APALLIC – Verharren im Wachkoma
APALLIC – Of Fate And Sanity
Veröffentlichungsdatum: 02.06.2017
Dauer: 52:44
Label: Boersma Records
Genre: Progressive Death Metal
Anstatt direkt ins Album hinein zu hören, widme ich mich dieses Mal zunächt dem Pressekit, welches mir zu den Audiodateien gereicht wird. Deutsche Band, fünfköpfig aus Emden, 2015 ihre Debut-EP „Somnium“ veröffentlicht… Die Einflüsse sind wohl AT THE GATES, OPETH, DEATH, ENSLAVED, BE’LAKOR und AMON AMARTH. Das klingt schon einmal nicht übel, alles recht mächtige und gut auskomponierte Musik. Desweiteren wird mir ein übergeordnetes Konzept versprochen – nicht nur instrumental, sondern auch die Songtexte betreffend. Ich habe großen Respekt vor demjenigen, der es vermag, gute Texte zu schreiben. Netterweise ist auch ein Lyric Sheet, das mich durch die Story führen soll, angehängt – doch dazu später mehr.
Konzept? Nette Idee …
Das Album hat einen konkreten Protagonisten, der im Wachkoma liegt und mit der Suche nach seinem Aufenthaltsort, seiner Geschichte und seines eigenen Selbst beschäftigt ist. Doch nicht nur das, auch Probleme, Konflikte und die Person selbst sollen sich über die Dauer des Albums entwickeln.
Das Konzept des Wachkomapatienten klingt spannend. Das Promokit beinhaltet weitere Erläuterungen zur Entwicklung der Persona. Neugierig lese ich die Ausführungen im Lyric Sheet, erwarte eine packende persönliche Geschichte… Doch Pustekuchen! Der Song „Days Before The Black“ handelt, wie der Titel schon verrät, von den Erinnerungen an die Zeit vor den Ereignissen, „die ihn in den heutigen Zustand versetzt haben.“ Der Textausschnitt, der als Veranschaulichung mitgeliefert wird, ist allerdings total nichtssagend. Schade. Ich hatte mir eine plastische Story gewünscht …
COLLECTING THE PICTURES OF FORGOTTEN MEMORIES, UNSCRAMBLING THE SEGMENTS OF MY YESTERDAYS, REVIVE THE TALES TO CLEAR UP MY SANITY
Bei den anderen Songs verhält es sich nicht anders. Berichtige mich, wenn ich mich irre – aber solch belangloser und unkonkreter Schreib, der mir hier gezeigt wird, mit dem sogar geworben (!) wird, lässt einen doch sehr ernüchtert zurück und ich beschließe, mich nicht tiefergehend mit den Lyrics zu befassen (die ich leider auch nicht im Internet finden kann) und widme mich nun den akustischen Aspekten.
Die Produktion ist ‚flawless‘, wie man so schön sagt. Die Abmischung klingt ordentlich nah am schwedischen Vorbild. Die Sounddecke ist durchweg recht dick, die Gitarren nehmen oft die Rhythmik der Doublebasssalven auf, was dem Bass leider die Luft zum Atmen nimmt. Dieser geht auf dem Album komplett unter – bis auf „A Taste Of Lethe“, welcher der letzte und gleichzeitig eindeutig stärkste Song des Albums ist. Allerdings strapaziert er mit seiner Dauer von 14 Minuten die Grundidee leider etwas über. Zehn Minuten hätten nach meinem Empfinden wohl vollends ausgereicht, um alle Ideen und Entwicklungen dieses Finales auszuformulieren. Neben benanntem Song, gibt auch „Days Before The Black“ Hoffnung auf ausdifferenziertere Songs. Die Band ist noch recht frisch auf dem Markt und hat noch viel Entwicklungspotenzial – wenn sie sich in Zukunft hieran orientieren, sehe ich für mich die berechtigte Hoffnung, dass die kommenden Veröffentlichungen eher meinen Geschmack treffen.
Einen wirklichen Höhepunkt des Albums kann ich allerdings auch nach dem fünften Hören noch nicht ausmachen. Generell lässt sich über die Songs rein soundtechnisch und kompositorisch nichts gravierend Schlechtes sagen – wirkliche Jubelschreie können sie mir allerdings auch nicht entlocken. Schwer, rollend und voll ins Fressbrett hauen APALLIC mir über fünfzig Minuten lang ihren progressiven Death um die Ohren, wobei für meinen Geschmack der progressive Anteil noch deutlich ausgebaut werden könnte. Nun, manch einer mag vollkommen zu Recht anmerken, dass allzu verkopfte Musik nicht jedermenschs Sache sei, aber ich persönlich mag es eben doch soweit durchdacht, dass ich auch nach mehrmaligen Hören noch Neues entdecken kann.
Das Riffing ist recht stereotypisch, der Gesang immer passend zusammengesetzt aus Screams und Growls und die Songs wechseln in sich angemessen zwischen ruhigeren und härteren Passagen. Ich bin nicht sicher, ob ich das dem Album so anlasten kann, aber ich habe den Eindruck, dass die doch sehr dominante Härte dazu führt, dass das melodische Finetuning ins Hintertreffen gerät.
Viel mehr bleibt mir zum Album der Ostfriesen tatsächlich nicht zu sagen, weil es in meinen Ohren auch wirklich nichtssagend ist. Mit einem zugedrückten Auge, weil ich das Entwicklungspotenzial sehe und den generell gut gelungenen Sound und dessen zeitweise Nähe zu OPETH schätze, gibt es eine gut gemeinte Sechs.
In die EP von 2015 kannst du hier hineinhören.
Autorenbewertung
Vorteile
+ solide Grundausrichtung
+ geht Death Metal-typisch ordentlich nach vorn
Nachteile
- stilistische Ausdifferenzierung noch in den Kinderschuhen
- Lyrics (augenscheinlich) belangloser als erhofft
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