SILENCE-SCHATZSUCHE #5: WOODS OF YPRES – Woods 5: Grey Skies & Electric Light

Manche Metal-Alben sind nicht wie andere. In einem riesigen, unübersichtlichen Haufen aus mediokren bis akzeptablen Werken kommt es manchmal vor, dass man auf die eine außergewöhnliche, leuchtende Perle stößt. Eine Kreation, die aus allen Perspektiven Perfektion ausstrahlt – und dabei oft von viel zu wenigen Menschen wahrgenommen wird. Kommt mit den Autoren des Silence-Magazins auf eine Suche nach der goldenen Nadel im stählernen Heuhaufen der Metal-Musik! Wir präsentieren euch hier unsere persönlichen Schätze – Alben, die für uns die einen unter Tausenden darstellen, und die wir mit euch, liebe Leser, gerne teilen möchten. Auf zur SILENCE-Schatzsuche!

Während ich diese Review schreibe, bin ich auf dem Weg zu einer Trauerfeier. Es ist Ende November, der Himmel ist so getrübt, dass es schwer fällt, zu sagen, wie spät es ist. Der Zug kämpft sich quer durch kahle Laubwälder, die leblos anmutenden Äste der nackten Bäume stechen wie Mahnmale in den kalten Nebel, der sich in den Tälern wie ein lähmendes Gift breitgemacht hat.

Sogar das sonst so unverwüstliche Ufergestrüpp der Elbe hat sich dem Winter hingegeben. Und je tiefer ich ins Land hineinfahre, desto dichter mischt sich der Schnee, in dem sich das dreckige Weiß des Himmels zu spiegeln scheint, mit verrottenden Buchenblättern.

Der Soundtrack zu diesem Moment? WOODS OF YPRES.

WOODS OF YPRES Sänger David Gold

Obwohl die ganze Diskografie dieser Band dafür hinhalten könnte, habe ich mich für „Woods 5: Grey Skies and Electric Lights“ entschieden. Der letzte Atemzug des Werkes einer einzigartigen Band, das viel zu früh und tragisch sein Ende gefunden hat.

Überschattet wird der Release des 5. Albums (beziehungsweise 4. Studioalbums) von WOODS OF YPRES von dem tragischen Ableben des Sängers David Gold. Nur zwei Monate vorher stirbt der Gerüchten zufolge von Depressionen heimgesuchte Sänger mit nur 31 Jahren – vermutlich – an den Folgen eines Autounfalls. Möglicherweise war es eine Kollision mit einem anderen Auto, nachdem er aus seinem ausgestiegen war, die ihn das Leben kostete. Genaueres ist leider nicht bekannt – sein Tod wird für die Fans wohl immer mit Spekulationen verbunden sein.

When I die, just kiss my ashes goodbye

Denn wie schon erwähnt, wurde der Mann mit der goldenen Stimme wahrscheinlich selbst von bösen Geistern geplagt – das zumindest schließen seine Fans aus seinen Tweets und Texten. Deren Themen reichen von Selbstzweifeln über emotionale Abgründe bis zum Suizid. Allerdings standen Songs wie Kiss My Ashes (Goodbye)“ stets Seite an Seite mit Songs wie „Death Is Not An Exit“. Es scheint also, als wäre die Musik von WOODS OF YPRES das Vermächtnis eines stetigen Kampfes gegen die bösen Geister.

Abseits der traurigen Umstände lohnt es sich aber natürlich auch, den Fokus auf die musikalische Leistung der Band zu legen. David Gold war WOODS OF YPRES‚ einziges stetiges Mitglied und hat die musikalische Entwicklung der Band damit maßgeblich geprägt. „Woods 5: Grey Skies and Electric Light“ bewegt sich im Vergleich zu seinen Vorgängern stärker im Gothic- und Melodic-Doom-Bereich und verarbeitet weniger Black Metal Elemente, was der Stimmung des Albums aber keineswegs schadet. Gerade Freunde von TYPE 0 NEGATIVE und Co. dürften sich mit der Scheibe sehr wohlfühlen. Stimmlich bewegt sich Sänger Gold zwischen Gesang im Steele-ähnlichen Bass-Baritonbereich bis hin zu Growling und Screams in den härteren Songs. Allerdings ist die Gesamtstimmung der Scheibe eher bedrückend und langsam gehalten.

You are too rich for hate and I’m too poor to love

Ich denke, jeder, der in seinem Leben schon einmal Probleme mit sich selbst, seinem Leben oder seiner Beziehung hatte, wird auf diesem Album fündig werden. Zu meinen persönlichen Favoriten gehört beispielsweise „Travelling Alone“, das sich unter anderem mit Glauben auseinandersetzt – einem Thema, das mich mein ganzes Leben beschäftigt hat und mit dem ich regelmäßig wieder konfrontiert werde. Der Mann, dessen Trauerfeier ich heute besuche, war sehr gläubig – und auch sehr jung. Ob er in seinen letzten Stunden Kraft aus seinem Glauben schöpfen konnte?
Ich weiß es nicht. Aber es würde mich sehr interessieren.

Der ruhigste Song des Albums ist wohl „Finality“, ein Track, der mich mit seinen hoffnungsvollen wie tieftraurigen Klavier- und Geigenparts in einen lähmenden Zustand des Innehaltens versetzt. Aber WOODS OF YPRES machen nicht wirklich „nur“ traurig. Sie lassen dich trauern, um das Leben, die Liebe oder verschwendete Zeit, und sie nehmen dich in den Arm, um dich zu trösten. Als glänzendes Beispiel dafür steht der auf „Finality“ folgende letzte Track „Alternate Ending“. Der legt sich wie eine wärmende Decke um deine Schultern, nachdem die zusätzlichen 20 Sekunden Stille am Ende von „Finality“ dem Hörer schon das Ende des Albums suggerieren. Alternate Ending“ wirkt wie Golds letzte Nachricht an den Hörer.

In the end, was there anyone to share in your joy?
I woke up for years without you, to realize it was already over, for me

„Am Ende, war da jemand, mit dem du deine Freude teilen konntest?
Ich bin jahrelang ohne dich aufgewacht, um zu realisieren, dass es für mich schon vorbei war.“

Um es kurzzufassen: Kämpft für das, was Ihr liebt. Das Leben ist kostbar, und es ist so kurz. Irgendwann ist es vielleicht zu spät, den richtigen Weg einzuschlagen.

Holding on…

Ich denke, das Album lädt jeden seiner Hörer ein, sich mit sich selbst und seinem Leben zu beschäftigen. Nehmt Euch eine ruhige Stunde und lasst die Hinterlassenschaften von David Gold und WOODS OF YPRES auf euch wirken. Schildert Eure Erfahrungen, wenn Ihr wollt. Ich bin neugierig.

Für alle Interessierten empfehle ich außerdem Songs wie „Shards Of Love“, „You Were The Light“ und „A Meeting Place And Time“. Hier findet Ihr das ganze Album auf Youtube.


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