auch hier setzt sich die zweite Seite der Platte absolut passend fort. Denn es geht gegen den ganzen Überfluss, gegen Verschwendung, gegen die „Fetten Jahre“ die wir in der westlichen Welt noch immer intensiv ausleben. Dabei wird es auch hier wieder flotter und rauer. Es ist für mich zu spüren, das hinter den heute deutlich geschliffeneren Texten immer noch die gleiche Abneigung, Systemkritik und Aggression steckt die schon die alten Lieder zu Klassikern hat werden lassen.
„Kein Mensch“ (ist illegal) richtet sich dann gegen die in Europa herrschende Flüchtlingspolitik und kehrt den Spieß um. „weg mit den besorgten Bürgern, schmeissen wir sie raus“. Das bleibt natürlich leider Gottes Wunschdenken. Aber dennoch nimmt mich auch der Titel gut mit, denn er ist schön schnell und rotzig!
Dann kommen wir zum letzten Stück, und hier kommt zuerst eine Akustik-Klampfe und dann eine gehörige Portion Irish Folk-Punk! Ja, ihr habt euch nicht verlesen. Englischsprachig, eindeutig „irish“ angehaucht und (hoffentlich) ein zukünftiger Konzertklassiker. Bei mir im Kopf entsteht zur Akustikgitarre ein wilder Pogo-Reigen und ich gröhle mit Punks im Arm liegend „Solidarity“ in Richtung der Bühne. Geiler Abschluss!
Fazit
Ok, vielleicht bin ich ein wenig voreingenommen, das will ich gar nicht bestreiten! Aber hey, es ist das Album zu 40 Jahren SLIME! Das sind 40 Jahre des teilweise härtesten und bissigsten deutschen Punk – und ich bin mir ziemlich sicher, das keiner der Bandmitglieder damals gedacht hat, das sie 2020 überhaupt erleben. Trotzdem stehen sie weiter auf der Bühne, trotzdem gibt es neue Lieder, neue Konzerte und dazu alte und immer noch bitter nötige Ansagen! Natürlich sind SLIME älter geworden, und Musikvideos bestehen heute nicht mehr aus den Ausschnitten der Chaostage von 1995, wobei zeitgleich die Polizei mit Ordnungsorganen des dritten Reiches verglichen wird. Aber: Es ist immer noch SLIME!
Die Zeiten haben sich geändert, und die Band hat sich geändert. Aber eben nicht in ihren Grundwerten, in ihren Aussagen, in ihrem Auftreten und in dem wofür sie einstehen. Und genau das spüre ich auch durch diese Lieder, die im aktuellen Zeitgeschehen bestens platziert sind. Vieles ist heute komplexer und vielschichtiger als es zu den Anfangszeiten der Band war. Ein damals provokantes „ACAB“ würde heute schlicht und ergreifend nicht mehr den nötigen Eindruck beim Hörer erzeugen. Wohingegen „weisser Abschaum“ eben gerade heute ein wunderbar provokanter Liedtitel ist, um mal einen Vergleich zu ziehen.
Kurz gesagt: Mir gefällt das Album ausgesprochen gut, sowohl textlich als auch in der musikalischen Vielfalt. Auch wenn diese für mich bei SLIME immer noch etwas ungewohnt ist. Aber ich finde es toll was die Jungs aus Hamburg auch nach so vielen Jahren abliefern und dabei nicht das zehnte Mal die selber Schiene fahren, sondern mit vollen Einsatz mit der Zeit gehen.
Und enden möchte ich daher mit einem sehr alten Slime-Zitat: „Ab jetzt gewinnen immer wir“!
Autorenbewertung
Vorteile
- musikalisch sehr vielseitig
- der alte Spirit ist erhalten geblieben
Nachteile
- nichts zu meckern, für mich kann es noch 40 Jahre weitergehen!
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