Über die Auswüchse der Support-Wut

Man muss kein Experte sein, um knapper werdende Verkäufe beim Merch und regionsbedingt auch rückläufige Besucherzahlen auf lokalen Veranstaltungen festzustellen. Nicht umsonst machen vermehrt kleine Festivals und Konzertreihen die Schotten dicht, und viele Bands haben Probleme dabei, ihr nächstes Album zu finanzieren. Klar, das Angebot steht derzeit in keinem Verhältnis zur Nachfrage, weshalb insgesamt nicht genug Geld im Spiel ist, um für jede Kapelle eine satte Produktion der nächsten Scheibe finanziell zu ermöglichen. Im Untergrund wird ja derzeit öfter gespaßt, dass Musiker fast nur noch Musik für andere Musiker machen – den durchschnittlichen Metal-Hörer trifft man dann beim nächsten Wacken oder wenn Sabaton, Slayer oder Band-XY des aktuellen Hype-Genres gerade in der Stadt sind. (Angesichts dieser etwas überspitzten Darstellung der aktuellen Lage übrigens ein großes Dankeschön an all jene, die rein aus Spaß an der Sache Konzerte im Untergrund besuchen! Als Musiker weiß ich das echt zu schätzen, den Kollegen wird es nicht anders ergehen!)

So weit, so altbekannt. Nun gibt es aber eine zweite Beobachtung – natürlich rein subjektiver Natur –, die ich an dieser Stelle beschreiben will, um danach etwas darüber zu sinnieren: Während die klassischen Fans nach und nach vom Erdboden verschluckt zu werden scheinen, sprießen nicht nur ständig neue Bands aus dem Boden, sondern auch Recording-Studios, Webzines (wir waschen unsere Hände selbstverständlich in Unschuld), Youtube-Kanäle, Fotografen und weiß der Geier, was noch alles. Jeder scheint irgendwo am großen Ganzen mitwirken zu wollen, was für sich genommen auch toll ist! Als Band hat man im Moment unwahrscheinlich viele Alternativen, wenn man ein Album aufnehmen will, es zu bewerben gedenkt oder auf sonstige Weise nach Berichterstattung sucht. Das macht den Austausch innerhalb der Szene deutlich einfacher, und es zeigt auf, wie vital unser Miteinander in gewisser Hinsicht immer noch ist.

Einige dieser Phänomene lassen sich auch recht mühelos erklären, beispielsweise ist das Einrichten eines Amateur-Studios so einfach und günstig wie nie zuvor. Kein Wunder also, dass sich an dieser Tätigkeit derzeit so viele junge Talente und noch viel mehr junge Talentlose – das richtig gut auf die Reihe zu bekommen, erfordert nun einmal sehr viel Aufwand und Lernbereitschaft – erproben wollen. Was den Rest betrifft, kann ich nur mutmaßen: Insbesondere das Schreiben bei einem kleinen Webzine ist eine eher undankbare Aufgabe. Auch das will gelernt sein, und auch das kostet viel Zeit, ohne dass man dafür je einen müden Pfennig sieht. Physische Bemusterungen sind eher die Ausnahme, und wenn dann doch mal was kommt, ist es nur selten gerade die Perle, über die man sich am meisten freuen würde. Immerhin wird jedes Album nur an einen der vielen Schreiber vergeben, und wenn man Pech hat, muss man eine Menge dubioses Zeug rezensieren, bevor ein heiß ersehntes Album oder ein bislang unbekanntes Kleinod im Posteingang landet. Idealismus wird hier wohl der ausschlaggebende Grund sein, aus dem so viele in die Tasten hauen. Mit Konzertfotografie macht man auch keine großen Sprünge, zumal das nötige Equipment dafür sorgen kann, dass man am Monatsende ein eigenes, kleines Griechenland auf dem Konto vorfindet.

Als Band freut man sich natürlich über Unterstützung jedweder Art. Auffällig ist aber, dass mittlerweile gefühlt jede Nase irgendwie helfen und mit dazugehören will, dann aber im Vergleich eine gähnende Leere an den Merch-Tischen vorherrscht. Dabei hat man die vor der Show noch ganz optimistisch aus zwei Kneipentischen in einer dunklen Ecke – könnte hier das eigentliche Problem liegen? – zusammengebastelt. Dieser vergleichsweise passive Support, einfach mal aus dem Bauch heraus eine Show einer bislang fremden, kleinen Band zu besuchen und am Ende sogar eine Demo mit nach Hause zu nehmen, scheint stark an Attraktivität verloren zu haben. Man gehört in dem Fall einfach nicht so dazu wie der eine Typ, der laut eigener Aussage alle Kapellen von hier bis nach Moskau persönlich kennt, weil er mal eine Scheibe von ihnen besprochen hat. Und hey, wenn man schon als Schreiber nicht bezahlt wird, kann man sich doch wenigstens mit solchen Geschichten brüsten!

Selbst so liebevoll hergerichtetes Merch lockt hin und wieder keine Menschenseele an

Zu diesem Phänomen eine Wertung abzugeben, ist meiner Meinung nach totaler Unsinn. Jeder macht wie er will, und jede Form der Unterstützung ist willkommen und verdient Wertschätzung – sei das nun eine ausführliche Kritik zum neuen Album, ein paar schnieke Konzertfotos oder einfach nur ein gut gemeinter Kommentar auf Facebook. Fast alle Musiker betreiben ihr Hobby aus Spaß an der Sache und am Austausch mit den Hörern. Vielleicht braucht die Welt auch nur neue Modelle, die den Fan stärker einbinden und ihm das Gefühl geben, dass ihn etwa der Kauf des neuen Albums auch zu einer dieser besonderen Personen macht, die sich eine Band mit Sicherheit merkt. Ein Beispiel wäre Crowdfunding, wo die größeren Spenden exklusive Belohnungen versprechen, die sonst bestimmt keiner hat. So bleibt man als Käufer nicht diese blasse Gestalt am Merch-Stand, an die sich die Band nach der nächtlichen Sause nicht mehr erinnert – gut, kaum ein Musiker wird das Porträt eines Backers in der guten Stube aufhängen –, aber immerhin hat man eine gewisse Exklusivität. Sei es nun das limitierte T-Shirt mit speziellem Design, das garantiert jeder wiedererkennt, oder eine Teetasse mit dem Gesicht des Bassisten, hat man immerhin etwas Besonderes und nicht nur die schlappe CD, die sich jeder Karl-Heinz auf Amazon kaufen kann.

Ist das nun eine gesunde Entwicklung der Dinge? Das wird sich zeigen müssen. Auf jeden Fall findet eine Entwicklung statt, deren Gründe vielleicht so aussehen wie oben beschrieben, womöglich auch ganz anders. Aus meiner subjektiven Sicht als Musiker und Schreiber ersetzen aber keine noch so exklusiven Goodies und kein noch so freundlicher Austausch nach Erhalt oder Versand eines Reviews eine langfristig wachsende Bekanntschaft, geschweige denn den persönlichen Kontakt vor Ort. Also lauft jetzt alle fix vor die nächste Bühne und macht Menschen – andere und euch selbst – glücklich!


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