Wolfszeit 2020 – Metal, Matsch und Maskenpflicht

Das WOLFSZEIT findet statt!

Als wir diese Nachricht bekamen, war die Freude natürlich riesig. Dass trotz aller Schwierigkeiten, die die Pandemie uns in diesem Jahr schon beschert hat, tatsächlich jemand es schafft, 2020 ein Metal-Festival dieser Größe auf die Beine zu stellen, damit hätte wohl keiner mehr so wirklich gerechnet.

Das alles haben wir einem Organisationsteam zu verdanken, das bereit war, erhebliche Kompromisse einzugehen und massive finanzielle Risiken auf sich zu nehmen. Nicht nur musste ein ausgeklügeltes Sicherheitskonzept in Kraft gesetzt werden und die Veranstaltung um einen Monat nach hinten geschoben werden, auch räumlich musste man das Ganze verschieben – in ein anderes Bundesland. Statt der üblichen Lichtung im Crispendorfer Nadelwald (Thüringen) würde diesmal das Gelände vom Entenfang bei Torgau (Sachsen) als Schlachtfeld für das WOLFSZEIT dienen. Bei der Veranstaltung selbst würde zusätzlich zu Maskenpflicht, Fiebermessungen und Abstandsregeln eine Art Insel-Politik gelten: Niemand aus Torgau darf das Festivalgelände betreten – und vice-versa.

Und so sitze ich, trotz allem Widerstand, am 24. September voller Vorfreude mehr als 6 Stunden im Auto und mache mich auf den Weg zu meinem ersten und einzigen Festival dieses verdammten Jahres.

Die Einweihung

Nach dem Aufbau des Zeltplatzes (in einer Wiese voller vertrockneter Pferdeköttel), dem ersten Dosenbier und ein paar Komplikationen bis zum Erhalt meines Bändchens ist dann auch schon die Zeit da, die Veranstaltung offiziell zu eröffnen. Zu diesem Zwecke hat man den Schamanen VOENIX angeheuert. Hölzerne Masken dekorieren das umliegende Geäst, als er mit Trommel, Räucherstäben, Methorn und einer versammelten Schar von Zuschauern den heiligen Boden einweiht und die Götter und Geister des Ortes um ihre Einwilligung bittet. Wer sich berufen fühlt, darf im Anschluss selbst das Horn erheben und einen Spruch an die Asen zum Besten zu geben. Ein stimmiger Einstieg für ein Pagan-, Folk- und Black-Metal-Festival.

Einweihungsrituale mit dem Schamanen Voenix

Der Weg aus dem Infield zurück aufs Camp führt um ein eingezäuntes Naturschutzgebiet herum und wirkt unproportional lang. Auch hier scheint es sich um eine Sicherheitsmaßnahme zu handeln – damit sich nicht ein- und ausgehende Gäste gegenseitig ins Gesicht laufen, müssen letztere den Hinterausgang benutzen. Und der führt nun mal um ein eingezäuntes Naturschutzgebiet.

Zum Abend hin erheitert sich dank Cocktails, Bier und Pagan-Metal-DJ die Stimmung vor der Bühne weiter. Die Menschen sind glücklich über ihr erstes Festival 2020 und das zeigt sich! Leider etwas zu sehr, denn bald schon steht Mitorganisator Sille auf der Bühne und muss alle daran erinnern, die Sicherheitsregeln einzuhalten. Wenn man denn wolle, dass das Festival nicht in letzter Sekunde noch abgebrochen werden müsse. Das scheint allerdings gewirkt zu haben, und so verläuft der erste Abend sicher und ohne weitere Zwischenfälle.

Das erste Erwachen

Als zu kühlfeuchter Morgenstund sich langsam die ersten Zeltverschlüsse öffnen und sich Vogelsang mit der ein oder anderen Aufsteh-Hymne mischt (die sich keiner gewünscht, aber wohl jeder erwartet hat), ist das Erste, was mir auffällt: Es gibt mehr Klos als gestern! Anscheinend wurden die Gebete erhört, und man hat zusätzlich zu den schäbigen sieben Dixies für knapp 1000 Leute noch eine Ladung herfahren lassen. Wunderbar!

Auch auf dem Konzertgelände hat sich einiges verändert: Jeder, der eintreten möchte, kriegt jetzt erstmal eine Pistole an den Kopf gehalten. Die die Temperatur misst. Zudem gibt es auf dem Gelände nun Sicherheitskräfte, die sich spezifisch darum kümmern, dass alle Besucher zu jeder Zeit ihre Maske richtig anhaben, und am Bühnengeländer befindet sich ein riesiges Graffiti mit der Aufschrift „Maskenpflicht!“.

Dann kann es jetzt ja losgehen.

… mit HELGRINDUR! Die Jungs wissen, wie man mit energiegeladener Musik den Staub von der Bühne bläst, und nutzen die Gelegenheit, das unter Beweis zu stellen. Starke Pagan-Songs mit catchy Refrains animieren erfolgreich zum Mitmachen und Mitgrölen, während der dröhnende Sound sich um den Rest kümmert. Ein Einstieg, der ordentlich Bock macht! Es gibt einen neuen Song und am Ende bleibt sogar genug Zeit für eine Zugabe. Von letzterem wirkt sogar die Band selbst sichtlich überrascht, denn dank DARKENED NOCTURN SLAUGHTERCULTs Ausfall steht heute jeder Band mindestens eine Stunde Spielzeit zu. (Mich)

Helgrindur eröffnen das Fest!

Über die zweite Band des Tages ist schon länger bekannt, dass sie sich auflösen und darum der Auftritt beim WOLFSZEIT 2020 ihr letzter sein würde. Den aber wollen sie sich auch nicht nehmen lassen. Man bekommt schließlich nicht oft die Gelegenheit, auf seiner eigenen Beerdigung zu spielen. TOTENGEFLÜSTER hatten sich bereits auf dem WOLFSZEIT 2018 die Ehre gegeben, damals konnte ich nicht wirklich viel mit ihnen anfangen. Und das ist dieses Mal leider genauso. Zu Beginn des Auftritts wirkt es, als hätte die Corpsepaint tragende Band Schwierigkeiten, einen gemeinsamen Rhythmus zu finden. Dazu kommt die Stimme des Sängers im Gegensatz zu den Instrumenten leider soundtechnisch nicht besonders gut rüber.

Ein Flüstern in dichtem Grabesnebel

Generell hadere ich mit dem Gesang: Da ist irgendwie alles dabei, von Clean Vocals über Gekrächze bis zu markerschütternden Schreien, aber irgendwie ist es nichts Halbes und nichts Ganzes. Der mit Dreads und weißen Kontaktlinsen ausgestattete Sänger wirkt ein wenig unentschlossen. „Mehr Hass!!“, wird lautstark von einem engagierten Zuhörer aus den hinteren Reihen gefordert. Ja gut, wer weiß, vielleicht würde das ja wirklich etwas bringen? Musikalisch gibt es bei TOTENGEFLÜSTER eigentlich nichts zu meckern, sie bieten einen groovigen Sound, der immerhin ein paar Leute anzieht. Aber irgendwie ist das Gesamtpaket schwer zugänglich und hätte mich nach dem Konzert jemand gefragt, „du sag mal, was genau war das gerade eigentlich?“ – ich hätte ihm keine Antwort geben können.

TOTENGEFLÜSTER scheiden dahin als ein Phänomen, das ich nie ganz begriffen habe. Aber immerhin sorgt sich der Sänger um das Befinden der Trauergäste. „Ich hoffe, ihr hattet Spaß auf unserer Beerdigung!“ Ach, naja, passt schon. Über Tote soll man nichts Schlechtes sagen.

So gar nicht elend

Eine Band, deren Name mir in den vergangenen Jahren ständig untergekommen ist, die ich aber bis dato nie so richtig auf dem Schirm hatte, ist ELLENDE. Vielleicht, weil mich die Optik und die Artworks nicht wirklich ansprechen. Von ihrem Auftritt aber werde ich angenehm positiv überrascht.

Denn was die Band aus Graz in Österreich wirklich drauf hat, ist Melancholie. Da steh ich ja voll drauf. Schwermütiger und melodischer Black-Metal, der aber alles andere als eintönig ist. Auch wenn ich keinen einzigen Song kenne, wippe ich beständig mit. ELLENDE sind keine Band zum Headbangen oder seinen Hass in die Welt schreien, im Gegenteil, sie machen einen beinahe traurig. Aber im positiven Sinne.

Melancholie und Kriegsästhetik

Auch ist es eine der wenigen Bands, wo mir mal der Schlagzeuger auffällt. Da die meisten Festivalbesucher trotz meiner Plateauschuhe über mich hinausragen und die Schlagzeuger wenn nicht schon von ihrem Instrument, dann doch oft von den anderen Bandmitgliedern verdeckt werden, bekomme ich sie selten wirklich zu Gesicht. Aber bei ELLENDE habe ich einen guten Platz, und wegen Corona stehen die Zuhörer mit ausreichend Abstand, so dass ich den Schlagzeuger tatsächlich mal beobachten kann. Das macht auch sehr viel Spaß, weil der Typ offensichtlich sehr viel Freude an dem hat, was er da tut. Und zusätzlich klingt es natürlich auch noch gut.

Was soll ich sagen, ich bin positiv überrascht. Auch wenn mich das Streifencorpsepaint des drahtigen Sängers nach wie vor nicht anspricht, genauso wie das Banner im Hintergrund, geziert vom Cover des Albums „Lebensnehmer“,  und der Gitarrist aussieht wie der traurigste Panda, den ich je gesehen habe – ELLENDE würde ich mir wieder anhören. (Merlin)

Als Nächstes stehen dann zwei massive Bretter auf der Bühne: Der Sänger von ASENBLUT und der Sound von ASENBLUT. Scherz beiseite, die Klangqualität weiß bei diesem Gig wirklich zu überzeugen! Sie gibt alles her, was man sich wünschen könnte – massiven Druck und doch genug Klarheit, dass man jedes Instrument im Mix sauber heraushören kann. Musikalisch wirft das Ganze den ein oder anderen AMONAMARTH-Vibe auf, allerdings mit deutlich mehr Blast Beats, Black- und Thrash-Metal-Momenten sowie generell härterem Songwriting. Die Berserker haben zudem kürzlich ein neues Album veröffentlicht und sind deswegen vollbepackt mit frischem Material. Eine in allen Hinsichten überzeugende und sauber abgelieferte Show, zu der sich ein entsprechend großes Publikum zusammengefunden hat. (Mich)

Tetzel von Asenblut

Set fire to the rain

Es ist trotz Corona bereits das zweite Mal dieses Jahr, dass ich HARAKIRI FOR THE SKY live sehe. Beim FIMBUL waren sie kurzfristig als Ersatz für HELRUNAR eingesprungen, beim WOLFSZEIT hatten sie von Anfang an einen Platz im line-up. Als vorletzte Band des Abends wird ihnen auch ein guter slot zuteil. Trotz des beständigen Nieselregens findet sich vor der Bühne eine große Zahl an Zuhörern ein, um in der mittlerweile herrschenden Dunkelheit den Österreichern zu lauschen.

Wer sie (warum auch immer) noch nicht kennt: HARAKIRI FOR THE SKY haben 2012 ihr selbstbetiteltes Debüt abgeliefert und versorgen die Szene seitdem mit melancholischem (Post) Black-Metal. Ihre ergreifenden Melodien vermitteln einen bittersüßen Weltschmerz. Die Musik taugt zum unaufgeregten Headbangen, man kann sie aber genauso einfach mit geschlossenen Augen genießen – beides nehme ich in Anspruch. Gegen Ende allerdings starten drei augenscheinlich gut angeheiterte Gestalten direkt vor mir einen „Moshpit“ (es ist mehr ein betrunkenes Sich-Herumschubsen), so dass ich den Kopf dann doch vorsichtshalber aufrecht lasse.

Die setlist von HARAKIRI gleicht der, die sie schon auf dem FIMBUL hatten. FIRE WALK WITH ME, der opener ihres letzten Albums „Arson“, wird als drittes gespielt und abgerundet wird der Auftritt mit CALLING THE RAIN von „III: Trauma“. Da passt das regnerische Wetter zufällig ganz gut. Ich stehe mittig in ungefähr dritter oder vierter Reihe vor der Bühne. Der Sound hier ist erstaunlich gut, auch wenn die Gitarre leider immer mal wieder verschluckt wird. Aber dennoch kommt diese Atmosphäre auf, die man nur live verspürt: Der gewaltige Sound, die von Scheinwerfern und Strahlern durchbrochene Dunkelheit, die sich mit Nebel und Regen vermischt… das ist nicht Musik hören, das ist Musik erleben.

Harakiri For The Sky in musikalischer Ekstase

Fazit: Dem Auftritt von HARAKIRI beizuwohnen, hat sich gelohnt. Aber hallo. Und das scheinen die Menschen um mich herum genauso zu sehen. Tatsächlich unterhalte ich mich aber nach dem Konzert auch mit einer Festivalbesucherin, die mir erzählt, sie habe nur aus der Ferne zugesehen, denn HARAKIRI FOR THE SKY seien für sie live die langweiligste Band überhaupt. Ich kann das insofern nachvollziehen, als die Musiker auf der Bühne tatsächlich relativ wenig mit dem Zuhörern interagieren. Da wird die Menge halt mal nicht angefeuert. Für mich macht das den Auftritt nicht unbedingt schlechter. Aber das ist ja das Schöne an Festivals: Wenn einem die aktuell spielende Band nicht zusagt, einfach Abwarten und Bier trinken, die nächste Band steht schon in den Startlöchern. (Merlin)

Es folgt ein Moment für die Geschichtsbücher.

WOLFCHANT spielen, nach dem Tod ihres Gitarristen (2017) und einem darauffolgenden Hiatus von mehr als zwei Jahren (ab 2018), zum allerersten Mal wieder live vor Publikum. Und welche Begebenheit würde sich dafür besser eignen als das sagenumwobene WOLFSZEIT 2020, welches, allem Widerstand zum Trotz, in einem Jahr wie diesem dennoch hat stattfinden können? Dem größten Metalfestival Deutschlands 2020, wie Sänger LOKHI feststellt?

Doppelt gewolft hält besser!

Zumindest die Fans in den vorderen Reihen scheinen lange auf diesen Moment gewartet zu haben. Pausenlos sind Mähnen am Wehen und Hälse am Klingen, und auch die direkt aus dem Studio kommenden Wölfe sind alles andere als eingerostet. Vor allem das saubere Drumming sorgt dabei für einen stabilen Rahmen – während leider der Sound ein paar Songs braucht, bis die beiden Sänger passend aufeinander abgemischt und die Gitarrenparts alle gut hörbar sind. Ansonsten ist aber alles genau so wie es muss. Die Songauswahl ist super und die Menschen auf und vor der Bühne sind mit ganzem Herzen dabei. Willkommen zurück, WOLFCHANT! Eine würdige Wiederkehr. (Mich)

Die nächste Band sind in diesem Fall die Polen von MGLA. Von den WOLFSZEIT-Besuchern schon lange gewünscht, haben sie es endlich ins line-up geschafft und bestreiten heute den letzten Auftritt des Tages. Obwohl es langsam ziemlich kalt und ungemütlich wird, finden sich unzählige Zuhörer vor der Bühne ein. Das ist auch das erste Mal bei diesem Festival, wo ich bemerke, dass der Corona-Sicherheitsabstand nicht so genau genommen wird. Immerhin haben aber alle um mich rum eine Maske auf.

Apropos Masken – die dürfen natürlich auch bei MGŁA nicht fehlen. Wie immer zeigen sich die Musiker nur verhüllt und liefern ohne großes Tamtam eine solide Show ab. Normalerweise bin ich ein großer Fan des MGŁAschen Black-Metals, aber irgendwie kann ich von HARAKIRI FOR THE SKY, die ja direkt davor gespielt haben, nicht schnell genug umschalten. Und so tue ich mich schwer, den Auftritt von MGŁA richtig zu genießen. An ihrer musikalischen Leistung liegt es nicht, die ist wie immer top. Ich glaube, der Kontrast ist einfach nur zu groß.

MGŁA in der Schwärze

Mir wäre es lieber gewesen, wenn diese letzten beiden Bands am heutigen Freitag nicht direkt hintereinander gespielt hätten, aber man kann es sich nicht aussuchen, und nichtsdestotrotz bin ich froh, beide Auftritte miterlebt zu haben. Kaum haben MGŁA die letzten Töne verklingen lassen, kommt übrigens auch schon die Security, um freundlich aber bestimmt das Infield zu räumen. Nix mit Party heute. Aber macht nichts, dann gehen wir halt mal früh (also so um halb 2 nachts) ins Bett. Morgen ist schließlich auch noch ein Festivaltag.

Apocalypse now

…Und der beginnt mit strömendem Regen. Alter Falter. Nicht nur wegen Corona ist es lange her, dass ich auf einem Festival so ein Dreckswetter erlebt habe. Die 9°C Außentemperatur waren dem Wettergott nicht böse genug, nein, es muss auch noch schütten wie aus Eimern. Das eigentlich geplante Frühstück im Freien wird kurzerhand ins Zelt verlegt, welches zum Glück dichthält. Trotzdem macht das schlechter Wetter ziemlich faul und unmotiviert, und so bin ich froh, dass Mich heute die erste Band übernimmt und als erstes raus in den Regen muss, hehe. (Merlin)

Wenn man morgens im Zelt von prasselndem Regen aufgeweckt wird, so ist es normalerweise das Klügste, einfach das Ende der Schauer abzuwarten und dann aufzustehen. Wenn allerdings das Handy sagt, dass es noch mindestens bis 17 Uhr weiterschütten wird (und ab da „nur noch“ mit 95 prozentiger Wahrscheinlichkeit), bleibt einem nicht viel anderes übrig, als doch aufzustehen und sich mit seinem Schicksal abzufinden. Als Bonus-Feature zu der sowieso schon beschissenen Situation ist durch die Dauerbegießung die ganze Pferdekacke vom trockenen in einen schön saftig dampfenden Zustand übergegangen.

Trotz allem bleibt mir wohl nichts übrig, als durch Schlamm, Pfützen und Tierfäkalien zu waten und mich in Nässe und Kälte aufs erste Konzert des Tages zu begeben. HEXADAR! Leider treffen hier eine Reihe ungünstiger Faktoren aufeinander. Erstens merke ich relativ schnell, dass der dargebotene Musikstil mich persönlich nicht sonderlich anspricht. Hinzu kommt, dass Regen und Wind einem Bühnensound selten guttun, und das ist leider hier nicht anders. Die Klänge des Akkordeons sind teilweise kaum identifizier- respektive hörbar und generell fehlt es dem Soundbild an Tiefe. Außerdem fängt die Kälte an, sich von meinen Füßen an sukzessive nach oben zu fressen, und überhaupt ist alles doof weil nass und matschig. Schade, denn rein spieltechnisch scheint alles zu stimmen! Immerhin finden sich vor der Bühne zwei bis drei Reihen an Zuschauern, die mit der Situation offenbar mehr anfangen können als ich.

…und Foto haben wir leider auch keins gemacht 🙁 Sorry!

Nach dem Konzert begebe ich mich, durchgefroren, erstmal zurück zum Camping und tausche meine gesamten, triefenden Klamotten aus. Ein neues Paar Schuhe leiht mir eine Freundin. Diese sind mir zwar zu klein, aber immerhin sind sie trocken und wasserdicht. Mindestens drei Stunden Regen kommen noch, da ist man besser gut gewappnet. (Mich)

Wetter vs. Band

Die zweite Band am heutigen Samstag sind KANKAR aus Thüringen. Ganz ehrlich: Noch nie vorher gehört. Und der anhaltende Regen trägt leider auch nicht unbedingt zur Vorfreude bei. Trotzdem kämpfe ich mich durch den pampigen Matsch übers Infield und vor die Bühne, um dort festzustellen, dass es sich bei KANKAR um eine Zweimann-Formation handelt. Gitarre plus Gesang und das Schlagzeug müssen ausreichen.

Tun sie aber auch. Der Sound hat genug Wumms, um den Regen zu durchbrechen und immerhin eine zweistellige Zuschauerzahl dazu zu bewegen, der Sintflut zu trotzen und aus nächster Nähe zu lauschen. Für zwei Songs halte ich es auch aus, dann zieht es mich aber doch unter die allzu verlockende Plane des mit Bierbänken und Tischen ausgestatteten Fresszeltes – einer der wenigen schutzbietenden Orte. Von hier aus lausche ich weiter dem nihilistischen Black-Metal.

Zwei-Mann-Black-Metal mit Kankar

Ob denn auch Thüringer unter den Menschen vor der Bühne seien, will der Gitarrist nun wissen. Aber die scheinen sich ebenfalls einen Unterstand gesucht zu haben. KANKAR haben heute einfach wahnsinnig Pech. Ihr Auftritt hat definitiv das Potential für eine größere Zuhörerschaft, aber dieser verf****e Dauerregen in Kombination mit den beinahe winterlichen Temperaturen zwingt die meisten Festivalbesucher unerbittlich, sich von der Bühne fernzuhalten. Respekt an alle, die da zugunsten der Musik dem Sauwetter den Mittelfinger zeigen und in der ersten Reihe auszuharren! (Merlin)

Einigermaßen trocken und voller frischer Energie stehe ich wieder vor der Bühne, als OBSCURITY die ersten Töne erklingen lassen. Und es sind gute Töne! Makelloses Instrumentenspiel, makellose Growls und trotz der Umstände ein sehr ordentlicher Sound. Die Double Bass hat ordentlich Wumms und die Setlist ist durchgehend druckvoll und energetisch. Nicht fehlen darf natürlich der Klassiker „Bergischer Hammer“, und am Ende sind alle glücklich und zufrieden. OBSCURITY ist außerdem das Gleiche passiert wie vielen anderen Bands (auch WOLFCHANT): Ein neues Album hätte längst fertig sein sollen, doch dank Corona (und allem, was es mit sich gebracht hat) wird sich das aufs nächste Jahr verzögern. (Mich)

Obscurity gegen den Regen

…und das bedeutet Krieg!

Ein bisschen Gothic darf bei diesem gruseligen Wetter natürlich nicht fehlen. Dafür sorgen NACHTBLUT, die am 2. Oktober ihr neues Album „Vanitas“ veröffentlichen und uns heute schonmal einen kleinen Vorgeschmack geben. Leider regnet es immer noch ununterbrochen und die Kälte zieht mir durch Mark und Bein. Dennoch wage ich mich nach vorne, um dann zu bemerken, dass der Sound irgendwie etwas dünn ist. Aber immerhin ist die Band gut aufgelegt und hat ernsthafte Ambitionen, ihre Zuhörer bei der Stange zu halten.

Vor allem der weißblond gefärbte Bassist hat sichtlich Spaß, und Sänger Askeroth animiert die Menge zum Mitsingen. „Und jetzt die Herren! Und jetzt die Frauen! Und jetzt jeder, der eine Maske trägt!“ Jou, das dürften wohl die meisten sein. Dennoch ist er mit dem Ergebnis offenbar nicht zufrieden: „Ich hör ja gar nichts! Liegt das am fucking Mundschutz?!“ Auch die Götter, die vermeintlich für das anhaltende Dreckswetter verantwortlich sind, werden angepöbelt.

Nachtblut und der Blick zum Horizont

Neben Altbekanntem geben NACHTBLUT auch zwei Songs aus ihrem neuen Album zum Besten. Die gehen in der Tat ganz gut ab, gefällt mir! Aber der Klassiker schlechthin darf natürlich nicht fehlen, und so wird gegen Ende ihres Auftritts, na, was wohl gespielt? Genau, „Antik“. Zwischenzeitlich kommt mir der Gedanke, dass ich NACHTBLUT gerne mal bei Nacht auftreten sehen würde. Das gäbe bestimmt nochmal einen Bonus an düsterer Atmosphäre. Aber dann ist die Schlacht auch schon geschlagen und ich verziehe mich fröstelnd wieder unter die große Plane des Schutzbunkers aka Fresszelt.

Der Name ist Programm

Geliebt, gehasst, aber vor allem von der Bühne nicht mehr wegzudenken: Das sind EISREGEN! Kein Name könnte auf den heutigen Tag besser passen. Die Band aus Thüringen ist seit mehr als 20 Jahren aktiv und war schon diverse Male beim WOLFZEIT FESTIVAL zu Gast. Ich habe das Gefühl, auch ihr Publikum ist jedes Mal das gleiche. Ein Haufen treuer Fans feiert vor der Bühne im strömenden Regen, der Rest der Festivalbesucher vertreibt sich die Zeit aber lieber mit einer warmen Mahlzeit oder einem Becher Met, wahlweise Glühwein.

Die setlist von EISREGEN ist wenig überraschend: „Eisenkreuzkrieger“, „Blutgeil“, „Panzerschokolade“, und natürlich das Medley aus diversen Songs von ihnen, die auf dem Index stehen. Das Altbekannte halt. Ein bisschen was Neues wird auch gespielt, aber die Zuhörer möchten die Klassiker, und die bekommen sie auch. In den vorderen Reihen bildet sich ein kleiner, aber feiner Moshpit. Sänger Michael „Blutkehle“ Roth feuert die Menge kräftig an und bringt immer wieder den ein oder anderen lustigen Spruch zum nächsten Lied.

Die Blutkehle von Eisregen

Beim letzten Song drehen die Thüringer nochmal richtig auf und geben eine wilde „Elektrohexe“ zum Besten. Spätestens jetzt dürften die Herzen der Fans befriedigt sein. Wer sich heute tatsächlich aus der individuellen Deckung gewagt und vor die Bühne getraut hat, der konnte mit EISREGEN Party machen bis zum Umfallen. Ich bin leider nicht genug auf und ab gehüpft, und deshalb husche ich nun vor Kälte zitternd vom Infield, um mich vor BELPHEGOR und БАТЮШКА noch einmal so gut es geht aufzuwärmen. (Merlin)

Guter Gig, bitterer Nachgeschmack

Es folgen EQUILIBRIUM, heute in einer Light-Version: ohne Basser und mit Ersatzmann an der Trommelkiste. Eines der Nachteile daran, in diesen Zeiten aus einer internationalen Mannschaft zu bestehen. Überraschenderweise ist dies ein Line-Up, das der Band sehr gut steht! Schlagzeuger JAN (Yann?) beherrscht seine Zunft – und ohne SKAR am Bass gibt es in der Band keinen, der für Clean Vocals zuständig ist. Für mich ist die daran angepasste Setlist persönlich eher ein Gewinn als ein Verlust. Dabei gibt es auch hier wieder richtig ordentlichen Sound! Die Klampfen werden mit massiver Heaviness und Wucht gesegnet (eventuell um den Bass zu kompensieren), während Instrumente und Backing-Tracks diesmal perfekt ineinanderfließen (etwas, das bei dieser Band bei weitem nicht immer der Fall ist!). Auch die Auswahl an brachialeren und düstereren Songs funktioniert heute sehr gut.

Heute keine Kompromisse!

Maximale Minuspunkte kriegt die Band allerdings für die Aussagen, die Sänger ROBSE meinte, zwischen den Songs von sich geben zu müssen. Erst glaubte ich, es handele sich um Ironie, als er mehrmals von Maulkörben in den Gesichtern der Zuschauer geredet hat. Doch als dann die Aussage „Wir sind alle gesund, lasst euch keine Scheiße einflößen!“ kam, dachte ich, ich höre nicht richtig. Selbst wenn man diese Meinung vertritt und sich der Dummheit und Unverantwortlichkeit davon, so etwas von der Bühne aus in die Masse zu posaunen, nicht bewusst ist – selbst dann ist es immer noch eine gewaltige Frechheit dem Orga-Team des Festivals gegenüber, welches mit Händen und Füßen dieses Festival mit Müh und Not und nur durch peinlichstes Einhalten vorgegebener Regeln hat wahr werden lassen können. Die Besucher wurden hiermit unverblümt und buchstäblich dazu aufgefordert, die Situation sowie die Regeln nicht ernst zu nehmen. Nicht cool. Absolut nicht cool.

Eine späte Messe

Nach dem Konzert gibt dann eine spontane Änderung im Running Order: БАТЮШКА tauschen ihren Headliner-Slot mit BELPHEGOR. Gründe dafür werden nicht bekanntgegeben. An und für sich ist das wohl in Ordnung, jedoch lassen БАТЮШКА ihr Publikum, begleitet von gruseligem Ambient-Soundtrack, mehr als eine halbe Stunde länger vor der Bühne warten als geplant. Als endlich der Mensch die aufgebaute Kirchenszene betritt, der für das Anzünden der Kerzen verantwortlich ist, bläst ihm der Wind letztere auch noch immer und immer wieder aus. Und es sind viele Kerzen. Und der geht seelenruhig wieder hin und fängt sie wieder an. Während sie schon wieder am Ausgehen sind. Es macht mich verrückt. Nach dem fünften Versuch gibt er es dann endlich auf, und mit knapp 35 Minuten Verspätung kommt dann auch endlich mal die Band zum Vorschein. Wenigstens hat es mittlerweile aufgehört zu regnen.

Halleluja, es geht los!

Was dann folgt, ist das Warten allerdings mehr als wert. Ein finster-sakrales Schauspiel, schwarze Silhouetten vor unheilvollem roten Licht, Kirchenchor und Blast Beats – das Ganze umrahmt von einer Szenerie, die düstere Bilder altehrwürdiger Trauermessen hervorruft. Ein behängter Sarg, Tuniken, Heiligenbilder und Kerzenständer dekorieren das Bühnenbild zu der intensiven, hypnotischen Musikoffenbarung, mit der BATUSHKA ihre Anhänger segnen. Bedrohlich und atmosphärisch verschwimmt alles zu einer konzentrierten Gesamterfahrung, die die Zuschauerschar in sich hineinzieht und bis zum Ende nicht mehr hinauslässt. Erst spät merke ich, wie Kälte und Müdigkeit mich schon lange wieder eingenommen haben. Ich mache mich schleunigst zum Zeltplatz zurück, setze mich ins Auto und drehe die Sitzheizung auf Maximum. (Mich)

Ein würdiger, aber wenig würdevoller Abschluss

Es ist kalt, es ist spät, aber immerhin regnet es nicht mehr. Trotzdem muss ich mich einigermaßen gewaltsam dazu motivieren, ein letztes Mal das Infield zu betreten, um wenigstens etwas von BELPHEGOR mitzubekommen. Andere Festivalbesucher scheinen ebenfalls mit der Entscheidung gerungen zu haben. Besonders viel ist nicht los von der Bühne, und auch während des Konzerts verschwinden immer wieder Menschen in Richtung Ausgang. Ob das nur am Wetter oder auch ein bisschen an BELPHEGOR liegt?

„Wolfszeit! Wolfszeeeiiit!!! Come on!! Deutschland! Deutschlaaand!“, versucht der Sänger die verbliebenen Zuhörer zu motivieren. Besonders viel Reaktion kommt aber nicht zurück. Vielleicht auch deshalb, weil die deutschen Konzertbesucher es nicht zwangsläufig abfeiern, wenn ihnen der Name ihres Landes entgegengebrüllt wird. Musikalisch ist das, was BELPHEGOR da treiben, aber echt in Ordnung. Black-Death, unterstützt von gruseliger Bühnendeko und gespielt von blutverschmierten Musikern.

Ein richtiges Foto vom Belphegor-Konzert

Vereinzelt sehe ich Leute mitwippen oder sogar headbangen, bei den meisten scheint die Energie aber verbraucht zu sein, und so geht der letzte Auftritt des diesjährigen WOLFSZEIT recht unspektakulär zu Ende. Wie schon gestern Abend weist die Security die verbliebenen Zuschauer an, zügig das Infield zu räumen. Ich stapfe also langsam Richtung Ausgang und habe dabei erstmals die Gelegenheit, das volle Ausmaß der Zerstörung zu begutachten:

Der gesamte Boden ist voll von Plastikbechern. Also nicht nur hier und da mal einer, sondern das Infield, vor allem der Bereich vor der Bühne, ist gepflastert mit ihnen. Ey Leute! Muss das wirklich sein? Ja, es die wenigen Mülleimer in Bühnennähe sind auch schon übervoll. Aber dann geht halt etwas weiter hinter zu denen bei den Essensständen, gebt eure Becher wieder dort ab, wo ihr sie herhabt, oder nehmt sie von mir aus mit auf den Campground und steckt sie dort in euren Müllsack (ja, ich weiß, als ob das einer machen würde). Aber das Infield wie sau zu hinterlassen, geht halt wirklich gar nicht. (Merlin)

Fazit

Puh! Wer hätte gedacht, dass das größte deutsche Metal-Festival 2020 ein derart feucht-fröhliches Vergnügen werden würde? Oder soll ich lieber sagen derart grim und frostbitten? Dass wir uns dadurch die Freude an der Sache nicht haben nehmen lassen, sollte an diesem Punkt klar sein. Wind und Wetter wurden getrotzt, der Pandemie wurde verdient der Mittelfinger ins Gesicht gehalten und es wurde nach allen unter diesen Umständen erlaubten und möglichen Regeln der Kunst gefeiert, geheadbangt und getrunken.

Nicht nur für die Zuschauer war diese Veranstaltung eine lang ersehnte Erlösung am Ende eines langen Sommers ohne viel Geselligkeit, Live-Musik und Opportunitäten, dem Metal zu frönen. Auch viele der Künstler konnten von der Ausnahmesituation profitieren, um endlich wieder auf der Bühne zu stehen zu dürfen. Das WOLFSZEIT 2020 war wahrlich ein Fest der Wiedergeburt und der Erneuerung. Ein gesetztes Zeichen dafür, dass die Kunst immer einen Weg findet, und dass kein Sturm und kein noch so langanhaltender Regenfall – metaphorischer oder realer Art – daran etwas ändern wird. (Mich)

Holla die Waldfee, was war das für eine Bewährungsprobe. Und damit meine ich nicht die Corona-Maßnahmen, sondern das unsägliche Herbstanfang-in-eure-Fresse-Wetter. Abgesehen davon war das WOLFSZEIT aber ein voller Erfolg. Trotz der Masken war den Besuchern die Freude über das doch noch zustande gekommene Festival buchstäblich vom Gesicht abzulesen.

Einen fetten Dank an dieser Stelle an die Orga, die ihren treuen Wölfen dieses Erlebnis auch in Coronazeiten ermöglicht hat!

Die Pandemie hatte übrigens auch Vorteile: Dank des Hygienekonzeptes gab es bei den Dixis auf dem Infield Wasser zum Hände waschen – das darf gerne so beibehalten werden! Auch Desinfektionsmittel war an Ein- und Ausgang immer ausreichend vorhanden. Was mir negativ auffiel, war der Zustand des Infields am Samstagabend. Vielleicht nächstes Jahr mehr Mülleimer seitens der Veranstalter und mehr Respekt seitens der Besucher. Insgesamt war es aber ein fettes Festival, das mir und hoffentlich auch allen anderen positiv in Erinnerung bleiben wird! trotz des miesen Wetters. Aber hey, das Ganze hatte einen Vorteil: Keine einzige Wespe weit und breit!

Was soll ich noch sagen – WOLFSZEIT 2020? Es war großartig mit euch. (Merlin)

Cheers und bis zum nächsten Mal!

Vielen lieben Dank an Zwarg, der spontan für uns als Fotograf eingesprungen ist!


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