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Skaldenfest 2019 – Abrissparty im Kloster

Der Nachbericht

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Die schönsten Traditionen verbringt man mit Menschen, die man gern hat. Und für mich ist eine dieser geliebten Traditionen das Skaldenfest Open Air. Das kleine Ein-Tages-Festival im Kilianeum im Herzen von Würzburg feiert dieses Jahr als Open Air seine dritte Auflage. Und nicht nur der Veranstaltungsort ist einzigartig, obwohl das Kilianeum als ehemaliges Kloster und kirchliches Internat eine doch eher ungewöhnliche Bühne für ein Metal-Festival ist. Denn das Skaldenfest winkt auch dieses Jahr mit geilen Bands und unverschämt günstigen Ticket- und Verpflegungspreisen. Das dürfte seinen Teil dazu beigetragen haben, dass das Festival nun zum zweiten Mal in Folge restlos ausverkauft ist. Ob sich der Weg nach Würzburg auch dieses Jahr gelohnt hat?
Das erfahrt ihr hier!

Die Ankunft

Gegen Mittag stehe ich auf dem Parkplatz des Kilianeums. Noch 2 Stunden bis zum Einlass – und die Helfer flitzen immer noch fleißig über das ganze Gelände. Bands laden ihr Zeug aus, suchen ihre Zimmer – denn das Kilianeum hat nicht nur Platz für eine schnieke Bühne, sondern beherbergt auch gleich alle Musiker, die heute ihre Kunst zum besten geben. Und das werden heute VARGSHEIM, THORONDIR, VALKENRAG, LAGERSTEIN, FUROR GALLICO, BUCOVINA und MOONSORROW sein. Ganz schön international geht es also heute zur Sache. Fünf der sieben Kapellen stammen aus verschiedenen Ländern rund um den Globus. Erst kurz nach dem „Ausverkauft“-Statement des Festivals mussten CRAVING leider absagen. Dafür bekommen heute Abend die Würzburger VARGSHEIM die Chance, sich als ebenbürtiger Ersatz zu beweisen.

Sculls, Black Metal and Rock’n’Roll?

Und nachdem die ersten Besucher den Innenraum des Kilianeums fluten, geht es dann auch ziemlich schnell ziemlich hart zur Sache. VARGSHEIM haben sich Black’n’Roll auf die Fahne geschrieben. Hört man auch nicht alle Tage, oder? Und tatsächlich enthält der Sound von VARGSHEIM eine ganze Schippe Black Metal-Elemente. Es gibt aber auch an Hardrock grenzende Zwischenspieler, gut durchdachte Melodien und abgefahrene Soli, wo sie keiner erwarten würde. Mein Lieblingsbeispiel dafür ist „Scheiterfeuer“. Der startet als melodienträchtiger BM-Titel, löst sich aber zum Ende hin immer mehr auf, ohne dabei an Spannung und Atmosphäre einzubußen. Auch „Individuum“ braucht sich nicht zu verstecken. Es gibt Melodien, wo sie gebraucht werden, grandiosen Gesang und packende Lyrics. VARGSHEIM haben also alles, was eine gute Einstiegskapelle ausmacht: Druck, guten Klang und eine ganze Menge Atmosphäre

Vor allem steckt hinter den Titeln und der gesamten Performanz aber eins: Professionalität. Und das dürfte keinen verwundern, schließlich kennt der geneigte BM-Fan die Gesichter der beiden Frontmänner schon von IMPERIUM DEKADENZ . Die durften übrigens letztes Jahr auf derselben Bühne ihr Bestes zum Besten geben. VARGSHEIM selber gründeten sich nur kurz nach ihren Kollegen aus dem Schwarzwald und brachten 2011 auch eine Split mit ihnen heraus. Klanglich unterscheiden sich die beiden Gruppen aber doch merklich voneinander. Wer es also gerne etwas sanfter, melodischer und musikalisch durchwachsener mag, für den haben VARGSHEIM erst dieses Jahr ihr neues Album „Söhne der Sonne“ rausgebracht. Von mir gibt’s auf jeden Fall eine Reinhörempfehlung! Von den Jungs werde ich live und auch auf Platte nicht so schnell müde. Gebt den Songs die Chance, sich voll zu entfalten! Ihr werdet überrascht sein, wie gut sich Rock und Black Metal doch an vielen Stellen verbinden lassen.

„I ko aa bayrisch!“

Von experimentellen Neuentdeckungen schippern wir aber ganz schnell wieder in besser bekannte Gewässer. THORONDIR bereiten sich nämlich fleißig auf ihren Auftritt vor. Der sympathischen Truppe aus dem hübschen Waldsassen in der Oberpfalz hört man auch direkt an, woher sie kommen. Das nimmt Sänger Kevin aber wie gewohnt mit Humor und verpackt das gleich mal in ein paar erheiternde Ansagen. Aber nicht nur menschlich, sonder auch musikalisch geben die Jungs ein klasse Bild ab. Dazu trägt nicht minder ihre neueste Scheibe „Des Wandrers Mär“ bei, die den Großteil der heutigen Spielzeit ausmacht. Gestartet wird allerdings mit „Bündnis“ von der 2011er Scheibe „Aus jenen Tagen“, was die Menge schon ordentlich anheizt. Als nächstes legen die Jungs mit „Rache durch das Schwert“ gleich noch ihren neuesten Hit nach und gewinnen dabei alle Herzen für sich.

Es gibt eine Hymne nach der anderen und zwischendurch auch mal packenden Klargesang, der sitzt und sich gut in die Songs einwebt. Höchstens ein bisschen mutiger könnte er hier und da sein. Persönlich gefallen mir die Songs von der jüngsten Scheibe am besten, aber das überlasse ich dann doch dem persönlichen Geschmack. Sieht man sich das Publikum an, erkennt man aber vor allem eines: Euphorie. Fäuste werden in die Luft gereckt und Texte mitgesungen, der Sound sitzt perfekt – das würde ich unter der Kategorie „Durch und durch gelungene Auftritte“ verbuchen.

Schädel spalten und Amps zerstören

Mit THORONDIR geht heute der letzte deutschsprachige Act von der Bühne – jetzt wird es international! VALKENRAG sind die nächste Kombo auf meiner Liste. Die knochenbehängte Truppe aus Łódź in Polen hat dieses Jahr schon das Dark Troll unsicher gemacht. Leider sind sie mir da größtenteils entgangen. Die schon 2006 gegründete Truppe brachte 2015 ihren ersten Langspieler „Twilight Of Blood And Flesh“ und vergangenes Jahr ihr zweites Album „Chasing The Gods“ heraus, die beide auch die heutige Setlist bestimmen.

Selbst verbuchen sie sich unter Melodic Viking Death. Und wer jetzt schon zarte Melodien und Dudeleinlagen fürchtet, ist an der völlig falschen Adresse. VALKENRAG stehen für fette, vor Kraft strotzende Riffs, packenden, starken Gesang und außerordentliche Hand- und Fußarbeit an den Drums. Der perfekte Mix also für eine außerordentlich gute Viking Death-Kapelle. Insgesamt setzen die Jungs auf wenig Tamtam, sondern lassen ihre Musik und ihre fliegenden Haarprächte den Auftritt bestimmen. Allein das Zuhören macht Spaß und so bin ich sehr dankbar, dass ich meine Dark Troll-Bildungslücke hier endlich auffüllen konnte. 

Is it a bird? Is it a plane? No, it’s a flying pirate ship!

Wo VALKENRAG mit finsteren, einnehmenden Riffs punkten konnten, bereitet sich jetzt hinter der Bühne eine völlig andere Gurkentruppe à la 80er-Piraten auf einen wilden und rumreichen Ritt vor. Nicht 5, nicht 6, sondern 7 Mann stark ist Captain Greggars Crew von LAGERSTEIN. Vielen Besuchern  sind die Jungs schon von ihrer ersten Europatour 2017 bekannt sind. Das erkennt man leicht an jeder Menge „Drink The Rum“-Tshirts und selbstgebastelten Patches auf einigen Kutten – die Piraten haben also schon einige der Anwesenden ordentlich ins Herz geschlossen. Erwischt – die trinkfesten und feierwütigen Australier muss man einfach lieb haben. Und selbst wer mit Pirate Metal nichts anfangen kann, der wird von der Achterbahn-artigen Show der Rum-Räuber in ihren Bann gezogen. 

Und so erleben wir heute eine ganz klassische LAGERSTEIN-Show mit jeder Menge Klassiker, Lagerfeuerromantik und vor allem Suff und Party. Denn die Jungs hassen vor allem eines: auf dem Trockenen zu liegen. Und so wird während der Show ein Bier nach der nächsten geleert, gefolgt von einer kräftigen Rum-Cola-Mische. Ein aromatischer Shoey gehört bei LAGERSTEIN-Shows eben zum guten Ton, genauso wie die gute alte Beerbong. Neben Dauerbrennern wie „Drink The Rum“, „Land of Bundy“ und „Dreaded Skies“gibt es heute aber auch den neuesten Schinken von der im August fälligen Scheibe „25/7“. „Dig, Bury, Drink“ heißt das gute Stück und fügt sich als Stimmungskanone einfach hervorragend in das bestehende Songrepertoire ein. Wer’s nicht glaubt, der wirft einfach einen Blick in das kürzlich erschienene Musikvideo.

Vom Balkon aus sieht übrigens nicht nur der Circle Pit beeindruckend aus, sondern auch das altbekannte „Lagerfeuer-Camping“ zu „Drink Till We Die“.

Schwermut auf Italienisch

Wer nach LAGERSTEIN spielt, der hat es schwer – könnte man zumindest glauben, doch davon lassen sich auch die nächsten internationalen Gäste nicht beeindrucken. FUROR GALLICO aus Norditalien stehen jetzt auf dem Plan. Die heute sogar achtköpfige Truppe weiß genau, wie sie sich auf der Bühne am besten verkaufen kann. Auch hier dominiert der erst im Januar erschienene neueste Langspieler „Dusk Of The Ages“ das musikalische  Bild. Dafür machen die neuen Songs auch ziemlich Bock. Am sympathischsten finde ich die rührenden Duetts zwischen Sänger Davide und Sängerin Valentina, dicht gefolgt von den drei Herren an den Äxten, die gemeinsam mit einer Harfenspielerin und einem Flötisten doch eine ordentliche Soundwand erzeugen.

Pluspunkt an dieser Stelle sind für mich persönlich definitiv die authentisch und nicht überladen eingesetzten „echten“ Bonusinstrumente (Flöte und Harfe). Seien wir mal ehrlich, immer wenn jemand Backing Tracks abspielt, weint irgendwo auf der Welt ein Geige spielender Keyboard-Flötist. Insgesamt bringen die Italiener eine ganze Menge Romantik in das diesjährige Skaldenfest, und das, ohne dass der Schleim gleich von den Traversen tropft. Für meinen persönlichen Geschmack sind FUROR GALLICO dann doch einen Tick zu melodiös und „Herzschmerz“, aber der Auftritt wird mir definitiv positiv in Erinnerung bleiben. Und feiern können sie auch ganz gut.

„How much epicness do you want?“ „Yes.“

Fast haben wir es geschafft, uns bis zum Headliner durchzuhören, aber einen vorletzten wichtigen Programmpunkt gibt es dann heute doch noch: BUCOVINA nämlich, Rumäniens Vorreiter in Sachen Metal. Für mich ist das damit mein siebtes BUCOVINA-Konzert, aber eines ist und bleibt einzigartig: die Euphorie, die die sympathischen Herren mit dem Publikum teilen.

Dazu noch eine dicke Schippe musikalische und künstlich mit dem Bühnenfön erzeugte Flatterhaar-Epicness, und wir haben BUCOVINA: Neo-folk inspirierten Heavy Metal mit einem Sänger-Zweigestirn. Ab und zu spielen die persönlichen Ventilatoren der Bandmitglieder heute nicht ganz so gut mit wie sonst und so landet die eine oder andere unliebsame Strähne dann doch im Gesicht der sympathischen Jungs. Das dürfte aber bei der musikalischen Leistung niemanden stören.

Und wer heute Abend noch nicht Fan der Rumänen ist (sowas gibt’s hier?), der wird es heute auf jeden Fall. Aus der ersten Reihe werden die rumänischen Lyrics mitgegrölt und kräftig das Haupthaar geschwungen – und hier ausnahmsweise mal nicht zur allerneuesten Scheibe der Jungs. „Serpentrion“ heißt das gute Stück zwar und ist zwar schon seit einem halben Jahr auf dem Markt. Aber heute beherrschen verschiedenste Hymnen aus fast 20 Jahren Bandgeschichte die Bühne. Von „Soim In Vaszduh“ bis „Sunt Munți Și Păduri“ – der Hype um die alten Stücke ist augenscheinlich immer noch nicht abgerissen. Und so gibt’s für alle Skaldenfest-Besucher noch mal das BUCOVINA-Gute-Laune-Programm, bevor die letzten blutbeschmierten Gesellen die Bühne entern, die schon seit einiger Weile hinter der Bühne rumgeistern.

Vorher gibt es aber noch eine Ankündigung von Festival-Kopf Muscus. Dank des frühen und erneuten Ausverkaufs konnte fürs nächste Jahr schon vorgeplant werden. Und so steht ein Headliner des nächsten Jahres schon fest – DORNENREICH werden dem Skaldenfest einen Besuch abstatten! Das begeistert nicht nur viele Fans, sondern zeigt auch den Fortbestand einer Skaldenfest-Tradition, nämlich Vielfalt im Lineup. Kein einziges der drei Bestehensjahre war den anderen im Stil gleich, immer zieht das Skaldenfestteam noch ein paar musikalische Asse aus dem Ärmel. Das macht den Erfolg des Skaldenfest Open Airs wohl aus. Jetzt aber schnell noch geabendbrotet und den Biertank aufgefüllt, denn die letzte Umbaupause ist dann doch schneller um als gedacht. Zeit für…

… den perfekten Ausklang…

MOONSORROW. Schon länger haben die finnischen Pagan Black Legenden nicht viel von sich hören lassen. Umso schöner ist es, gemeinsam mit den Jungs den heutigen Abend abzuschließen – und der verläuft zunächst alles andere als geplant. Erst hat Sänger Ville solche Probleme mit seinem Bass, dass fast die komplette Intro-Song-Kombi „Tyven / Sankarihauta“ ohne ihn auskommen muss. Zum Glück klingen MOONSORROW auch ohne Gesang und Bass immer noch gut! Zum Start des zweiten Songs „Kylän Päässä“ reißt Drummer Marko dann auch noch das Fell seiner Snare – kein guter Tag für die Finnen, könnte man meinen. Die Fans nehmen die Verzögerungen aber mit Humor und so starten MOONSORROW dann endlich ohne weitere Unfälle in ihr restliches Set aus einem Querschnitt ihrer Schaffensgeschichte.

Ich persönlich genieße den verbleibenden Auftritt der Finnen mit LAGERSTEIN vom Balkon aus, folge den nachdenklichen und tragenden Melodien von „Raunioilla“ in die Nacht, beobachte die Sterne, lasse mir ein warmes Lüftchen um die Nase wehen und genieße den herrlich ruhig-nachdenklichen Ausklang dieses durchweg starken Abends. Auch die Australier sind sichtlich hin und weg. Den malerischen Riffs von „Haaska“ kann eben nicht mal der stärkste Pirat trotzen. Als auch die letzten Weisen verklungen sind, schnappen wir uns noch ein paar Bier und lassen gemeinsam mit guten alten und neuen Freunden den Abend süffig ausklingen. Und bevor wir ins Bett fallen, muss sich auch das Kruzifix in unser Unterkunft dem Abend fügen und wird in seiner korrekte Position gebracht. Haben wir das eigentlich zurückgedreht, bevor wir abgereist sind…? 

Eine Erfolgsstory in 7 Akten

Mein Favorit des Abends? Kann ich nicht sagen. Alle Bands waren durchweg stark, der Sound hat kaum geschwächelt und sich damit im Vergleich zum letzten Jahr doch merklich verbessert. Auch die durchmischte Zusammensetzung des Abends hat ihren Teil dazu beigetragen, den ganzen Abend wie den Spannungsbogen eines Blockbusters zu halten. Gestartet mit rockigen Black Metalern und kämpferischen Oberpfälzern, gefolgt von knochenbehängten Wikingern, einer wilden Piratenparty, italienischen Romanzen, rumänischen Sagen und zum Schluss von finnischen Weisen in die Nacht getragen – nach einem solchen Plot leckt sich jeder Produzent die Finger!

Mir bleibt nur, mich beim gesamten Skaldenfest-Helferteam und vor allem Muscus für diesen einmaligen Abend zu bedanken. Aus der Masse der Konzerte, die ich monatlich besuche, wirklich herauszustechen, ist gar nicht mal so einfach. Das Skaldenfest 2019 hatte aber einfach alles, was ein perfektes 1-Tages-Festival ausmacht: Gutes Wetter, geilen Sound, super Preise und ein 1A-Lineup. Macht das dem außergewöhnlichen Minifestival im Kloster mal nach…

Tickets für das Skaldenfest 2020 am 6. Juni gibt’s übrigens ab dem ersten Oktober – HIER könnt ihr aber schon mal der Veranstaltung auf Facebook folgen!


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