Soll man Idole anhimmeln oder selbst schreiben? – We Saw Worlds Collide

WE SAW WORLDS COLLIDE – Apeiron I
Veröffentlichungsdatum: 09.12.2016
Länge: 34:16 Min.
Label: Self-Released

Holla, mal wieder ein Novum auf SILENCE! Da unser leicht verpeilter (aber sehr flauschiger!) Chefredakteur mit seinen Gedanken manchmal woanders ist, haben wir 2 Reviews zu einer Platte. Wen freuts? Jawoll, euch. Und die Band natürlich! Viel Spaß!

Jonas sieht das etwas kritisch

Trotz den Kopfschmerzen, die mir einige Core- und Alternative-Metal-Bands aus dem deutschen Underground bereiten, war ich zum Glück bereit für diese erstaunlich lange EP. So könnte WE SAW WORLDS COLLIDE ein Rohdiamant sein, der leider fehlgeleitet wird. Der Gesang, der mich zum Beispiel auf dem Eröffnungslied begrüßt, hatte mich schon etwas verwirrt. So hatte ich nach den lieblos wirkenden Gitarrenriffs, die bei dem sehr verworrenen Mix nicht gut zur Geltung kommen, etwas anderes erwartet. Die typischen Chugs die begleitet von Screams und Shouts des Sängers im späteren Verlauf des Songs zum Einsatz kommen, waren das, worauf ich mich vorbereitet hatte. Wenn im Gegensatz dazu im Chorus fast schon Bollywood-artiger Gesang genutzt wird, drängt sich mir die Marke Alternative wieder ins Gedächtnis. Bereits das zweite Lied „Chapter II – Awakening“ baut noch mehr auf diesem alternativen Metalcore-Sound.

Da ist noch Potenzial

Ich kann auf der ganzen EP schnelle Teile ausmachen, die Ähnlichkeiten mit BRING ME THE HORIZONs „Suicide Season“ aufweisen, aber auch typische langatmige Breakdowns. Wer Gefallen an CALIBANs neuestem Album gefunden hat, dürfte von den schnellen Parts besonders überzeugt sein. Generell spielen sich viele Passagen zwischen den deutschen Metalcore-Legenden und alternativen Acts wie LYNCH. ab.  „Chapter III – New Beginning“ klingt zum Beispiel nach einer sehr stark vereinfachten Form von LEPROUS, wobei die Betonung auf stark liegt. Denn Ausflüge in die atmosphärische Seite von WE SAW WORLDS COLLIDE – ein eigentlich für Metalcore-Acts typischer Name – greifen auf simple Drum-Fills und sehr geschmeidiges, aber langsames Gitarrenspiel zurück. Das klingt leider oft erzwungen und im Kontext des Albums unnötig, weshalb ich eine komplette EP voll mit ihren ruhigen Tönen bevorzugen würde. Das Stilmittel, bei dem sich Screams und klarer Gesang abwechseln, erreicht zwar seinen Zweck, vermag es aber nicht Emotionen bei mir auszulösen. Zwar hat sich ein ähnliches Vorgehen bei anderen Bands etabliert, aber ich kann es mir nicht vorstellen, dass noch mehr Gruppen gebraucht werden, die sich an dem gleichen Schema bedienen.

Ihre eigene kleine Nische haben die Augsburger also noch nicht gefunden, lassen mich aber darauf hoffen.

Allen Vorurteilen zum Trotz, kann ich viele gute Ansätze auf der EP ausmachen. Lediglich die emotionalen Höhepunkte fehlen, nicht einmal einsame Tristheit kommt bei den leicht zu vergessenen Gesangsmelodien. Sobald die Künstler sich musikalisch von ihren Vorbildern und Inspirationen entfernen, dürfte einer Entwicklung nichts im Wege stehen. Zum jetzigen Zeitpunkt bleibe ich im emotionslosen Regen stehen, den „Apeiron I“ über mich gebracht hat. Die positiven Aspekte lösen jedoch ein kleines Verlangen nach einer neuen Kostprobe aus, welches ab jetzt in mir schlummert. Hoffentlich wird mit dem zweiten Teil zu dieser Doppel-Konzept-EP noch in diesem Jahr dieses Verlangen gestillt.

Gastautor Dennis sieht das ganz anders

WE SAW WORLDS COLLIDE ist eine Augsburger Band, die seit mittlerweile fünf Jahren besteht. Egal, welche Welten da kollidiert sind, fürs nächste Mal ist die Truppe vorbereitet. „Apeiron I“ ist der erste Teil eines Konzeptalbums, welcher in Form einer EP nun auf die Massen losgelassen wurde. Inhaltlich wird der selbstzerstörerische Charakter der Menschheit aus zwei Perspektiven widergespiegelt. Bereits vor vier Jahren veröffentlichten die Alternative-Metaler ihr Debütalbum, schlicht „We Saw Worlds Collide“ betitelt. Nach zwei Singleauskopplungen Anfang letzten Jahres, ist der Fünfer nun wieder voll da und legt mit „Chaos“ auch gleich so richtig los. Orientalische Klänge? Kann man machen. Sehr erfrischend, ehe ein hymnenhafter Refrain einem den Rest gibt.

Brachialer Ausdruck der menschlichen Selbstzerstörung

Das an zweiter Stelle folgende „Awake“ wartet mit einem Thrash-Gewitter auf und erinnert an SLIPKNOT zu „Iowa“-Zeiten, was zum Teil auch an Markus Litzels facettenreicher Stimme liegt. Nahezu ohne Probleme balanciert er über die gesamte Scheibe hinweg zwischen tiefen Growls, kratzigem Geschrei und Clean Vocals hin und her. Ein beeindruckendes Pensum, was der Mann da an den Tag legt, auch wenn die klaren Stellen vereinzelt etwas blass daherkommen. Die restlichen Fraktionen machen ihren Job ebenfalls ordentlich. Fette Riffs sind vor allem die Spezialität, die die Gitarristen Gregor Witsch und Christoph Domberger anzubieten haben. Schlagzeuger Daniel Franz und Bassist Franz Schenk vervollständigen die Combo schließlich.

Nahtlos geht es rüber nach „New Beginning“. In der anfangs ruhigen Nummer, gibt Litzel die größten Einblicke von sich als Sänger preis, auch wenn der Hörer kurzzeitig wieder unsanft aus den Träumen gerissen wird. „Construction“ fährt erneut die volle Bandbreite auf, als im letzten Drittel ein weiteres Mal der melodische Kern der Augsburger zum Vorschein kommt und der Frontmann mit weiblicher Unterstützung das Stück zu einem guten Ende bringt. „Restrictions“ ruft den Zuhörer dazu auf, doch bitte das, was man tagtäglich auf den Teller geklatscht kriegt, mehr zu würdigen weiß. Zum Schluss sackt das Album zwar ein klein wenig ab, festzuhalten bleibt aber, dass WE SAW WORLDS COLLIDE durchaus über Potenzial verfügen. Die hier dargebotenen Songs wirken frisch und laden zum Mitgrölen auf den hoffentlich bald folgenden Konzerten ein. Man darf gespannt sein, wie der zweite Teil ausfallen wird, der für Ende 2017 angesetzt ist.

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Autorenbewertung

6
Der erste Teil des Konzeptalbums "Apeiron" ist zwar nicht einzigartig, aber bietet genügend Anhaltspunkte, die auf einen großartigen zweiten Teil hoffen lassen. Die künstlerische Integrität anzuzweifeln ist zwar immer mein Steckenpferd gewesen, aber ich spreche den Augsburgern zu, dass sie nicht nur als Puppen - Witz komm raus - der fädenziehenden Produzenten agieren.
ø 4.2 / 5 bei 2 Benutzerbewertungen
6 / 10 Punkten

Vorteile

+ Überraschungsfaktor
+ die richtige Richtung wird eingeschlagen, eine eigene Nische wird geschaffen
+ starke Mitsingrefrains

Nachteile

- relativ lang für eine EP (vielleicht ergibt die Länge im Kontext des gesamten Albums aber mehr Sinn)
- keine eingängigen Gesangsmelodien
- viele sich ähnelnde Songstrukturen
- Spannungsbogen hält sich nicht bis ganz zum Ende durch

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