Die Einsamkeit des Wüstenreiters – DDENT
DDENT – آكتئاب
Veröffentlichungsdatum: 13.02.2017
Dauer: 57:03 Min.
Label: Self-released
Genre: Post Metal/Post Rock/Doom Metal
Na, fit im Arabischen? Nein? Ich auch nicht. Zum Glück gibt es Promotexte! „آكتئاب“ spricht sich „Ektiheb“ und bedeutet „Melancholie“ oder „Depression“. Dies ist der Titel des Debütalbums von DDENT, dem Projekt von Multi-Instrumentalist Louis Lambert und Schlagzeuger Marc Le Saux. Die acht Songtitel entstammen arabischen Psalmen und schildern die Gefühlswelt eines dichtenden Wüstenreiters. Auf Gesang verzichtet die Pariser Band dabei komplett.
Nach dem mystisch klingenden Intro „Habouz“, eröffnet „Arzel“ die fast einstündige Odyssee auf „آكتئاب“ mit zartem Gitarrengeklimper, bis sich die Karawane nach gut einer Minute in Bewegung setzt und mit dröhnendem Post Metal durch die Wüste walzt. Harte und zarte Teile wechseln sich fortan schön regelmäßig ab – Vergleiche mit CULT OF LUNA liegen durchaus nahe. Darüber hinaus mischen DDENT noch schüchterne Industrial-Sounds in den Hintergrund, die das Klangspektrum dezent erweitern. Auch die bei Post-Rock-Bands wie RED SPAROWES weit verbreitete „heulende Gitarre“ kommt zum Einsatz, jedoch ebenfalls nur in einer Nebenrolle. Der Fokus liegt hingegen klar auf der druckvollen Rhythmus-Gitarre, die auch Doom-Anleihen durchscheinen lässt. So vergehen die ersten 11 Minuten Spielzeit wie im Fluge.
DDENT HABEN DIE ABSICHT, EINE MAUER ZU ERRICHTEN
„Ghazel“ holt mich mit wunderschönen Clean-Gitarren ab, die erneut von Gitarrenheulen hinterlegt sind. Als die Band den Druck steigert, erkenne ich erneut Parallelen zu besagten RED SPAROWES – definitiv ein Kompliment! DDENT errichten eine Klangmauer, die so mächtig und schön ist, dass ein gewisser US-Präsident feucht im Schritt werden dürfte – wären da nur nicht diese arabischen Schriftzeichen! Aber ich schweife ab … Der Song rollt in gedrückter Stimmung über die Ziellinie, wobei er von rhythmischen „Oh“-Lauten angefeuert wird.
Beim nächsten Song habe ich (leider) keine Vorsilbe vergessen, der Titel lautet wirklich (nur) „Kohol“! Wuchtige Trommeln rufen alle MELECHESH-Fans zum Headbang-Einsatz an die Front. Nach einer kurzen Verschnaufpause, kündigen orientalisch tonierte Leads Runde zwei an. Zweifellos das druckvollste und energiegeladenste Stück auf „آكتئاب“, bei dem auch Schlagzeuger Marc Le Saux alles raushaut. Doch hört selbst:
Deutlich ruhiger und bedrückender schleicht „Houri“ im endlosen Sandmeer um die Düne, die melancholische Akkordfolge weckt Assoziationen zu AHAB. Aus der Ferne nähert sich wieder, gleich einem aufziehenden Sandsturm, das Gitarrenheulen. In diesen vier Minuten verdichten DDENT das komplette emotionale Gewicht des Albumtitels. Dann folgt Stille. Dann ein Orkan. Verwirrt stelle ich fest, dass diese Klangeruption immer noch Teil des selben Lieds ist. Da jedoch kein logischer musikalischer Übergang erfolgt, scheint dieser harte Schnitt hier etwas willkürlich. Denn eigentlich beginnt innerhalb des Songs abrupt ein neuer Song. Klingt für sich genommen trotzdem gut!
POST-ROCK-OASE IN DER DOOM-WÜSTE
Mit exakt 11:00 Minuten stellt „Almée“ das längste Stück auf „آكتئاب“ dar. Die Gitarren und das Schlagzeug graben hier langsam und kraftvoll das Wort DOOM in großen Lettern in den Wüstensand. Für Auflockerung sorgen vereinzelte Midtempo-Einschübe. Im letzten Drittel ergießt sich dann eine volle Breitseite Post Rock über den Song und erschafft inmitten der verdörrten Landschaft eine Oase. Mal ein positiver Ausklang.
Nun zum grande finale: Bei „Julep“ schlängelt sich die Band langsam an den Hörer heran, verharrt jedoch noch in Lauerstellung. Erst mit dem Beginn von „Azahar“ schnappt sie zu. Dank des flüssigen Übergangs, hätte man diese beiden Stücke auch zusammenfassen können (genau das Gegenteil also zum abrupten Bruch bei „Houri“). Aber das ist nicht kriegsentscheidend, denn im letzten Kapitel des Albums liefern DDENT dafür noch einmal all ihre Trademarks: Doomig dröhnende Gitarren, orientalisch angehauchte Leads, Gitarrenheulen, wuchtiges Schlagzeugspiel. Die finale Klimax mündet in einen düsteren Synthie-Epilog, der einen Bogen zum Intro „Habouz“ schlägt. Nice! Nur dieses klischeehafte „Wüstenknarren“ (ich weiß kein besseres Wort dafür), das man aus so vielen Filmen kennt, hätte es nicht noch mal gebraucht.
DDENT bei Facebook und Bandcamp
Autorenbewertung
Vorteile
+ orientalische Klangfarbe
+ dezente Industrial-Note
+ genau die richtige Länge
+ unverbrauchtes Themenfeld
Nachteile
- das "Wüstenknarren" …
Du liest diesen Beitrag, weil unsere Autoren lieben, was sie tun - wenn du ihre Arbeit liebst, kannst du uns, wie andere schon, unterstützen. Wie? Mit einem kleinen monatlichen Beitrag über Patreon
Keine Kommentare