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Core Classics #8 – Protest The Hero

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Hier bekommt ihr eure wöchentliche Dosis an Metalcore-Alben mit Legenden-Status. Viele Vorurteile gegenüber dieser Musikrichtung konnten ja bereits schon ausgelöscht werden. Und genau deswegen gibt es jetzt auch diese Kolumne, denn ich kann sie schreiben und mich danach immer noch auf die Straße trauen!

PROTEST THE HERO – Kezia
Veröffentlichungsdatum: 30.08.2005
Länge: 43:39 Min.
Label: Underground Operations

Ich kann mich daran erinnern, als wäre es gestern gewesen : Mein ach so rebellisches Vergangenheits-Ich rutscht von Rock-Bands wie RISE AGAINST und BREAKING BENJAMIN in härtere Gefilde. Um ehrlich zu sein, ist das auch nicht so lange her und könnte genauso gut heute gewesen sein, aber mein Gedächtnis ist jetzt schon zu sehr beeinträchtigt. Einen Haken hatte der Übergang von Musik, die sehr viel Wert auf halbwegs verständlichen Gesang legt: Viele der Bands, die sich meiner Einführung in den Metalcore schuldig machten, benutzten keinen Gesang. Das störte mich anfangs sehr. Ich war nicht daran gewohnt, tief gestimmte Gitarren und einen vor sich hin grummelnden Sänger zu hören. Eine Truppe rettete mich dann aus meiner Verwirrung und holte mich genau an dieser Stelle ab. Die Rede ist von PROTEST THE HERO. Ihr Album „Volition“ hörte ich damals rauf und runter. Dennoch hat der naive Teenager in mir dieses Meisterwerk nur erstanden, weil es ihm auf iTunes empfohlen wurde und ein vergleichsweise cooles Cover vorzuweisen hatte. Mit meinem Einstieg in weniger Core-lastige Gefilde geriet die Band dann in Vergessenheit. Es dauerte eine Weile bis ich es, zusammen mit der restlichen Diskographie der Kanadier, wiederfand.

Zu dieser Zeit verstand ich dann, welche Würdigung diese Band verdient. Die Fingerfertigkeit an den Gitarren, die wunderschönen Cleans und Screams, das Drumming, einfach alles passt. So auch auf dem ersten Werk in voller Länge. Auch wenn man sich über die Produktion sowie Gesang streiten kann. Schließlich findet man beim Mix eindeutig mehr Ecken und Kanten als auf den folgenden Alben. Das soll jedoch niemanden davon abhalten, neuere Leckerbissen zu probieren. Es ist nämlich egal wie poliert es klingt, wenn technisch viel geboten wird. Hier wird aber nicht ohne Rücksicht auf Melodie und Verluste mit komplexen Riffs angegeben: Groove gibt es auch zu Genüge, sei es nun in Breakdowns, Verse oder Chorus. So zum Beispiel im Intro von „Heretics & Killers“ und „A Plateful of Our Dead“. Außerdem machen die Gitarren Lust auf mehr (mehr Musik von PROTEST THE HERO). Von Gitarristen ist immer eine zentrale Aussage zu hören, „Manchmal, wenn ich mich daran erinnern will, wie schlecht ich spiele, versuche ich einen PROTEST THE HERO – Song zu spielen.“. Es dauert eine Weile bis man alles verinnerlicht hat und selbst dann darf man sich immer noch auf der Bühne konzentrieren. Das sieht man auch den Mitgliedern der Band auf der Bühne an, es wäre ja peinlich sich zu verspielen. Vor allem bei dem Status, den sie sich bereits erarbeitet haben. Egal ob „Nautical“, „Divinity Within“ oder „A Plateful of Our Dead“, die Riffs hören sich nie ähnlich aber ähnlich schwierig an. Das konnte man wohl nicht vermeiden, bei der hohen Rate „Noten pro Sekunde“ die hier abgefeuert werden.

Die Gesangs-Problematik kann man mit der von RUSH vergleichen. Entweder man liebt den Gesang so wie er ist oder man hasst ihn, es gibt kein Dazwischen. Durch die hohe Tonlage wird man jedoch immer wieder an IRON MAIDEN und andere Heavy Metal – Konsorten erinnert. Progressive Mathcore-Riffs, Hardcore-Drums, akustische Pausen inmitten von Liedern, und Heavy Metal-Gesang sind eine sehr einzigartige Kombination, die zum Glück funktioniert. Die episch anmutenden Vocals sind ein Zeugnis unglaublichen Stimmumfangs, von Growls bis zum höchsten Ton, den je jemand im Metalcore ohne Autotune getroffen hat. Hier sitzt alles. Eine spontane Akustikgitarren-Einlage mit weiblichem Begleitgesang in „Blindfolds Aside“ klingt daher nicht fehl am Platz, was auf vielen Platten wahrscheinlich der Fall wäre. JADEA KELLY heißt die nette Dame, die nicht nur auf diesem, sondern auch auf vielen anderen Alben der Band ihren emotionalen Auftritt hinlegt. Das reicht der Truppe aber noch nicht. Darauf packen sie ein Text-Konzept, das seinesgleichen sucht. Der Name des Albums „Kezia“ ist der Name des Mädchens, welches in der Geschichte hingerichtet werden soll. Die Sichtweisen von drei Personen auf die Exekution werden in jeweils drei Liedern vorgestellt. Insgesamt besteht die Geschichte aber aus 4 Kapiteln: das erste behandelt einen Priester, das zweite den Gefängniswärter und Henker, das dritte „Kezia“ selbst und das letzte, bestehend aus nur einem Song, zeigt die Sicht der Band. Die Texte werden trotzdem emotionsgeladen vorgetragen, obwohl aus wechselnden Perspektiven berichtet wird.

So when you bled on the bed as you fed those expectations
as a whore and not a human
You embraced with hesitation the very parameters of all you can be
Not a mother, not an aunt, not a sister that’s not subdued
Because dignity is not physical and your flesh means more than you – „Turn Soonest To The Sea“

Das Konzept von Breakdowns haben die Kanadier auch verstanden. „Turn Soonest To The Sea“ hat den epischsten Build-Up zu einem Breakdown, den ich je gehört habe. Die Textpassage „Your flesh means more than you!“ ritze ich mir dann bei Gelegenheit in die Stirn. Nur so als kleinen Ausblick auf die neuen Patreon-Belohnungen von mir (nicht). Keine andere Band hätte dieses Lied so gut hinbekommen. Sie haben zudem dafür gesorgt, dass die auf den Breakdown folgende folgende Stelle in den Songaufbau passt. Denn danach klingt der Song wie ein angehendes Weihnachtslied. Ich hätte auch ehrlich gesagt kein Problem damit, zu Weihnachten PROTEST THE HERO-Songs im Radio zu hören. Leider passt der Text nicht so gut zur weihnachtlichen Botschaft von Liebe und Wärme. Die Eingängikeit ihrer Lieder mag so manchem Kritiker nicht gefallen, aber wenn man diese mit so einer diversen Songstruktur und progressiven Elementen vereinbaren kann, dann sollte man das auch zeigen. Ich sing so oder so mit.

Fazit:


Dieses Album stellt vieles in den Schatten und für mich gelten PROTEST THE HERO als Wegweiser für eine neue Generation progressiver Bands. Leider finden sie in Europa und Deutschland nicht annähernd den gleichen Anklang wie in anderen Teilen der Welt. Daher empfehle ich jedem Musik-Fanatiker reinzuhören und zu kaufen, kaufen, kaufen! Das klingt vielleicht etwas ungestüm, für mich haben sie es jedoch aus folgenden Gründen verdient. Erstens: der Sänger Rody Walker ist die Reinkarnation aller bereits verstorbenen Heavy Metal-Sänger, egal ob diese bereits nach seiner Geburt verstarben. Zweitens: seine Stimme, der Irre am Schlagzeug und die Fingerfertigkeit der Gitarristen sind ein zu starkes Alleinstellungsmerkmal, um je unterzugehen. Drittens: diese Band hat auch mit ihren späteren Alben nichts falsch gemacht und wird uns weiterhin mit unglaublich antörnender Musik verzaubern. Viertens: die Formation macht unglaublich gute Musik, die unabhängig vom eigenen Geschmack zumindest Anerkennung verdient.
Bevor mein Fanboy-Ausbruch kritisiert wird, geht tief in euch und stellt euch die Frage:
Was würdet ihr über eine Band schreiben, durch die ihr euch unbewusst härterer und technisch versierterer Musik genähert habt?

 

Bilder mit freundlicher Genehmigung von Protest The Hero und Protest The Hero

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4 Kommentare

  1. Darquise
    19. Oktober 2016 bei 21:47 — Antworten

    Ist lustig, dass ich mir die erst letzte Woche zugelegt hab. Seitdem musste ich das schon viel zu oft geklickte Video zu Blindfolds Aside nicht mehr aufrufen und prompt finde ich es hier wieder :DD

    • 1. November 2016 bei 22:02 — Antworten

      Na dann ist ja alles in Butter. Obwohl YouTube ja jetzt sogar GEMA Abgaben macht. Vielleicht solltest du wieder klicken….

  2. Aggronorm
    19. Oktober 2016 bei 17:36 — Antworten

    Natürlich sofort gekauft und für gut befunden ?????

    Habe nur kleine Kritikpunkte?
    Hatte nach dem ersten mal hören den Eindruck das gerade die ersten Lieder (ohne weiblichen Gesang) eher wie Medley’s klingen. Für meinen Geschmack etwas Zuviel Unterschiedliche sagen wir mal „Stilrichtungen“ in den einzelnen Liedern. Ist bestimmt so gewollt, reißt mich nur immer wieder aus den einzelnen Abschnitten der Lieder. Ist komischerweise in den Liedern mit weiblichen gesagt deutlich besser gelöst da die Übergänge sehr viel flüssiger wirken, was mir sehr viel besser liegt. Hatte auch das Gefühl das die Platte von Lied zu Lied immer stimmiger wird.

    Wird auf alle Fälle noch öfters durch meine Gehörgänge gehen?

    • 1. November 2016 bei 22:02 — Antworten

      Ist wahrscheinlich Geschmackssache, dieses „All over the place“-Sein find eich persönlich super gut 😀

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