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Not und Begehr – FARSOT

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FARSOT – Fail.lure
Veröffentlichungsdatum: 21.04.2017
Dauer: 48 Min.
Label: Prophecy Productions / Lupus Lounge
Stil: (Post) Black Metal

Als ein Kumpel mich 2009 mit der Thüringer Black-Metal-Formation FARSOT und ihrem Erstwerk „IIII“ vertraut machte, war dies keine Liebe auf den ersten Blick. Zwar gefiel mir der melodische, mitreißende und zuweilen depressiv anmutende Sound des Quintetts, doch konnte mich dieser nicht vollends berühren und mitreißen. Mit der Zeit wuchs jedoch die Verbindung zur Musik und ich konnte mich emotional voll und ganz auf die unheilvolle Musik einlassen. Speziell „Thematik: Trauer“ ist für mich einer der besten deutschen Black-Metal-Songs. Den Song sollte man einmal gehört haben. 

2011 folgte mit „Insects“ das Zweitwerk und lies deutliche Veränderungen in Sound, Thematik und Stilistik erkennen. Deutlich moderner und dennoch leicht verschroben und psychedelisch klang die Platte und zündete damals sofort bei mir. Auch heute noch rotiert „Insects“ regelmäßig und überzeugt durch sein interessantes Songwriting und eine modern, brachiale Produktion.

 

Zurück in die Zukunft

Ganze sechs Jahre später erscheint mit „Fail.Lure“, welches sich aus den Worten „Failure“ (auf Deutsch: Versagen) und „Allure“ (auf Deutsch: Verlockung) zusammensetzt, das Drittwerk von FARSOT und lässt mich, soviel sei vorweggenommen, nach den ersten Hördurchgängen ein wenig verwirrt zurück. Wenig greifbar und seltsam nebulös erscheint mir deren neuester Output. Ist dies Absicht? Fest steht, mein Eindruck vom Album wandelte sich im Prozess des Rezensierens gewaltig. Doch eins nach dem anderen.     

Anno 2017 klingen die Thüringer zum einen wieder deutlich traditioneller und mehr verwurzelt im 90er-Jahre-Black-Metal, zum anderen ist jedoch der lyrische und konzeptionelle Ansatz zeitlos und fast schon tiefenpsychologisch. In den insgesamt 6 Songs (5 + 1 Instrumental) thematisiert die Band die Zerissenheit eines Individuums, welches von Verlagen getrieben, von Sinnfragen zerfressen und mit einhergehenden Identitätsverlust konfrontiert wird. Dabei bauen die Texte lose auf Werken von Greenaway, Klimt und Kotarbinski auf. Konzeptionell wirken die Songs auf mich klar den Polen „Failure“ und „Allure“ zugeordnet.

Der Opener „Vitriolic“ startet traditionell mit dissonantem Riffing und Blast Beats, bevor der etwas moderner klingende Gesang von 10.XIXt einsetzt. Im weiteren Verlauf gesellen sich Akustikgitarren und hintergründige Keyboardflächen zum Gesamtsound. „Circular Stains“ klingt mit seinen geflüsterten Worten herrlich verschroben, bevor harter Metalsound und Klargesang den Track in deutlich andere Bahnen lenken. „With Obsidian Hands“ bietet einen komplexen Songaufbau und lässt mich durch eingesetzte verzweifelte Screams an BURZUM und FARSOTs eigenes „Freitod“-Demo denken. Allgemein gestaltet sich das Songwriting abwechslungsreich, wobei die Atmosphäre auf mich stets gewahrt wird und düster, zuweilen trist wirkt.

 

 

Unstillbares Verlangen

Die zweite Albumhälfte rückt stilistisch näher an den Vorgänger „Insects“ heran. Speziell der Song „The Antagonist“, zudem ein sehr stimmiges Video gedreht wurde, erinnert mit seiner wiederholt gestellten Frage „Who am I?“ stark an Stücke wie „Like flakes of rust“ oder „Perdition“. Auch gewisse Querverweise auf SATYRICON zu „Volcano“-Zeiten oder die Labelkollegen SECRETS OF THE MOON kommen mir in den Sinn. Dies unterstreicht vor allem die etwas modernere Ausrichtung der letzten Stücke. Das abschließende „A hundred to nothing“ beschließt das Album als ruhigeres Fast-Instrumental Stück, kann jedoch meiner Meinung nach wenig Akzente setzen. Wieder wird eine triste, melancholische und nachdenkliche Stimmung kreiert, jedoch ohne dem Ganzen eine zusätzliche Note zu verleihen. Schade.

In Sachen Produktion und optischer Gestaltung gibt sich FARSOT auf „Fail.lure“ keine Blöße und das Label Prophecy Productions zeigt wieder einmal auf, wie viel Wert auf Layout und qualitative Verpackung gelegt wird. Das Cover in seiner Tristesse und Aufgeräumtheit unterstreicht gekonnt den Ansatz der Musik und der druckvolle, klare Klang lässt sämtliche Details zur Geltung kommen. Ich bekomme den Eindruck das hier nichts dem Zufall überlassen wurde. Alles scheint durchexerziert und genauestens geplant. Leider habe ich den Eindruck, dass der Musik dadurch ein Stück Spontanität und Leidenschaft verloren geht. FARSOT analysieren, strukturieren und setzen mit Bestimmtheit ihr Konzept um.

Ich hoffe, dass es nicht wieder 6 Jahre dauert, bis man neues Songmaterial zu Hören bekommt. Denn auch wenn die Band für meinen Geschmack etwas zu abgeklärt musiziert, so liefert sie qualitativ wertvollen und durchaus eigen klingenden Black Metal ab, der zudem live auch gut zur Geltung kommen sollte. Not und Begehr gehen wahrlich Hand in Hand.

 

 

 

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Bild mit freundlicher Genehmigung von Farsot

Autorenbewertung

8
"Fail.lure" zeigt zum wiederholten Male auf, dass FARSOT qualitativen Black Metal mit einer klaren Vision spielen. Die teils überlangen Songs sind abwechslungsreich gestaltet, technisch gespielt und lassen einen dennoch in eine dunkle Stimmung abtauchen. Einzig allein die Spontanität und unbändige Leidenschaft, die Schwarzmetall so attraktiv machen kann, geht der Band leider ein wenig ab. Für Liebhaber anspruchsvoller Klänge ist FARSOTs neuester Streich jedoch absolut zu empfehlen.
ø 3.6 / 5 bei 3 Benutzerbewertungen
8 / 10 Punkten

Vorteile

+ abwechslungsreiche Stilistik
+ viele kleine Details und Akzente in den Songs
+ eine dichte Atmosphäre
+ ein druckvoller Klang

Nachteile

- zu wenig Spontanität
- der letzte Song "A hundred to nothing" setzt keine neuen Akzente und fällt ab

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2 Kommentare

  1. Michaaa
    1. Mai 2017 bei 21:28 — Antworten

    Lustigerweise kann ich bis heute nicht wirklich was mit ‚||||‘ von Farsot anfangen.

    Aber ich habe mir ‚Thematik: Trauer‘ heute aufgrund des Reviews angehört und mir gefällt der Song echt gut. Grade, wenn er aufbricht und verspielter wird. Die 20 Minuten sind einfach wundervoll. Wobei es noch besser ist, das ‚Tod – Trauer‘ vorweg zu hören. Der Chorgesang macht ne Menge her. Danke für den Anspieltipp!

    Zur Review kann ich nur sagen, dass sie ein differenziertes Bild auf die Platte wirft. Ich mag ausführliche Reviews. Einfach, um einen guten Überblick zu erhalten. Klasse Arbeit!

    • 2. Mai 2017 bei 9:50 — Antworten

      Vielen Dank fürs Feedback, Michaaa!

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