Ihsahn auf „Arktis“ nicht mehr ganz so kauzig wie zuletzt
IHSAHN – Arktis
Veröffentlichungsdatum: 08.04.2016
Dauer: 58 min (inklusive Bonustrack)
Label: Spinefarm/Universal
Angesichts des Vorgängers „Das Seelenbrechen“ verspürt man fast schon eine ehrfürchtige Angst vor dem Hören von „Arktis“. Leichte Kost kennt man von IHSAHN ja nicht unbedingt, und gerade das angesprochene Werk aus dem Jahr 2013 war eine richtig schwerverdauliche Angelegenheit, mit welcher sich auch viele Fans nur mit Mühe haben anfreunden können – was aber nicht für mangelnde Qualität, sondern eben nur für eine sehr spezielle Herangehensweise spricht. Gleich vorweg kann man Entwarnung geben: „Arktis“ ist zwar immer noch verdammt experimentell, verschließt sich aber nicht ganz so stark.
Der Opener „Disassembled“ kommt in gewohnter Manier daher und heißt den Hörer somit versöhnlich im aktuellen Opus willkommen, aber das hat der Norweger ja auch schon auf „Das Seelenbrechen“ so mit dem fantastischen „Hiber“ gehandhabt. Noch kann der Schein also trügen. Anders sieht es da beim vorab veröffentlichten „Mass Darkness“ aus. Entgegen des Titels verströmt dieser Song nämlich einen recht positiven Vibe, was insbesondere auf den lustigen Sing-Along-Refrain mit Verstärkung von Matt Heafy zurückzuführen ist. Sehr ungewohnt, aber halt auch sehr gut! Richtig schräg wird es schließlich bei „South Winds“, das mit deutlichem Industrial-Anstrich daherkommt und damit auch einigen Hörern missfallen dürfte. Die Idee ist nicht schlecht, und das Ding groovt auch einigermaßen, trotzdem fällt der Song im Vergleich zum Rest des Albums deutlich ab. Aber es wäre ja auch nicht IHSAHN, würde das Album keine verqueren Einfälle enthalten.
Der Mittelteil von „Arktis“ fällt mehr oder weniger typisch aus, sieht man einmal von „Until I Too Dissolve“ ab, welches von einem gnadenlos frechen Achtziger-Riff ins Feld geführt wird und somit fast schon eine bierselige Live-Stimmung aufkochen lässt. Diese Art von Experiment mundet da schon eher: Der Song geht einfach wunderbar ins Ohr und sticht genau dort heraus, wo es im Album-Kontext nötig ist, damit man als Hörer trotz der ganzen Komplexität am Ball bleibt. Auch im Anschluss bleibt IHSAHN kauzig, aber nachvollziehbar. Die schwarzmetallischen Ausbrüche in „Pressure“ können vielleicht sogar ein paar alte Emperor-Anhänger abholen, auch wenn das Album bewusst nicht in diese Richtung schielt.
„Frail“ wirkt im Vergleich zum Rest leider eher blass, aber immerhin kann der Abschluss noch einmal so richtig punkten: „Crooked Red Line“ schmiegt sich dank Jorgen Munkebys geradezu laszivem Saxophon-Spiel an den Hörer und verführt ihn nach allen Regeln der Kunst, bevor die absolute Kälte hereinbricht. „Celestial Violence“, getragen von LEPROUS-Fronter Einar Solberg, trieft nur so vor gekonnter Melancholie und Kälte. Das, liebe Leser, ist ganz großes Tennis! Es braucht eben doch keine Blast-Gewitter und unermüdliches Geschrammel, um genau jene Faszination zu schaffen, die man an gutem Black Metal schätzt. Nein, auch mit ruhigeren Klängen und einer hervorragend klaren Produktion kann dieses Resultat erzielt werden, wie IHSAHN eindrucksvoll beweist. Abgerundet wird „Celestial Violence“ schließlich von IHSAHNS markerschütternd verzweifeltem Geschrei im Refrain – die Gänsehaut will gar nicht mehr weichen. Je nach Edition gibt es noch einen Bonustrack obendrauf, den man sich aber eigentlich sparen kann, sofern man nicht auf eher mäßiges Geklimper samt fremdsprachiger Erzählung steht.
Autorenbewertung
Vorteile
+ Nicht ganz so sperrig wie der Vorgänger
+ Richtig große Momente
+ Heftige Sogwirkung
Nachteile
- Ermüdender Bonustrack
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