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Mehr als nur Panik – F41.0 im Interview

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Nachdem ich vom aktuellen Album „Bürde“ des Black Metal-Projekts F41.0 mehr als positiv überrascht wurde, ergab sich die Gelegenheit, Mastermind Hysteriis Hintergründe zur Band, dem aktuellen Werk und dem Stand der Dinge in Sachen (Untergrund)-Musik zu entlocken.

 

Aus der Asche

S: Hallo Hysteriis. Glückwunsch zur Veröffentlichung von „Bürde“! Ich hoffe, das Album bekam bisher einiges an Aufmerksamkeit und Promotion. Wie zufrieden bist du mit dem Endresultat und wie schaut das Feedback aus, das du bis jetzt bekommen hast, sowohl von Fans als auch der Fachpresse?

Hysteriis (H. im Folgenden): Grüße dich. Die meisten Rezensionen werden wohl erst nach und nach veröffentlicht werden, weshalb ich jetzt nur einen groben Überblick darüber habe, wie das Album von der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Das, was ich allerdings bisher lesen konnte oder mir von Menschen aus meinem Bekanntenkreis herangetragen wurde, war bislang ausschließlich positiver Natur. Externe Wahnehmung spielt für mein Verhältnis zu dem was ich tue allerdings keine Rolle.
Ich bin einerseits heilfroh, dass ich den für mich doch sehr kräftezehrenden Akt des Entstehungsprozesses mit der Veröffentlichung endlich abschließen konnte. Andererseits bin ich auch stolz darauf das, was ich beim Schreiben des Materials im Kopf hatte, nahezu 1:1 umgesetzt zu haben. Das ist das Wichtigste.

S: Kannst du unseren Lesern einen kurzen Abriss zur Bandgeschichte geben und die Grundintention des Schaffens von F41.0 erläutern?

H.: Ich habe das Projekt 2007 ursprünglich ins Leben gerufen, um mir ein notwendiges Ventil neben meinen “Hauptbands” ATRAS CINERIS und KRATEIN zu verschaffen. Ich hatte im Laufe der Zeit ein paar ziemlich obskure und persönliche Songs geschrieben, welche nicht für etwaige Studioaufnahmen oder gar eine Veröffentlichung in Frage kommen sollten. Dank einiger Freunde, welche mich über Jahre hinweg immer wieder dazu anstachelten, mir einen Ruck zu geben, entschloß ich mich dann doch zum Gegenteil. So erschien das Debütalbum “Near Life Experiences” über ein kleines, kurzlebigs Label namens “Empyre Music” im Jahre 2013. Meine Hauptband ATRAS CINERIS hatte sich zwischenzeitlich aufgelöst und so begann ich daraufhin, die Arbeiten an F41.0 zu intensivieren. Es folgten erste Livekonzerte und im Jahr 2015 begann ich mit den Aufnahmen zum Nachfolger “BÜRDE”. Das Album wurde am 19.05.2017 von der Geisterasche Organisation veröffentlicht.

S: Warum ist die F41.0 DER passende Name für diese Musik?

H.: Weil Musik, Texte und Artwork das verkörpern, was unter dem ICD „F41.0“ klassifiziert wird.

S: Wie kam es dazu, dass dein Projekt beim Geisterasche Label gelandet ist?

H.: Wir kamen vor ein paar Jahren durch mein Mitwirken bei KRATEIN in Kontakt und darauf basierend ist man sich auf Konzerten oder anderen Gelegenheiten immer mal wieder über den Weg gelaufen. Irgendwann erhielt ich von ihnen (Geisterasche Organisation – Anm. d. Redaktion) die Anfrage, ob ich mir vorstellen könne, mit F41.0 bei einem der von ihnen organisierten Konzerte aufzutreten. Was ich nach kurzer Überlegung auch in Angriff nahm. Wir verfolgten unsere Wege weiter und so wurde ich relativ schnell nach Gründung ihres Labels gefragt, ob ich Interesse daran hätte, ihrem “Stall” beizutreten. So kam dann eins zum anderen.

 

Bürde

S: Steigen wir nun tiefer in den Kontext von „Bürde“ ein. Wie verliefen die Aufnahmen? Waren die vielen Gastbeiträge von vornherein geplant oder ergab sich dies auf natürliche Art und Weise im Fortschritt der kompletten Produktion?

H.: Die Aufnahmen waren ebenso inspirierend wie auslaugend, wenn ich ehrlich sein soll. Das Album ist in vier verschiedenen Studios und Städten entstanden und rein organisatorisch war es dabei nicht immer ganz einfach, alles reibungslos vonstatten gehen zu lassen. Die kreative Energie, die der aufwändige Aufnahmeprozess in Gang gesetzt hat, war für mich allerdings ungleich stärker zu spüren als gewohnt. Wir haben uns gerade bei den Drum- und Gitarrenaufnahmen ungemein viel Zeit dafür genommen, das richtige Soundgewand für die Stücke zu finden. Und auch der von dir angesprochene Einsatz von Gastmusikern war elementarer Bestandteil dieses Prozesses.
Der ursprüngliche Ansatz bestand dabei sogar darin, jedes der sechs Stücke von einem anderen Sänger intonieren zu lassen. Die Idee hinter dem Album hatte danach geschrien, von sechs abweichenden Protagonisten herausgetragen zu werden. Je weiter die Aufnahmen jedoch fortgeschritten waren, desto klarer wurde, dass der rote Faden des Albums mit diesem Vorhaben zu sehr Gefahr lief, verloren zu gehen. Also entschloß ich mich, das Ganze auf (immer noch stolze) vier Gastsänger zu reduzieren um den Songs mehr Raum zu geben. Im Nachhinein sicherlich die richtige Entscheidung, denke ich.

S: Ich lese in den Texten viel Sehnsucht nach einem anderen (Gemüts-)zustand, als dem Vorherrschenden, einem Blick in die „Ferne“ und viel Leid, welches hinausgeschrien wird, heraus. Was ist für dich die „Bürde“, die du auf dem Album beschreibst?

H.: Die von dir genannten Attribute sind mit Sicherheit Teilaspekte der Thematik, ja. Grob gesagt befasst sich “BÜRDE” vor allem mit dem Gefühl des Ausgeliefertseins und unfreiwilliger Passivität, wenn du so willst. Jedes Stück steht dabei im klaren Kontext dieses Grundgedankens, auch wenn sich die jeweiligen Songs inhaltlich stark voneinander abgrenzen. Dir bleibt also, so ausgelutscht es auch klingen mag, bewusst Interpretationsspielraum zum Beantworten dieser Frage. Wir haben uns dennoch dazu entschieden, die Texte des Albums dieses Mal abzudrucken, um einen genaueren Einblick in die lyrische Seite gewinnen zu können. Ich glaube auch, dass “BÜRDE” vor allem von seiner Gesamtheit in Ton, Bild und Wort lebt.

S: Ich empfinde das Cover- und Albumartwork als sehr stimmig. Was war die Intention, welche du mit dem Artwork ausdrücken wolltest und wie genau entspricht das Endresultat deinen ursprünglichen Vorstellungen?

H.: Mir war wichtig, die lyrischen Inhalte in ein möglichst vielschichtiges, handgemaltes Cover gepackt zu wissen. Ich habe der von mir sehr geschätzten Künstlerin WAEIK daraufhin nur ein paar wage Informationen dazu gegeben, was “BÜRDE” inhaltlich darstellt und ihr bewusst allen Freiraum zur Gestaltung gelassen. Was letzten Endes dabei herausgekommen ist, spricht für sich, denke ich.

Ich bin immer noch sprachlos, wenn ich das Gemälde sehe …

S: Plant ihr das Album live umzusetzen und gibt es dazu spezielle Ideen? Wie kann sich der Leser allgemein einen Auftritt von F41.0 vorstellen?

H.: Ich denke nicht, dass wir das Album in Gänze spielen und unsere Auftritte dementsprechend abstimmen werden. “Kokytos” und “E.V.A.” sind aber bereits länger Teil unserer Setlist, und auch wenn ein paar Stücke des Debüts live nicht wegzudenken sind, werden wir sicherlich ein paar weitere Songs von “BÜRDE” mit einbauen.
Auftritte von F41.0 sind optisch eher unspektakulär. Keine “Rituale” oder Zeremonien, keine Kerzen oder sonstigen Schnickschnack. Wir halten es optisch pechschwarz und in der Darbietung energetisch!

S: Wie sehen deine Wünsche und Vorstellungen für das weitere Wirken von F41.0 aus?

H.: Die nahe Zukunft von F41.0 ist tatsächlich schon ziemlich konkret, weshalb weiterführende Vorstellungen zu sehr in der Ferne liegen, als das ich mich mit ihnen beschäftigen wollte. Wir werden versuchen, das neue Material endlich live vorstellen zu können. Danach sind Aufnahmen für eine Split-Veröffentlichung geplant. Parallel arbeite ich am Nachfolger von “BÜRDE”, welcher – Stand jetzt – wieder etwas ungezügelter und rauer als das aktuelle Album auszufallen scheint. Aber auch wenn bereits einige Songs geschrieben wurden, werde ich dem Material die Zeit geben, die es braucht.

 

Von Konzeptalben und dem Loslassen weltlicher Dinge

S: Im letzten Interviewsegment bitte ich dich aus Sicht des Metalhörers bzw. -liebhabers zu antworten. Wie wichtig sind dir als Konsument Texte im Metal bzw. allgemein in der Musik? Ich habe den Eindruck und ertappe mich leider selbst oft genug dabei, dass ich den Texten zu wenig Beachtung schenke.

H.: Das ist auch immer eine Frage der Stilistik, denke ich. Es gibt einige Metalalben, die erst durch genanntes Zusammenwirken von Songs, Artwork und Texten interessant werden. Wenn die Idee hinter diesen Veröffentlichungen mein Interesse weckt, bin ich automatisch von der lyrischen Seite ebenso gefesselt wie von der musikalischen. Konzeptalben, wie beispielsweise “Zyklus” von LUNAR AURORA oder NAGELFARs “Srontgorrth” werden für mich jedenfalls ewig eine Sonderrolle genießen.
Ich kann mich aber natürlich auch für Kapellen begeistern, deren Texte absolut trivial oder uninteressant sind. Gerade im Metalbereich würde man wohl manche Perle unfreiwillig übergehen, wenn man sich rein auf die Texte konzentriert. Da geht es dann aber auch meist eher darum, die aktuelle Stimmung mit dieser “trivialen” Musik zu untermauern. Konzeptalben schaffen es, im Gegenzug meine Stimmung maßgeblich zu prägen.

S: Was ist deine Meinung zu politischen Themen in der Musik? Hat dies eine Berechtigung oder sollte und kann Kunst überhaupt unpolitisch sein (unabhängig vom „Rechts/Links“ Thema bzw. Schema)?

H.: Gute Frage, zu der ich eigentlich keinen festen Standpunkt meinerseits nennen kann. Politisch motivierte Kunst begegnet uns ja seit Jahrhunderten kontinuierlich als mehr oder weniger dezentes Stilmittel zur Kritikäußerung. Die Wirkung zielgerichteter, politisch motivierter Kunst ist sicher nicht zu unterschätzen und Musikrichtungen wie Punkrock waren maßgeblich zur Gestaltung der heutigen musikalischen Strömungen mitverantwortlich.
Ich selbst kann mit polit- oder sozialkritischen Inhalten in der Musik allerdings recht wenig anfangen, um ehrlich zu sein. Musik bietet an sich eine großartige Plattform sich von diesseitigen, greifbaren Umständen zu lösen, weshalb ich dieses Mittel niemals dafür nutzen könnte, meinen Wahl-O-Mat zu vertonen.
Das ist auch einer der Gründe, warum ich Konzertanfragen zusammen mit klar rechts- oder linksorientierten Bands seit jeher ablehne und diese strikte Linie auch beibehalte. F41.0 sieht sich nicht als Teil der Bewegung, die ihre privaten politischen wie sozialen Ansichten in die Öffentlichkeit trägt.

S: Interessiert dich die (Black) Metalszene und wenn ja, ist diese in deiner Region präsent und produktiv?

H.: Das ist immer so eine Sache. Ich interessiere mich sicherlich nicht für den neuesten Tratsch und Klatsch über Musiker XX oder Blogger XY. Ich besuche allerdings immer noch sehr gerne Black-Metal-Konzerte und pflege Kontakte zu den Menschen, die es mir wert sind. Baden-Württemberg bietet bekanntlich jede Menge interessanter Black-Metal-Bands, auf die man an dieser Stelle sicherlich nicht gesondert eingehen muss. Aus direktem Dunstkreis lassen sich allerdings sicherlich SIGNUM: KARG und NARVIK nennen, welche nun seit einiger Zeit hochwertige Musik veröffentlichen.

S: Rein hypothetisch – mit welchem Künstler würdest du liebend gern einmal zusammenarbeiten?

H.: A. Meilenwald (ehemals NAGELFAR, heute THE RUINS OF BEVERAST) habe ich stets für sein Songwriting bewundert. Selbiges gilt für Vindsval von BLUT AUS NORD. Vor zehn Jahren hätte sicherlich auch Matt Bellamy von MUSE dazu gezählt. Heute würde dabei wohl eher eine ungemein kitschige Elektropop-Nummer herauskommen, haha.

S: Zum Abschluss möchte ich dich bitten, 3 Alben/Bands zu nennen, die dich in der letzten Zeit begeistert haben und die du uns ans Herz legen möchtest.

H.: Kurz und schmerzlos, ohne Angabe von Gründen:

THE RUINS OF BEVERAST – „Exuvia“
MGLA – „Exercises in Futility“
BETHLEHEM – „Bethlehem“

S: Ich danke dir sehr für das Interview und wünsche dir/euch weiterhin alles Gute und viel Erfolg mit dem Album!

H.: Vielen Dank für dein Interesse.


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