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WOLFSZEIT, WESPENZEIT! – Black Metal im tiefsten Tannenwald
Acht Jahre ist es her, dass es mich in die tiefsten Tiefen der Thüringer Wälder verschlagen hat – doch nun ist es Zeit für die Rückkehr zum Wolfszeit-Festival! Eine Bühne, 25 Bands, knapp 2000 Besucher und mindestens 10000 Wespen – der Heidenspaß kann beginnen! Im Lineup stehen ausschließlich Black-, Pagan- und Folk-Metal-Bands. Darunter größere Namen wie ENSIFERUM oder ARKONA, aber auch viele noch unbekanntere Bands, für die eine solche Veranstaltung eine gute Möglichkeit darstellt, Aufmerksamkeit und Fans in dieser speziellen Musiksparte zu gewinnen.
Meine erste Aufgabe besteht darin, nach unserer Fotografin Steffi auch meine Co-Autorin Merlin zu finden. Gar nicht mal so einfach, wenn man sich noch nie zuvor getroffen hat und nicht genau weiß, wie diese Person eigentlich aussieht. Dass es auf dem gesamten Camp und Infield kein Mobilnetz gibt, hat zwar seinen Charme, hilft dieser Sache aber nicht gerade. Sonst könnte man ja Kontakt herstellen. Doch nach einem ganzen Abend erfolglosen Ansprechens aller rothaarigen Frauen, die ich finden kann, ob sie denn die seien, die ich suche, findet man sich dann doch noch kurz vor Beginn des ersten Konzertes. Und keine Sekunde zu früh, denn…
Es geht los!
Und zwar erst einmal mit seichteren Tönen: BAUMBART nehmen das Publikum mit ihrem akustischen Folk mit auf eine Reise in ihr eigenes Fantasy-Universum. Die Musik setzt sich dabei zusammen aus Gitarren, Geige, Flöten und Perkussion; dazu Gesang aus 5 verschiedenen Kehlen. Ein gemütlicher Einstieg also für ein Festival, auf dem doch eher härtere Musik vorherrscht – was aber vielleicht auch der Grund ist, warum sich noch nicht allzu viele Besucher dazu überwinden konnten, in der warmen Mittagssonne ihren Pavillon zu verlassen und zum Infield zu wandern.
Dabei ist dieses buchstäblich von überall in weniger als 5 Minuten zu erreichen. Die fröhliche Gruppe wirkt zwar zum Teil noch ein bisschen unsicher auf einer so großen Bühne, spielt aber dennoch ein schönes Konzert ohne bemerkbare Fehltritte und hat auch sichtlich Freude am Musizieren. Am besten gefällt mir der plötzliche Einsatz von Kastagnetten. Kastagnetten sind cool.
Merlin: Als zweite Band des Tages stehen VOLTUMNA aus Italien auf der Bühne. Sie sind nur zu dritt, haben dafür aber eine enorme Bühnenpräsenz. Aggressiv und voll in ihrem Element geben sie ihre Musik (die sie selbst als „Etruscan Metal“ bezeichnen) einem leider viel zu kleinen Publikum zum Besten. VOLTUMNA waren mir und vermutlich 90% der anderen Festivalbesucher bis dato noch kein Begriff, aber sie haben wirklich gut abgeliefert und ich habe sie ab jetzt auf dem Zettel!
Wölfe im Nadelwald
Mich: Mich treibt es als nächstes zu WOLVES DEN, einer Band, auf die ich mich sehr freue. Und der Vorfreude folgt definitiv Bestätigung! Atmosphärisch und drückend (und sehr professionell gespielt!) entfaltet sich ihre Musik wunderbar inmitten dieses tiefsten Nadelwaldes. Leider müssen die ersten paar Lieder erstmal nur mit einer einzelnen Gitarre gespielt werden, da sich bei der anderen technische Probleme in den Weg stellen. Die epische Präsenz von Frontmann Helge schindet allerdings genug Eindruck, dass dies den meisten Zuschauern wahrscheinlich nicht mal auffällt.
Leider verlässt die Band zehn Minuten vor offiziellem Konzertende bereits die Bühne. …allerdings nicht für lange, denn nach kurzer Besprechung stehen sie wieder vor dem Publikum und geben einen letzten, grimmigen Song zum Besten. Jetzt bleibt nur noch abzuwarten, wann das neue Album kommt. Fertig aufgenommen ist es nach eigenen Angaben der Band – man suche nur noch nach einem passenden Label für die Veröffentlichung.
THORMESIS haben ihre Wurzeln eher im Pagan-Bereich, doch ziehen sie mit ihren neueren Veröffentlichungen stark in Richtung schwärzerer Gefilde. Am besten funktionieren live meiner Meinung nach ihre „rockigeren“, weniger aggressiven Black-Metal-Riffs, welche im Lauf des Konzertes mehr als einmal eine Art hypnotisierende Wirkung erzeugen. Die doch oftmals melodischen Gitarren, die gelegentlichen Clean Vocals sowie ruhigere Gitarrenparts samt mitklingenden Keyboardsamples zeugen immer wieder von der Pagan-lastigeren Vergangenheit.
Zwielicht vs. Sonnenschein
Merlin: Tja, manchmal hat es auch seine Nachteile, sich sehr auf eine Band zu freuen. Nämlich dann, wenn die Erwartungen nicht erfüllt werden. So ist es heute leider mit IN TWILIGHT‘S EMBRACE. Der Sänger (dessen Make-Up an den Joker oder wahlweise Eric Draven aus „The Crow“ erinnert) bewegt sich wie in Ekstase über die Bühne, schmeißt sich auch mal samt Mikrophon auf den Boden und beweist sogar Deutschkenntnisse, indem er dem Publikum zwischendrin ein „Zum Teufel mit euch!“ zuruft. Falls er eigentlich geplant hat, dem Black Metal, den sie spielen, eine finstere Note (!) zu verleihen – so ganz klappt das nicht. Das soll nicht heißen, dass IN TWILIGHT‘S EMBRACE nicht insgesamt solide abliefern, aber irgendwie packt es mich nicht. Vielleicht scheint auch einfach noch etwas zu viel Sonne für diese Band.
Mich: Mit Schlachtgebrüll stürmen dann FINSTERFORST die Bühne und klemmen sich alsbald hinter die Instrumente. Denn die Zeit der Release-Show ihrer neuen Scheibe „Zerfall“ ist gekommen. Doch Moment! Irgendwas ist da nicht richtig. Waren da nicht mal weniger Leute in der Band? Und seit wann haben die zwei Sänger, die genau gleich aussehen? Habe ich was verpasst? Der Nebel lichtet sich nach dem ersten 13-Minuten-Hammer „Wut„, als Leadsänger Oli zu verstehen gibt, dass die Band heute ausnahmsweise mit erweitertem Lineup auftritt. Sein vermeintlicher Zwillingsbruder ist kein geringerer als Stef von JÖRMUNGAND, und an der Gitarre gibt sich heute zudem Sascha die Ehre. Die Schwarzwälder (plus Gäste) legen hohe musikalische Qualität und technische Finesse an den Tag, der Sound ist massiv und die schwerfällige Musik wird von den beiden Sängern mit theatralischem Auftreten untermalt.
Leider bleibt der von mir erhoffte 36-Minuten-Epos „Ecce Homo“ von der neuen Platte aus – dieser hätte die Band allerdings auch ungefähr drei Viertel ihrer Spielzeit gekostet. Alles in allem ein sehr überzeugender Album-Release, denn – mal abgesehen von der makellosen Performance und den Gastmusikern – wo könnte man ein besseres FINSTERFORST-Konzert erleben als in einem finsteren Forst? Höhö. Es erfolgt allerdings am Ende dann noch ein tatsächlich lustiger Moment, als sich der Frontmann mit den Worten „Danke Ragnarök!“ vom Wolfszeit-Festival verabschiedet.
Wenn die Nacht zum Tag wird
Merlin: ARKONA kann ich definitiv als meinen Favorit des Tages bezeichnen. Die Energie und Bühnenpräsenz von Sängerin Mascha sind wirklich sondergleichen. Die rennt da kreuz und quer über die Bühne und hat aus irgendeinem Grund trotzdem noch genug Luft in den Lungen, um einen makellosen Wechsel zwischen Growls und Klargesang hinzulegen – wie macht sie das? Auch die Interaktion mit dem Publikum funktioniert, die Leute gehen mit, brüllen und klatschen, der Auftritt macht einfach Spaß. Und abgesehen von der guten Bandperformance gibt es nebenbei auch noch eine der besten Lichtshows, die ich bei all meinen Festivalbesuchen bisher gesehen habe – im wahrsten Sinne des Wortes ein Highlight!
Mich: Und schon ist es Zeit für die Headliner des ersten Abends! Und nun kann der Veranstalter selbst zeigen, was in ihm steckt. Denn es spielen niemand anderes als die Wölfe höchstselbst: VARG! Und ihnen stehen definitiv die Worte „No Bullshit“ ins Gesicht geschrieben. Statt „Guten Tag“ oder anderem Trara gibt es heute nur aggressiven, treibenden Pagan Metal, Göttersagen und epische Schlachtengesänge der alten Wolfsschule. Zu Beginn ballert sich die Truppe erstmal in voller Ausführung durch ihr neu aufgelegtes Debütalbum (mit dem passenden Namen „Wolfszeit“ beziehungsweise „Wolfszeit II“) und fährt dann mit einer Best Of ihres (offensichtlich objektiv gesehen besten) Albums „Wolfskult“ fort. Es folgen zwei, drei mitsingbare Hymnen, und als Zugabe nicht etwa „Rotkäppchen“, sondern den Oldschool-Kracher „Schildfront“.
Ein wahrlich authentisches und bodenständiges Pagan-Konzert, wie ich es mir zu erträumen nicht gewagt hätte. Auch der Sound ist spätestens ab Mitte der Show (und nach persönlicher Aufforderung von Sänger/Organisator Philipp Seiler an den Soundmann, lauter zu drehen – das Publikum hat unüberhörbar darauf bestanden) richtig gut, und so fügt sich alles zu einem sehr starken Auftritt zusammen. Weiter so!
Der zweite Tag bricht an!
Merlin: Freitag Mittag, die erste Band des Tages, das bekannte Bild: viel zu wenig Leute vor der Bühne. Und das ist in diesem Fall wirklich schade, denn VARUS haben durchaus das Potential für ein größeres Publikum! Allein der Sänger ist ein Multitalent. Der kann nämlich nicht nur singen, sondern auch noch Keyboard spielen und etwas auf der Querflöte zaubern! Nur am Witz seiner Ansprachen ließe sich vielleicht noch etwas feilen… Nichtsdestotrotz, VARUS machen Stimmung. Der Gitarrist ist voll bei der Sache und orgelt die Melodien mit einer Spielfreude rauf und runter, die ihresgleichen sucht. Zum Schluss wird es dann aber nochmal ernst, als die Band einen Song zu Ehren des verstorbenen WOLFCHANT-Gitarristen Eddy spielt.
Mich: Nach einer äußerst amüsanten Fahrt mit der geländeeigenen Bimmelbahn steht bei mir der Name GRABAK im Running Order. Hierbei handelt es sich um kalten, todernsten Black Metal mit Kriegsthematik. Leider scheinen sich nicht allzu viele Festivalbesucher dafür zu interessieren, denn der Bereich vor der Bühne ist leerer denn je. Und das ist schade! Denn auf der Bühne befinden sich richtig fähige Musiker.
Besonders dem Drummer gebührt Respekt in Sachen Geschwindigkeit, Ausdauer und Präzision – kaum ein anderer Schlagzeuger auf diesem Festival dürfte sich in dieser Hinsicht auf einem solch hohen Level bewegen. Dennoch muss auch ich sagen, dass sich bei der Musik nicht wirklich um eine Sparte der schwarzen Musikzunft handelt, mit der ich persönlich etwas anfangen kann oder über die ich wirklich treffende Aussagen von mir geben könnte, und so endet an dieser Stelle mein Konzertbericht auch schon.
Ein verheerend guter Auftritt
Merlin: Die nun folgende Band kann ich getrost als meine persönliche Überraschung des Festivals bezeichnen: VERHEERER! Die Flensburger spielen klassischen Black Metal à la MAYHEM, der live einfach nur zum Haare schütteln einlädt – was ich auch ausgiebig tue. Da ist nicht viel Schnickschnack bei, das ist düster und hart. Und trotzdem ist die Musik nicht zu simpel. Definitiv eine Band, die mehr Aufmerksamkeit verdient (es wundert mich sowieso, dass die Schwarzmetaller noch so unbekannt sind). Klarer Tipp von mir, reinhören!
Wenn in der ersten Reihe Gummibärchen rumgehen und die Gestalten auf der Bühne aussehen wie ein Ensemble aus der Geisterbahn, dann kann es sich eigentlich nur um DARKKIRCHENSTEUER handeln! Ein Phänomen, welches sich bisher von großen Bühnen ferngehalten hat, präsentiert sich hier ganz ohne Scheu und spielt – ja was eigentlich?
Sagen wir einfach, Black Metal mit einer ordentlichen Portion (Selbst-)Ironie. Da darf natürlich auch ihre Hitsingle „Leb doch selber“ nicht fehlen. Und wer jetzt denkt: „Wer guckt sich so einen Schwachsinn überhaupt an?“ – das Infield ist sehr gut gefüllt! Zurecht? DARKKIRCHENSTEUER liefern ohne große Show einen soliden Auftritt ab, den man gesehen haben kann. Wenn man ihn verpasst hat, wird einem aber auch nichts fehlen.
Von fröhlichen Flöten und Blicken, die töten
Mich: MUNARHEIM konnte ich bereits vor ein paar Jahren auf dem RAGNARÖK-Festival live erleben, wo sie mir zugegebenermaßen sehr gut gefallen haben. Nun steht die Folk-Metal-Kombo mit den sympathischen Gesichtern dann endlich wieder vor mir auf der Bühne. Sie erzählen musikalische Geschichten mithilfe von tiefen Flöten, hohen Screams und einer geschickten Kombination aus Akustik- und Metal-Elementen.
Und nicht nur in den Klängen und Gesängen, auch auf der Bühne herrscht viel Bewegung. Dies wirkt sich auch auf die ersten paar Reihen im Publikum aus – diese sind sehr motiviert und lassen sich auch körperlich vom musikalischen Flow mitreißen. Zudem ist es schön, mal wieder eine Band live zu sehen, bei denen der Begriff „Folk Metal“ tatsächlich daher rührt, dass auch wirklich Folklore-Instrumente benutzt werden – und die Sounds nicht nur aus Keyboard oder abgespielten Samples stammen.
Merlin: Die finsteren Gestalten von ENDSTILLE haben heute die Ehre, mit ihrem Auftritt den Abend und damit die Dunkelheit einzuleiten. Dementsprechend finster guckt auch der Sänger. Wenn Blicke töten könnten, wäre das gesamte Publikum nach wenigen Sekunden niedergemäht. Zum Glück ist dies nicht der Fall und so lauscht eine Menschenmenge im mittleren dreistelligen Bereich andächtig der ganz und gar nicht andächtigen Musik. Ne, im Ernst, das Publikum wirkt teilweise sogar relativ teilnahmslos. Mich reißt die Musik allerdings auch nicht so mit. Sie ist zwar hart und durchdringend, aber wenig aufregend. Für mich war es der erste ENDSTILLE-Auftritt, und hängengeblieben ist eigentlich nichts außer: „Ich muss beim nächsten Mal dringend meine Ohrstöpsel mitnehmen, bei der Lautstärke!“.
Achtung, jetzt wird’s metaphysisch!
Mich: Kennt ihr diese Momente im Leben, in denen alles anders erscheint als normalerweise? Wo das Universum mit sich selbst im Reinen zu sein scheint, und man sich genau in seiner Mitte befindet? Momente, in denen man spontan aus einem Gespräch heraus binnen Sekunden in musikalische Ekstase gesogen wird, und nach denen man sich erstmal fünf Minuten lang, Gesicht gen Sternenhimmel gerichtet, ins Gras legen muss, bevor man in der Lage ist, sich Notizen für den Festivalbericht zu machen? Ein solches Erlebnis habe ich dieses Jahr mit DORNENREICH. Das Konzert erwischt mich genau am richtigen Ort zum genau richtigen Zeitpunkt, um mich auf eine Reise durch die tiefsten Gefilde des Seins mitzunehmen.
Es ist schwer, die Erfahrung in Worte zu fassen, selbst jetzt, wo ich diese Band zum zigsten Mal sehe. Aber höchstwahrscheinlich ist nicht nur die Musik daran schuld: Die wieder einmal herausragend stimmige Licht- und Nebelshow, der perfekte Sound und die geschlossene, nächtliche Waldatmosphäre tragen definitiv dazu bei, dass DORNENREICH eine absolut hypnotische Wirkung entfalten, mit der sie alle in ihren meta-musikalischen Bann ziehen. Ein wahrhaft gelebter Moment. Amen.
Ein wiedergefundenes Gleichgewicht?
Nach dieser Erfahrung bin ich mir nicht sicher, ob es eine gute Idee ist, mir EQUILIBRIUM noch anzusehen. Besonders jetzt, nachdem ich ihren neueren Veröffentlichungen nicht sehr viel abgewinnen konnte, und die Band mich schon auf dem SUMMER BREEZE eher wenig zu überzeugen wusste, befürchte ich, dass das Konzert mir eher meine äußerst positive musikalische Erfahrung des Abends etwas verwässern könnte, als etwas dazu beizutragen. Aber Pflicht ist Pflicht, und so stehe ich, Notizblock gezückt, zu den ersten erklingenden Takten des Intros offenen Geistes vor der Bühne.
Und dann wird mir eine harte Wahrheit schlagartig bewusst. Wie gut das Konzert einer Band ist (insofern sie in der Lage ist, ihr Material sauber zu spielen), liegt manchmal zu 0% an der Band selbst und zu 100% an allem drum herum. Nachtatmosphäre, grandiose Lichtshow und makelloser, massiver Sound sorgen tatsächlich auch hier (ein wenig wider Erwarten) für ein äußerst genießbares und einprägsames Erlebnis.
Und das trotz sehr ähnlicher Setlist zu letzter Woche – und ganz genauso guter Performance der Musiker. Und da fällt mir etwas ein: Sollte nicht überhaupt heute auch das neue Album erscheinen? Die Antwort lautet: Jein! Der Grund, warum diese Info nicht an die größere Glocke gehängt wurde, sei, dass wohl bis heute nicht ganz klar war, ob die Alben (physisch) denn auch da beziehungsweise verkaufbar sein würden. Doch das sind sie nun, und somit handelt es sich bei diesem Konzert mehr oder weniger ungeplant dann auch tatsächlich um eine Release-Show.
Zurück zur Musik:
Das Konzept der modernen, langsameren und schwereren EQUILIBRIUM funktioniert unter gegebenen Umständen richtig gut (fragt mal das äußerst bewegungsfreudige Publikum). Mittlerweile sind es eher die älteren, schnelleren und melodischeren Songs, die bei Auftritten der Band etwas fehl am Platz wirken (davon abgesehen, dass Robses Stimme in meinen Augen noch nie sehr gut dafür geeignet war, die frühen Werke so wirklich zu reproduzieren). Fazit: Ich konnte das Konzert sehr genießen!
Wenn man aber, wie mein Zeltplatznachbar, die Band zuletzt vor neun Jahren live gesehen hat und ihren Werdegang in der letzten Dekade nicht mitverfolgt hat, ist schon fast nachvollziehbar, dass man erstmal so auf den Arsch fällt, dass man den Drang verspürt, das EQUILIBRIUM-Patch gewaltsam von der eigenen Kutte zu entfernen und übers Camp zu schmeißen (und dies auch tut).
Feuer und Hass
Merlin: Last but not least kommen wir zum zweiten Headliner des diesjährigen Wolfszeit-Festivals, und zwar zu den Schweden von WATAIN. Und so wenig ich den Namen ihrer Heimatstadt (die Band kommt aus Uppsala) ernst nehmen kann, so ernst nehmen es diese finsteren Gestalten mit ihrer Musik. Das ist Black Metal der alten Schule, rau und rotzig, ein gehobener Mittelfinger an all die glattgebügelte „Mainstream-Mucke“. Ach ja, und ihren Hang zum Okkulten darf man nicht vergessen – der ist aber auch nicht zu übersehen. Umgedrehte Kreuze hängen von der Decke, die Bühne ist mit allem möglichen Klimbim geschmückt und alles, was irgendwie im Stande ist zu brennen, wird angezündet (nur die Haare der Bandmitglieder werden glücklicher Weise verschont).
Steffi: Hach ja, WATAIN. Nicht nur fürs Auge, sondern auch für die eigene Spiritualität zur x-ten Rum-Cola des Freitagabends sind sie genau das richtige. Und natürlich bleibt nach guter WATAIN-Manier auch das Publikum nicht von den blutigen Leidenschaften der Band verschont – der Wellenbrecher sieht am nächsten Morgen aus, als wäre er Zeuge eines schweren Massakers geworden. Doch als sich die Zuschauer der ersten Reihen mehr oder minder freiwillig in Schweineblut duschen dürfen, genieße ich schon mit meinen Kamera-Kollegen ein Feierabendgetränk. Glück gehabt!
Morgenstund‘ hat Gold im Mund!
Mich: Dabei ist es schon 13 Uhr, als DVALIN den letzten Festivaltag eröffnen. Ist das nicht auch der Name eines der Zwerge aus „Der Hobbit“? Ist das denn jetzt Zwergenmetal? Die Äxte in Logo und Bühnendeko würden dies jedenfalls unterstreichen. Ebenso die in Fantasy-Rüstungen gekleideten Musiker (ich bin mir sicher, der Sänger trägt eine Level-100-RPG-Rüstung eines weiblichen Charakters). Tatsächlich aber handelt es sich bei DVALINs Musik um Folk Metal mit Dudelsäcken, Drehleier und Rauschpfeife (was auch immer das schon wieder sein mag). Neben hauptsächlich schwerer ausfallendem Musikmaterial mit hie und da einer gewissen Prog-Note gibt es natürlich auch das eine oder andere obligatorische Trink- und Mitgröl-Lied (und jetzt alle: „Leert den Krug in einem Zug!“). Alles in allem ein guter Start in den Nachmittag!
Steffi: Und dabei dürfen auch DVALIN heute ein kleines Jubiläum feiern! Denn am Mikro steht jetzt jemand anders – „dor Ronny“, wie wir in den neuen Bundesländern zu sagen pflegen. Sackpfeifenspieler und SKALDENFEST-Organisator Muscus hat uns dazu folgendes verraten: „Ronny probt schon seit einigen Monaten mit uns, doch wir dachten uns, wir überraschen auf dem Wolfszeit einfach mit unserem neuen Sänger. Durch seine langjährige Bühnenerfahrung und stimmliche Versiertheit ist er der perfekte Frontmann für DVALIN und bringt noch dazu jede Menge Energie auf die Bühne, die sich auch auf’s Wolfszeit-Publikum übertragen hat.“ Da gehen wir mit! Nur in das Bühnenoutfit muss er noch hineinwachsen (Zwinkersmiley).
Südländische Leidenschaften
Mich: Als Nächstes erwartet mich… nicht das, was ich erwartet habe! Glaubt man den ersten paar Musikvideos, die man auf Youtube findet, so machen FUROR GALLICO seichtes Folk-Geklimper mit weiblichem Gesang. Jedoch fliegt mir jetzt erstmal zu Konzertbeginn eine gehörige Portion Blast Beats um die Ohren, während eine komplette Pagan-Folk-Metal-Band auf die Bretter gesprungen kommt. Der Sänger gibt vor allem Growls, aber auch gelegentlich Clean Vocals von sich, und eine Sängerin kommt nur in seltensten Fällen zum Einsatz.
Schlagzeuger, Bassist und Flötenspieler der Band wirken noch alle sehr jung, sind allerdings äußerst fit an ihren Geräten! Das Konzert der Italiener strotzt vor Energie, und auch die Crowd spürt das und macht begeistert mit. Der beste Moment der Show ist definitiv der, in dem die bis dahin stumme Harfenspielerin sich aus dem Nichts heraus ein Mikrofon greift und erstmal richtig aggressive, tiefe Growls von sich gibt und mit dem Leadsänger im Duett schreit. Respekt, das kam unerwartet!
Die Kraft des Direkten
HORN liefern bodenständigen Black Metal mit einer ordentlichen Prise Punk/Rock’n’Roll und Pagan-Einflüssen. Der muskelbepackte Sänger erinnert vom Aussehen her ein bisschen an den Gangster-Rapper KOLLEGAH – macht aber definitiv bessere Musik! Sowohl paganen Clean-Gesang als auch Growls und wütende Semi-Growls beherrscht er meisterlich, und wechselt teilweise sogar innerhalb eines Wortes zwischen den unterschiedlichen Techniken hin und her. Ein starker Auftritt! Der Sound ist druckvoll, die Musik ist sehr direkt und erzeugt viel Kraft aus roher Standfestigkeit. Hier wird sich nicht mit unnötigem Schnickschnack wie etwa Folk-Gedudel aufgehalten.
XIV Dark Centuries sieht man auch eher selten – und wenn, dann auf Veranstaltungen wie dieser. In voller Montur steht die Pagan-Metal-Formation in der heißen Nachmittagssonne. Und ja, ihnen ist warm in der Verkleidung. Ich habe diese Band als gute Live-Band in Erinnerung, jedoch hat ihre Musik heute Schwierigkeiten, so wirklich bei mir anzukommen. Da wären wir wieder beim Thema „alles drum herum spielt eine genau so wichtige Rolle wie die Band selbst“ – vielleicht ist der Sound etwas ungünstig, vielleicht drückt die Sonne etwas zu unangenehm. Irgendwas macht jedenfalls, dass heute die alten Schlachtenlieder nicht so wirklich ihr volles Potential entfalten wollen, obwohl die Band ein ordentliches Konzert abliefert.
Aber davon abgesehen gibt’s gute Neuigkeiten: Die Thüringer haben nach 8 Jahren endlich wieder einen Braten in der Röhre! Das neue Album „Waldvolk“ sei anscheinend bereits fertig aufgenommen und zurzeit im Presswerk. Live zu hören gibt’s davon auch schon ein paar neue Tracks.
Altehrwürdige Lieder (und altbekannte Gesichter)
Eine Band, die man tatsächlich noch seltener zu Gesicht bekommt, ist MINAS MORGUL. Ich weiß ehrlich gesagt nicht sehr viel über diese Gruppe (nur die üblichen Lieder sind mir bekannt), und so gucke ich erstmal komisch, als EQUILIBRIUMs Robse sich als ihr neuer Sänger entpuppt. Das erklärt auch, warum er gestern meinte, wir sollten uns alle unbedingt diese Band ansehen.
Doch die nächste Überraschung folgt sogleich! Denn da ist noch ein Mann mit Mikrofon auf der Bühne – und es ist kein anderer als… schon wieder Stef von JÖRMUNGAND! Mal abwechselnd, mal gemeinsam lassen die beiden röhrenden Organe die altehrwürdigen Lieder erklingen.
Letzterer übernimmt dabei zudem alle clean gesungenen Parts. Interessanterweise stehen aber dieser ernsteren Musik gerade die Growls von Robse auch sehr gut. Das Keyboard geht im Mix leider ziemlich unter und ist kaum zu hören, und auch generell matscht die Sache ziemlich vor sich hin. Auch ist es noch gerade so nicht dunkel genug für eine effektvolle Lichtshow. Die Musik ist dabei bekannterweise ziemlich solide und roh, und die relativ große Anzahl an angetretenen Zuhörern gibt sich eher beobachtenden als aktiven Tätigkeiten hin.
Hach ja, die Niederländer.
Merlin: Die finde ich ja allein aufgrund ihrer Sprache schon toll. Aber HEIDEVOLK sorgen abgesehen davon auch durch schwungvolle, zur Bewegung anregende Musik für mächtig gute Laune. Die Musiker haben Spaß, und das springt aufs Publikum über. Verständigungsprobleme gibt es hier keine. Die Jungs wissen einfach, wie man die Menge mitreißt, der Gesang ist durchdringend und das Lungenvolumen von Lars „Nachtbraecker“ beeindruckt mich einmal mehr.
Ihren Höhepunkt erreicht das Spektakel, wie könnte es auch anders sein, mit der allseits bekannten und beliebten „Hitsingle“ „Vulgaris Magistralis“. Spätestens hier grölen alle mit und vor der Bühne tanzt ein fröhlicher Circle Pit seine Runden. Der Auftritt von HEIDEVOLK bekommt von mir das Attribut „Stimmungskanone“ und kann von mir aus gerne wieder zum Wolfszeit kommen!
Am Zenit der Atmosphäre
Mich: PRIMORDIAL haben dann den Vorteil, dass sie bereits unter schwarzem Himmelszelt anfangen dürfen. Somit geht der Lichttechniker wieder in den Super-Sayajin-Modus und das Powerlevel der Lichtshow ist von erster Sekunde an auf über 9000. Auch der Sound hat genau die gänsehauthervorrufende Tiefe, die er bei einer solchen Band braucht. Leider gibt es zu Beginn technische Schwierigkeiten am Schlagzeug. Ich gehe davon aus, dass sich das Fußpedal von der Kickdrum gelöst hat. Ein Problem, das ich aus eigener Erfahrung als Schlagzeuger kenne, und glaubt mir, es ist richtig ärgerlich. Besonders, wenn die Lieder deiner Band im Durchschnitt 8 Minuten dauern und du dazwischen nicht die Möglichkeit hast, das Pedal wieder anzuklemmen. Klammer zu.
Ab dem dritten Song ist das Problem behoben, und nichts steht der massiven Atmosphäre mehr im Weg, die diese Band unter diesen (in diesem Artikel schon oft gepriesenen) Konditionen freizusetzen vermag. Die mesmerisierende Musik, das okkult-theatralische Auftreten und der markerschütternde Gesang von Frontmann Alan Averill lassen diese Interaktion zwischen Bühne und Publikum zu einer äußerst intensiven Erfahrung werden. Definitiv die eindrucksvollste PRIMORDIAL-Show meiner bisherigen Karriere als Konzertgänger!
Erstmal Luft holen!
Denn es ist auch schon an der Zeit für das allerletzte Konzert dieses Festivals. Für ENSIFERUM hat sich definitiv die bisher größte Masse versammelt – und ich würde behaupten, auch die Stimmung war bei keiner anderen Band so gut wie hier. Jetzt gilt es, ein letztes Mal alles zu geben. Es bilden sich Circlepits, Moshpits, Schiffsgeruder, ja sogar Circlepits um Schiffsgeruder herum! Ich frage mich immer mal wieder, wie sowas eigentlich von der Bühne aus aussieht. Bestimmt cool. Jedenfalls ist nicht nur die Motivation in der Crowd groß, auch die Band hat ganz klar verstanden, welche ihrer 69 Songs (Coverversionen und Intros nicht mitgerechnet) live so richtig gut funktionieren, und beglücken uns mit einer meisterlich zusammengestellten Setlist aus konstanten Höhepunkten!
Technisch haben die Finnen mittlerweile ein höchst professionelles Level erreicht! Da geht kein Schlag mehr daneben und es schleicht sich kein schiefer Ton ein. Leider braucht der Sound ein paar Minütchen, bis er da so richtig mithalten kann. Die ersten paar Songs klingen somit leider „nur“ ganz okay. Spätestens bei „From Afar“ aber reißt auch mich dann die Energie aus der müdigkeitsinduzierten Trance und nimmt mich mit in ferne Welten.
Aber die wahre Überraschung erfolgt am Ende: Niemand hätte einen anderen Song als „Iron“ als Abschluss erwartet – so machen es ENSIFERUM ja (verständlicherweise) schon seit Jahren. Aber nicht heute! Denn als Abschluss dieses Festivals wurde die zehnminütige Hymne „Victory Song“ auserkoren. Das macht mich, und scheinbar alle um mich herum, sehr glücklich. So endet das letzte Konzert auf einer euphorischen Note – und alle gehen mit zufriedenen Gesichtern in ihre Zelte zurück.
…oder etwa nicht?
Denn kaum hat sich die Band verabschiedet, spielt die Bühnencrew den äußerst emotionalen Titeltrack von „Titanic“ ab. In der Shitty-Flute-Version. Ja, das ist genau, wonach es klingt, googelt es ruhig. Eine liebevoll gepflegte WOLFSZEIT-Tradition eben! Danach beginnt dann mit dem DJ auf der Bühne die letzte, fette Afterparty auf dem Infield – mit Hits von SCOOTER, DIE KASSIERER und zu guter Letzt einer 30-Minuten-Schleife der CANTINA BAND. Hach ja. Manchmal darf man das. Auch als trver Black Metaller.
Und so geht auch dieses Festival zu Ende.
Warum ich mir das alles die letzten acht Jahre habe entgehen lassen, leuchtet mir auch nicht ein. Zurückkehren werde ich aber mit Sicherheit! Adé liebes Wolfszeit-Festival, du wundervolles, internetloses Paralleluniversum!
Merlin: Das Wolfszeit 2019 war ein Festival, auf das ich schon lange im Voraus hingefiebert hatte. Und ich wurde nicht enttäuscht! Auch wenn ungefähr doppelt so viele Wespen wie Metalheads am Start waren, die Location, die Bandauswahl und die familiäre Größe des Festivals haben auch dieses Jahr wieder für eine großartige Zeit gesorgt – gerne nächstes Jahr wieder! Auch wenn ich mir bis dahin vermutlich ein mobiles Moskitonetz basteln werde…
Mit einem lachenden und einem weinenden Auge…
Was bei der Anreise mit der nur als „ahnungslos“ zu bezeichnenden Einweisung und Wegbeschreibung der offensichtlich nicht ortskundigen Securitys beginnen sollte, wollte sich über das verbleibende Wochenende leider kaum verbessern. Schon in den vergangenen Jahren schien man sich auf dem Wolfszeit besonders schwer mit der Einweisung zu tun, dieses Jahr zeigte sich leider kein besseres Bild. Teile des Campingplatzes waren entweder überladen, zugeparkt oder von Besuchern abgesperrt, ohne dass seitens der Crew genügend Helfer vorhanden gewesen wären, um das Chaos aufzulösen.
Musik top, Orga flop?
Dieses Jahr fehlten auch ausgerechnet die wichtigsten Personen, wenn es um die Sicherheit aller Anwesenden geht – Securitys. Es waren schlichtweg zu wenige da. Nicht nur, dass viele Besucher im Nachhinein die mangelhaften Einlasskontrollen zum Infield kritisierten – auf dem gesamten Festivalgelände waren Securitys so rar wie Einhörner und Augenzeugenberichte der Zahnfee.
Was gewesen wäre, wenn die Fotografen nicht gewesen wären? Man möchte es sich nicht ausmalen. Und so sehr ich dieses Festival vor allem auch Dank seiner lieben Crew schätzen gelernt habe, liegt mir die mangelnde Sicherheit wie ein Stein auf dem Herzen. Das Wolfszeit ist dank der guten Bandauswahl, der einzigartigen Location, dem grandiosen Sound und der guten Bühnenshow ein echter Geheimtipp. Darum: Nehmt den Weg auf euch, schnappt eure Festivalbuddies und genießt das Empfang-lose Wochenende in den Tiefen des Thüringer Landes!
Doch ich hoffe, dass sich die Festivalleitung die vielen Bitten seitens der Besucher zu Herzen nimmt und der Organisation denselben Glanz verleiht, den das Festival auch sonst immer ausstrahlt.
Eine strahlende Zukunft für 2020
Zum Schluss sei schon mal ein Blick auf das heiße Lineup der 2020er-Ausgabe des Festivals geworfen:
BLACK MESSIAH – CRUACHAN – DARKENED NOCTURN SLAUGHTERCULT – EISREGEN – HARAKIRI FOR THE SKY – HELRUNAR – KORPIKLAANI – MANEGARM – MGLA – NEGATOR – OBSCURITY – TAAKE
What?! Bei einem solch krassen Lineup dürften sich viele unter euch schon die Finger lecken. Traut euch! Tickets gibt’s jetzt schon zu erstehen, und zwar HIER! Wir sehen uns auf dem Wolfszeit 2020.
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