Träumen in den Highlands von Schottland

SAOR – Aura
Veröffentlichungsdatum: 20.06.2014
Dauer: 56:37 min
Label: NORTHERN SILENCE PRODUCTIONS

Folk-Bands gibt es wie Sand am Meer – sei es im Rock, Death Metal, oder in Form des heidnisch angelehnten Pagan Metal. Hier – zwischen dem ganzen Geigengedudel, Flötengesäusel und Dudelsackgespfeiffe – noch Bands zu finden, die wirklich aus dieser Masse hervorstechen, gestaltet sich mittlerweile als eher schwierig. Und wenn sie dies dennoch tun, so stehen sie oftmals zu sehr im Schatten von Größen á la KORPIKLAANI, ELUVEITIE und Co, als dass sie wirklich wahr genommen werden würden. Schade eigentlich, denn es gibt hier doch die eine oder andere Perle im Undergroundbereich zu entdecken, die mit ihrem Folkinstrumentengeträller dem Zugeneigten nicht auf den Sack gehen, sondern ihn nach dem Hören mit einem befriedigten Gefühl davongehen lassen.

Eine dieser Bands ist SAOR, das Ein-Mann-Projekt aus der Feder des Schotten Andy Marshall. „Aura“ ist hierbei sein drittes Werk. Der Stil ist klar: Atmospheric Black Metal in Verbindung mit schottischem Folk in den Texten und bei der Instrumentenwahl. Schon mit dem ersten Song „Children of the Mist“ entsteht ein Sog, dem man sich kaum entziehen kann. Man fühlt sich quasi von der ersten Minute an in den schottischen Highlands, so wie sie auf dem doch recht hübschen Cover gezeigt werden.

Der Gesang kommt dabei scheinbar aus weiter Ferne. Inwiefern, fragt ihr? Im Vergleich zu den restlichen Instrumenten ist er recht leise, fast schon ignorierbar. Außerdem scheinen ebenso die anderen klassischen Metal-Zutaten, wie Gitarren, Schlagzeug und Bass, zweitrangig zu sein. Der Fokus liegt also ganz klar auf den Melodien der Folkinstrumente.

Der titelgebende Song führt das Konzept nun weiter: es wird ruhig und mit klarem Gesang begonnen. Die Melodie ist einprägsam, fast schon ohrwurmfördernd und dabei sehr verträumt. Mit einem schnellerem, treibendem Part wird etwas Action reingebracht, ohne jedoch die Melancholie und Verträumtheit zu verlieren. Hin und wieder erfährt man durch Gesangspausen sowie reinem Akustikspiel etwas Auflockerung – einer Mischung, die das Konzept ebenso stärkt.

The Awakening“ ist der in meinen Augen beste Track des Albums. Er scheint ein wenig der Außenseiter zu sein und doch dem roten Faden zu folgen. Insgesamt ist dieser dritte Song sehr schnell und hat etwas von Marschmusik, verliert dabei aber, trotz vermehrtem Fokus auf die E-Gitarre, nicht seine Wurzeln mit Tin Flute und Dudelsack aus den Augen. Unterstützt wird das Ganze durch Chöre, die auf dem ganzen Album – Gott sei Dank – gezielt und damit nicht inflationär eingesetzt werden.

Die Platte wird zum Schluss mit „Pillars of the Earth“ abgerundet. In diesem Track gibt Marshall noch einmal alles und stellt nochmals sein Können an den Instrumenten – vor allem dem Schlagzeug – unter Beweis, wobei man sogar Einflüsse von Jazz auf die Ohren bekommt. Ein Experiment das sich auszahlt. Denn das ist einer der Gründe, warum der Hörer sich sanft und mit einem befriedigtem, gleichzeitig aber traurigem Gefühl entlassen fühlt. Man möchte zurückkehren in die Traumwelt der weiten Highlands von Schottland – wieder dem Zeitgefühl und der Realität entfliehen.

„Aura“ ist wahrscheinlich kein Werk für jedermann – es ist langsam, verträumt, melancholisch. Wer hier Black Metal im Stile von BEHEMOTH und anderen Größen erwartet, der wird enttäuscht sein, denn Andy Marshall hat keineswegs die Intention Nacken zu brechen, sondern vielmehr zum Nachdenken anzuregen und eine Geschichte zu erzählen. Auch ist es ein Album, das extrem stimmungsabhängig ist, denn aufgrund seiner, zum Teil starken, Langatmigkeit ist es keine Platte für jede Situation. Es ist ein Album für graue, verregnete Tage, für Wintertage vor dem Kamin, einem langen Tag im Büro, oder auch ideal zum Einschlafen. Meiner Meinung nach ist es ein großartiges Album, welches es zumindest einmal verdient hat, gehört zu werden.


Dies ist ein Gastautoren-Beitrag von: Sascha

Autorenbewertung

8
GroßartigesFolk-Black-Metal-Album, das einen für eine Stunde in eine Traumwelt entführt. Ist jedoch nichts für jedermann und zum Teil recht langatmig.
ø 4.5 / 5 bei 10 Benutzerbewertungen
8 / 10 Punkten

Vorteile

-Atmosphäre so dick, dass man sie schneiden könnte
-Gute, abwechslungsreiche Mischung aus ruhigeren und schnelleren Passagen
-sehr schönes Cover

Nachteile

-recht langatmig
-Folkinstrumente könnten mit der Zeit nerven
-sehr stimmungsabhängig

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