Du liest diesen Beitrag, weil unsere Autoren lieben, was sie tun - wenn du ihre Arbeit liebst, kannst du uns, wie andere schon, unterstützen. Wie? Mit einem kleinen monatlichen Beitrag über
Zwangsbeschallung durchs Radio – Teil 1
Wünscht ihr euch nicht auch manchmal, ihr hättet ein Paar Ohrenstöpsel dabei? Nee, ich mein jetzt nicht auf nem Festival oder nem Konzert, sondern einfach ganz alltäglich. Einfach mal dem Geplapper der Kollegen entschwinden oder viel besser, der Hintergrundbeschallung aus dem Arbeits-Grammophon entkommen.
Nee, jetz ma Spaß beiseite und Butter bei die Fische!
Denjenigen von uns, denen es bei der Arbeit überhaupt gestattet ist, Beschallung laufen zu lassen, wissen was ich meine … Man kommt morgens zum Arbeitsplatz und schon wird man mit dem Geträller aus dem Radio begrüßt. Da verliere ich schon nach zehn Minuten jede Motivation und sehne mich nachm Feierabend, denn ich weiß, es wird nicht besser.
Den ganzen Tag vier verschiedene Songs in gefühlter Endlosschleife. Da wird man doch wahnsinnig bei, oder etwa nicht? Diese inflationäre Dauerschleifen-Endlosbeschallung kann doch nicht im Sinne des Betrachters – äähh, Zuhörers – sein? Ich weiß ja nicht, wie es euch so damit ergeht, auf jeden Fall kenne ich verschiedene Möglichkeiten, damit am Arbeitsplatz fertig zu werden. Dazu dann später mehr.
Aber woran liegt es denn überhaupt, dass (nicht nur) wir, die ja bekanntermaßen eine Präferenz für ein inhaltlich und musikalisch anspruchsvolleres Genre haben, die Radiomucke größtenteils so verachten?
Nun, ich behaupte mal ganz platt, dass sich diese Frage nicht so einfach beantworten lässt, da es sehr viele Aspekte gibt, die zu einer abneigenden Haltung gegenüber kommerziell laufender Pop-Musik im Radio führt.
Ich denke, der erste Grund ist noch nicht einmal genrespezifisch, sondern lässt sich ganz plump auf jedes beliebige Musikgenre übertragen. Ihr könnts garantiert erraten und ich hatte es eingangs auch schon einmal erwähnt: es ist die ständige Endloswiederholung einer kleinen Fülle von Songs, über den ganzen Tag verteilt.
Oder fändet ihr das toll, wenn den ganzen Tag „Fear of the Dark“, „Enter Sandman“ und „Ace of Spades“ rauf und runter dudelt? Irgendwann ist das dann auch nicht mehr schön.
Um euch das aber auch nochmal kurz schmackhaft zu machen, gehe ich einfach mal von dem Radiosender aus, der bei mir den ganzen Tag während der Arbeit läuft (klagendes Seufzen des Autors …). WDR 2 spielt während der – teils sehr langen – acht Stunden, gefühlt eine Handvoll Songs. Damit es nicht ganz so auffällt, wird zwischendurch mal die Reihenfolge in der Playlist gewechselt. Da haben wir dann zum Beispiel die Playlist mit: „Human“ (Rag´n´Bone Man), „Wenn sie tanzt“ (Max Giesinger), „Chöre“ (Max Forster) und „Bonnie & Clyde“ (Sarah Connor). Ich behaupte nicht, dass besagte Songs nicht anspruchsvoll, inhaltlich lasch oder die Künstler musikalisch unbegabt sind. Manchmal sogar ganz im Gegenteil. Aber die Frage, die ich mir jetzt stelle, ist ganz einfach:
Warum, zum Teufel, laufen diese Titel immer und immer wieder?
Zum einen wird natürlich die Liste der aktuellen Charts durchgegangen und geschaut, welche Songs da am weitesten oben stehen. Tja, und genau das bedeutet, diese Songs sind am beliebtesten, gefallen den meisten Hörern und werden deshalb auch umso häufiger wiederholt. Eigentlich ne ganz einfach Kiste, oder? Gut, warum schwer, wenns auch einfach geht, denken sich die Damen und Herren der Schöpfung in der Musikredaktion bestimmt. Aber das kann doch bestimmt nicht alles sein, warum diese Endlosschleife nicht mal aufgelöst wird.
Schon lange habe ich mir darüber Gedanken gemacht und diese Überlegung scheint vielleicht auch gar nicht so abwegig. Wir alle haben das schon mitbekommen, ein dreifaches Hoch auf die empirischen Zahlenjongleure unserer Gesellschaft, die unser gesamtes Leben in Zahlen erfassen! So auch unserer musikalischen Vorlieben. Naja, „unsere“ sind damit vermutlich nicht gemeint, denn dann wäre die Beschallung aus der Quäke wesentlich mehr von den süßen Klängen einer Gitarre, eines Schlagzeugs…naja ihr wisst was ich meine…geprägt.
Vielmehr wird der „beste Mix“ (Slogan des Lokalradios in meiner Heimat) auf die breite Masse abgestimmt. Und genau da kommen wieder die Charts ins Spiel, die zum Großteil aus platten Popsongs bestehen, die sich kaum voneinander unterscheiden, auch wenn es einige Ausnahmen gibt. Es gibt also nicht umsonst das Gerücht, dass das Radioprogramm auf Quoten basiert, die vorschreiben, wie viel Prozent Charts und wie viel Prozent anderes Zeug gespielt wird.
Wenn aber ein Sender sich auf die Stirn schreibt: „Wir spielen den besten Mix“, dann heißt das für mich, es werden so viele Musikgenres wie möglich bedient, um möglichst viele Hörer bei Laune zu halten. Ist nur doof, dass dieser Mix so gut wie gar nicht vorhanden ist! Natürlich wirft jetzt der allgemeine Radiohörer das Argument in den Raum, dass für die Menschen, die gerne Rock hören, ja gefühlte zweimal im Jahr „Nothing Else Matters“ und ungefähr einmal im Monat „Tage wie diese“ von den Toten Hosen gespielt wird. Aber ich finde, das ist doch verdammt nochmal kein Mix!!
Ach ja, ich kann ja mal kurz noch eine kleine Anekdote von meinem Arbeitsplatz erzählen:
Wir schreiben einen Tag Ende November letzten Jahres. Es ist der Tag vor der Veröffentlichung des neuen METALLICA-Albums „Hardwired to Self-Destruct“. James, Lars, Kirk und Robert sind in Deutschland auf Radiotour und geben Interviews. So kommt es, dass Lars bei WDR 2 im Studio zu Gast ist und Rede und Antwort steht. In der Folge wird auch der Titelsong „Hardwired“ im Radio gespielt und ich muss euch nicht erklären, dass der Song schon ganz gut scheppert.
Die Reaktion meines geschätzten Herrn Kollegen: „Was soll denn der Scheiß?! Dieser Mist hat doch nichts im Radio zu suchen, das will doch keiner hören!“
Darauf ich: „Es gibt genug Menschen dort draußen, denen sowas gefällt und es ist wichtig, dass auch so ein Genre mal auf einer solchen Plattform zu hören ist. Oder willst du die Bedeutung von METALLICA für die allgemeine Musikwelt abstreiten?“
Darauf keine Antwort.
Was ich damit sagen will ist, Radio als Massenmedium hat die Möglichkeit, stündlich, täglich und wöchentlich so viele Menschen zu erreichen. Genau deshalb sollte auch für jeden Musikgeschmack etwas dabei sein und das nicht nur ein Song die Woche! Klar, es hören weitaus mehr Menschen Pop, als Rap und Metal, aber liebe Radiomacher, gebt auch diesen Genres den Platz im Programm, den sie verdienen!
So wie es jetzt ist, verliert das Radio seine Qualität und rutscht in die Schiene eines musikalisch nervenden, inhaltlosen, langweiligen und demotivierenden Hintergrundgequäkes ab. Das ist Scheiße und macht jeden Arbeitstag und jede Autofahrt ein Stück weit mieser!
Also bitte liebe Rundfunkmenschen, erbarmt euch und habt ein Herz für musikalische Vielfalt. Ihr würdet viele Menschen damit weitaus glücklicher machen!
So und jetzt die wohl wichtigste Frage zum Schluss … Wie kann man sich denn nun eigentlich gegen die nervige Beschallung am Arbeitsplatz wehren?
Meiner Meinung nach gibt’s drei verschiedene Möglichkeiten. Erstens, getreu nach dem Motto „Ohren zu und durch“, noch mehr arbeiten, sodass die Zeit schneller vergeht und man so schneller wieder seine Lieblingsscheibe auflegen kann, wobei diese Methode auf die Dauer bestimmt sehr anstrengend werden kann.
Zweitens, „Ohren auf, meckern und durch“. Diese Variante macht das Hören vielleicht ein kleines bisschen erträglicher. Man lässt den Frust über die schlechte Musik einfach raus und nervt so lange die Kollegen, bis das Geträller bestenfalls ausgeschaltet wird. Ziel erreicht!
Bei der meiner Meinung nach dritten und besten Methode dreht man den Spieß einfach um. Lasst einfach mal richtig schönen Thrash-, Death-, oder Sonst-was-Metal laufen und beschallt damit eure Kollegen. So erleben die mal, was wir Tag für Tag durchmachen und ihr habt euren Spaß dabei. Danach, das verspreche ich, kommt ihr so gut gelaunt nach Hause, wie schon lange nicht mehr!
Es gibt aber auch noch eine vierte Methode: man fragt einfach bei der Quelle allen Übels mal nach, was da los ist. Und warum! So haben wir es auch gehalten und hatten ein wirklich aufschlussreiches Gespräch mit WDR 2 Musikchef Stephan Laack, welcher interessanterweise in Teilen dieselben Ansichten vertritt, wie unser Big Boss Alex. Welche das sind, erfahrt ihr in Teil II. Viel Spaß!
Du liest diesen Beitrag, weil unsere Autoren lieben, was sie tun - wenn du ihre Arbeit liebst, kannst du uns, wie andere schon, unterstützen. Wie? Mit einem kleinen monatlichen Beitrag über