Die Kanone(nfieber) zum Panzer(museum) – es kommt zusammen, was zusammen gehört!
Ich bin ja nicht, aber…..
Ich bin zwar noch nicht steinzeitlich alt, aber scheinbar zu alt, denn Youtube hat mich als Medium nie umfassend gefesselt. Mal ein Clip hier, mal eine Doku da und wenn nötig auch mal ein Anleitungsvideo für handwerkliche Action. Bis heute habe ich keinen Account, keinen Kanal abonniert und nutze es nur bei Bedarf und eigentlich nie als Zeitvertreib.
Das änderte sich jedoch schlagartig, als ich Anfang des Jahres den Kanal des Deutschen Panzermuseums (DPM) fand. Das Museum war mir vorher geläufig, auch wenn ich leider noch nicht da war. So machte mich aber der Youtube-Kanal neugierig, der einige Ausstellungsstücke quasi zu mir nach Hause brachte. Und schon nach wenigen Videos war es um mich geschehen, und ich habe bis heute jede Sekunde der dort präsentierten Videos nachgeschaut.
Dabei habe ich eigentlich gar keinen Bezug zum Thema, und auch wenn ich diesem nicht abgeneigt bin, so hatte ich dafür nicht mehr spezifisches Interesse als für Autos, Flugzeuge, die Spielzeugautos meiner Kids oder Zimmerpflanzen. Aber hier war etwas anders, denn die Videos werden vom ehemaligen Direktor und jetzigen wissenschaftlichen Direktor des Museums Ralf Raths selbst präsentiert. Und diese sind dadurch nicht nur inhaltlich interessant, sondern auch rhetorisch geschliffen, wundervoll aufgearbeitet und mit einer absolut perfekten Stimme und Sprechweise vorgetragen. Ob ich hier zu sehr schwärme? Nein, denn auch die Faktenlage spiegelt das wider. Das DPM ist das einzige deutsche Museum, das einen Youtube-Kanal mit über 100.000 Abonnenten aufweisen kann und damit weit vor allen anderen vergleichbaren Institutionen liegt. Und ehrlich gesagt ist es egal ob Ralf Raths über die Panzerei, den Aus- und Umbau des Museums oder über seine musikalischen Vorlieben spricht – ich hänge gebannt an seinen Lippen!
Okay, Panzermuseum klingt vielleicht für den ein oder anderen jetzt nicht so supersexy. Ja, es geht um Kriegswaffen, um Technik und um Geschichte – da sind die Assoziationen sicherlich irgendwo zwischen Military-Fans, politisch fragwürdigen Positionen und Cargohosen in Camouflage-Optik. Und genauso – ist es eben nicht! Ralf Raths entpuppt sich nicht nur als versierter Metal-Fan, sondern bezieht in seinen Videos auch immer wieder klar Stellung. Einerseits ist durchaus konsequent gegendert, was viel Gegenwind einbringt. Andererseits wird auch des Öfteren in Videos auf eine ganz faszinierend schlichte und unaufgeregt sachliche Art dafür gesorgt, dass die Absender diverser Hetz- und Hasskommentare vor Wut in die Tischkante beißen dürften. Hier sein humorvollstes Beispiel:
Meiner Meinung nach ist Ralf Raths das perfekte Beispiel dafür, wie man ein für manche vielleicht unpopuläres Thema mit viel Hingabe, Leidenschaft, dem nötigen Fachwissen und einer sehr ausgeprägten Gabe für die Wissensweitergabe in das digitale Zeitalter bringen kann. Dazu passt auch, dass das DPM auch mit Spielen zur Panzerthematik kooperiert wie zum Beispiel World Of Tanks oder Warthunder, wo eben auch hier Brücken zu einem gänzlich anderen Publikum geschlagen werden. Und bei alldem wird es auch noch geschafft eine deutliche Haltung gegen „ewig gestriges“ Denken oder auch schlichte Fehlinterpretationen der Geschichte zu zeigen.
Was zur Hölle?
Und warum schreibe ich das nun hier, in einem Musikmagazin? Okay, ertappt – ich bin großer Fan der Videos und suche schon lange einen Aufhänger um darüber zu schreiben, aber das ist nicht der Hauptgrund! Der wurde mir nun zuletzt auf dem Silbertablett serviert, denn im neuesten Video beschäftigt sich Ralf Raths doch tatsächlich mit der Single „Panzerhenker“ von KANONENFIEBER!
Und da ich sowohl die Band, als auch den Kanal sehr mag, war ich hier direkt gespannt wie ein Flitzebogen, was mich da erwartet.
Über den Inhalt des Videos will ich nicht zu viele Worte verlieren, den das wäre dann einerseits spoilern und andererseits kann Herr Raths die inhaltlichen Komponenten deutlich eloquenter vermitteln, als ich diese zusammenfassen könnte. Der Grund für mich den Artikel zu schreiben war eher die Tatsache, dass es dieses Video überhaupt gibt! Denn diese Verbindung zwischen Kunst und Kultur finde ich absolut großartig und spannend.
Panzermuseum reagiert auf KANONENFIEBER – und was ich dazu denke
KANONENFIEBER hat ja bekanntlich mit dem ersten Album „Menschenmühle“ ein Konzeptalbum über den ersten Weltkrieg, oder vielleicht genauer gesagt über die Schrecken des ersten Weltkrieges herausgebracht. Die Wucht, die Düsternis, die Verzweiflung die in dieser Thematik steckt wird dabei sowohl durch die Musik, als auch durch die Live-Shows sehr beeindruckend übermittelt. Die Grundlage für die Texte bilden nach Aussage von Noise, dem Mastermind, dabei Briefe von Soldaten aus dem ersten Weltkrieg. Dadurch entsteht ein Album was eben keine Romantisierung oder Glorifizierung des Krieges betreibt, sondern eben eher ein Werk, was durch die simple Schilderung der Stimmung und der Schrecken dieser Zeit ein Antikriegsalbum ist.
Die Single „Panzerhenker“ spielt ebenfalls noch auf diesem Schauplatz und geht thematisch um einen einzelnen deutschen Offizier, der sich als einziger einem britischen Tank-Angriff gegenüberstellt und diesen aufhält bis er selber fällt. Und genau diesem Titel nimmt sich nun Ralf Raths an, und geht gewohnt sachlich-nüchtern an die Faktenlage der einzelnen Textzeilen. Dabei wird sowohl die ein oder andere historisch-technische Genauigkeit gelobt, wie auch andererseits im Fazit noch einmal aufgeschlüsselt, warum die Sammlung eines Hobby-Historikers unter Umständen eine verfälschte Datengrundlage darstellen kann, und sich dementsprechend auch das Lied inhaltlich als nicht unbedingt auf historischen Fakten basierend erweist. Das Video ist daher eine absolute Empfehlung – auch wenn ich wie gesagt inhaltlich nicht zu weit vorgreifen möchte – denn Herr Raths ordnet historisch ein, begründet seine Einwände und liefert interessantes Hintergrundwissen – und bei seiner Kritik nimmt er explizit die musikalische Komponente aus, denn den Song bewertet er abschließend als großartig.
Fazit:
Was mich – außer der Tatsache, dass dieser Mann auch über die Krümelschublade meines Toasters referieren könnte und dabei für 2 Stunden meine voll Aufmerksamkeit hätte – an dem Video fasziniert ist, dass sich hier der wissenschaftliche Direktor eines deutschen Militärmuseum hinsetzt und sich mit der Single einer brandaktuellen Metal-Band auseinandersetzt. Das ist für mich eine Verknüpfung die hier zwischen Kunst und Kultur, zwischen Wissenschaft und Musik geschlagen wird, die ich als sehr beachtlich und – belehrt mich eines Besseren – bisher einmalig befinde. Ich denke mit genau solchen Dingen kann man es schaffen historischen Kontext auch für junge Leute attraktiv zu machen, und zu vermitteln, dass man nicht unbedingt modellbauender Rentner sein muss um sich für Geschichte, historischen Kontext und technisches Kriegsgerät und dessen Historie zu interessieren. Hier wird quasi Lehrbuchreif historisches Wissen mit seiner neuzeitlichen Darstellung gegenüber gestellt und dabei auch auf Risiken und Nebenwirkungen bei 100 Jahre alten Datengrundlagen hingewiesen.
Nachtrag mit Happy End
Zum Abschluss des ganzen folgt auch noch das i-Tüpfelchen, denn wer steht in der Kommentarspalte bei Youtube ganz oben in dem Video? Richtig, der Account von KANONENFIEBER! Und von diesem wird sich bedankt für die Einordnung, und die Ehre ein solches Video zu bekommen. Natürlich wird darauf verwiesen, dass man selbst nur Hobby-Historiker ist, aber dass man gerne in Zukunft zur Absicherung von historischem Kontext mit dem DPM zusammenarbeiten möchte. Und wie sich herausstellte, gab es bereits Kontaktversuche untereinander die scheinbar nur an technischen Hürden ( „dieses Internet ist für uns alle Neuland“ ) gescheitert sind – jetzt steht der Kontakt, und zwischen den Zeilen lässt sich da herauslesen, dass sich hier vielleicht eine Kooperation anbahnt! Ich persönlich hoffe sehr, dass uns da etwas ganz großes überraschen wird….
Und natürlich darf zum Ende der Link zum Video nicht fehlen – verschafft euch hier unbedingt einen eigenen Eindruck:
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